Wann ist der
richtige Zeitpunkt für die Aufforderung zu Entgeltverhandlungen gem. § 77 SGB
XII? Wie immer kommt es auf den Landesrahmenvertrag an, doch schon der Blick
ins Gesetz gibt Aufschluss, wann dieser Zeitpunkt sein muss.
Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind die Vereinbarung
nach § 75 Abs. 3 SGB XII, und dazu gehören die Leistungsvereinbarung,
Prüfungsvereinbarung und Vergütungsvereinbarung, „… vor Beginn der jeweiligen
Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum (Vereinbarungszeitraum)
abzuschließen… “. Vereinbarungen sollen prospektiv sein und keine Rückwirkung
entfalten; dies findet sich gleichfalls in Abs. 2 S. 3, wonach ein
„zurückwirkendes Vereinbaren oder Festsetzen von Vergütungen“ nicht zulässig
ist (Grundsatz der Prospektivität).
Entgeltverhandlungen müssen also vor dem Abschluss der
angestrebten Vergütungsvereinbarung abgehalten werden, damit in der
Vereinbarung ein Beginn-Datum festgelegt werden kann. Die Formulierung „vor
Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode“ wird aber im Gesetzestext nicht
weiter definiert, so dass damit jeder Monatserste gemeint sein kann.
Der Gesetzgeber verlangt allerdings, dass
Entgeltverhandlungen gem. Abs. 1 S. 3 über einen Zeitraum von „sechs Wochen“
geführt werden müssen, bevor die Schiedsstelle über die streitigen Gegenstände
entscheiden kann. Von daher ist die schriftliche Aufforderung zu Verhandlungen
alleine nicht ausreichend, es müssen Streitgegenstände konkret benannt werden.
Ebenso kann unter dem verwendeten Begriff „Vereinbarungszeitraum“
durchaus eine Periode von weniger oder mehr als einem Jahr verstanden werden
(vgl. Rz. 4 zu § 77 SGB XII in Münder, LPK-SGB XII, 8. Auflage, S. 582). In der
Regel finden neue Verhandlungen erst sechs Wochen vor dem Ablaufdatum der jeweiligen
Vergütungsvereinbarung statt, was aber nicht immer zwingend der Fall sein muss.
Wenn aber eine Frist für die ordentliche Kündigung im Landesrahmenvertrag, den
Verfahrensvereinbarungen oder sogar in der Vergütungsvereinbarung enthalten
ist, dann kann dementsprechend auch früher zu Verhandlungen aufgefordert
werden.
Neuverhandlungen können aber auch stattfinden bei„…
unvorhersehbaren wesentlichen Veränderungen der Annahmen, die der Vereinbarung
oder Entscheidung über die Vergütung zu Grunde lagen…“ (vgl. Abs. 3). Damit ist
nicht die außerordentliche Kündigung gemeint, siehe hierzu § 78 SGB XII.
Vielmehr ist so etwas wie das Rechtsinstitut des § 242 BGB, Wegfall der
Geschäftsgrundlage, impliziert (vgl. Rz. 22 zu § 77 SGB XII in Münder, LPK-SGB
XII, 8. Auflage, S. 588). Sofern Veränderungen eingetreten sind, die so nicht
vorhersehbar waren, sind Neuverhandlungen möglich. Gleichwohl kann z.B. ein
Leistungsträger dadurch entgegenwirken, in dem Ereignisse benannt werden, die
als „nicht unvorhersehbar“ gelten sollen.
Es kann also gut sein, dass ein Tarifabschluss, wie jetzt
im Falle der Eingruppierungsregelungen im Sozial- und Erziehungsdienst, einen
„unvorhersehbaren“ Kostenaufwand mit sich bringen; sehr wahrscheinlich bleiben
viele Leistungserbringer deswegen auf diesen Mehrkosten in 2015 sitzen, weil
ihre Vergütungsvereinbarung einen Kündigungsausschluss bis zum 31.12.2015
vorsieht. Andererseits sind neue Gesetze mit ihren Auswirkungen, wie beim
Mindestlohngesetz, nicht wirklich absehbar und könnten ggf. zu vorzeitigen
Neuverhandlungen berechtigen.
Der Zeitpunkt für Entgeltverhandlungen richtet sich somit
immer nach dem vergütungsrelevanten Ereignis (Abs. 3) und nach dem Ablaufdatum
oder Kündigungstermin der Vergütungsvereinbarung zuzüglich der sechs Wochen
Verhandlungsdauer (Abs. 1).
CGS
Bitte lesen Sie die Hinweise
zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss
sowie die Datenschutzerklärung.
Wollen Sie mit mir in Kontakt treten oder Ihre Meinung
sagen? Hinterlassen Sie einen Kommentar.