Samstag, 21. November 2015

Wann Entgeltverhandlungen zu führen sind

Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Aufforderung zu Entgeltverhandlungen gem. § 77 SGB XII? Wie immer kommt es auf den Landesrahmenvertrag an, doch schon der Blick ins Gesetz gibt Aufschluss, wann dieser Zeitpunkt sein muss.

Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind die Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII, und dazu gehören die Leistungsvereinbarung, Prüfungsvereinbarung und Vergütungsvereinbarung, „… vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum (Vereinbarungszeitraum) abzuschließen… “. Vereinbarungen sollen prospektiv sein und keine Rückwirkung entfalten; dies findet sich gleichfalls in Abs. 2 S. 3, wonach ein „zurückwirkendes Vereinbaren oder Festsetzen von Vergütungen“ nicht zulässig ist (Grundsatz der Prospektivität).

Entgeltverhandlungen müssen also vor dem Abschluss der angestrebten Vergütungsvereinbarung abgehalten werden, damit in der Vereinbarung ein Beginn-Datum festgelegt werden kann. Die Formulierung „vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode“ wird aber im Gesetzestext nicht weiter definiert, so dass damit jeder Monatserste gemeint sein kann.

Der Gesetzgeber verlangt allerdings, dass Entgeltverhandlungen gem. Abs. 1 S. 3 über einen Zeitraum von „sechs Wochen“ geführt werden müssen, bevor die Schiedsstelle über die streitigen Gegenstände entscheiden kann. Von daher ist die schriftliche Aufforderung zu Verhandlungen alleine nicht ausreichend, es müssen Streitgegenstände konkret benannt werden.

Ebenso kann unter dem verwendeten Begriff „Vereinbarungszeitraum“ durchaus eine Periode von weniger oder mehr als einem Jahr verstanden werden (vgl. Rz. 4 zu § 77 SGB XII in Münder, LPK-SGB XII, 8. Auflage, S. 582). In der Regel finden neue Verhandlungen erst sechs Wochen vor dem Ablaufdatum der jeweiligen Vergütungsvereinbarung statt, was aber nicht immer zwingend der Fall sein muss. Wenn aber eine Frist für die ordentliche Kündigung im Landesrahmenvertrag, den Verfahrensvereinbarungen oder sogar in der Vergütungsvereinbarung enthalten ist, dann kann dementsprechend auch früher zu Verhandlungen aufgefordert werden.

Neuverhandlungen können aber auch stattfinden bei„… unvorhersehbaren wesentlichen Veränderungen der Annahmen, die der Vereinbarung oder Entscheidung über die Vergütung zu Grunde lagen…“ (vgl. Abs. 3). Damit ist nicht die außerordentliche Kündigung gemeint, siehe hierzu § 78 SGB XII. Vielmehr ist so etwas wie das Rechtsinstitut des § 242 BGB, Wegfall der Geschäftsgrundlage, impliziert (vgl. Rz. 22 zu § 77 SGB XII in Münder, LPK-SGB XII, 8. Auflage, S. 588). Sofern Veränderungen eingetreten sind, die so nicht vorhersehbar waren, sind Neuverhandlungen möglich. Gleichwohl kann z.B. ein Leistungsträger dadurch entgegenwirken, in dem Ereignisse benannt werden, die als „nicht unvorhersehbar“ gelten sollen.

Es kann also gut sein, dass ein Tarifabschluss, wie jetzt im Falle der Eingruppierungsregelungen im Sozial- und Erziehungsdienst, einen „unvorhersehbaren“ Kostenaufwand mit sich bringen; sehr wahrscheinlich bleiben viele Leistungserbringer deswegen auf diesen Mehrkosten in 2015 sitzen, weil ihre Vergütungsvereinbarung einen Kündigungsausschluss bis zum 31.12.2015 vorsieht. Andererseits sind neue Gesetze mit ihren Auswirkungen, wie beim Mindestlohngesetz, nicht wirklich absehbar und könnten ggf. zu vorzeitigen Neuverhandlungen berechtigen.

Der Zeitpunkt für Entgeltverhandlungen richtet sich somit immer nach dem vergütungsrelevanten Ereignis (Abs. 3) und nach dem Ablaufdatum oder Kündigungstermin der Vergütungsvereinbarung zuzüglich der sechs Wochen Verhandlungsdauer (Abs. 1).

CGS




Wollen Sie mit mir in Kontakt treten oder Ihre Meinung sagen? Hinterlassen Sie einen Kommentar.