Samstag, 28. Juli 2018

Was ist für ein behindertes Kind eine angemessene Schulbildung? (Teil 1/2)


Wieder mal ein kompliziertes Thema, diese Sache mit der "Angemessenen Schulbildung".

Begonnen hat es mit der Frage danach, wie lange ein behindertes Kind, welches (nach dem Willen der Eltern) eine Regelschule und nicht die Förderschule besucht, diese Regelschule besuchen kann. Es gibt da verschiedene Grundrechte, wie z.B. das Recht auf Bildung, so dass ein Nachteilsausgleich und eine laufende Unterstützung zu geschehen hat. Doch wie ist es mit der Möglichkeit zur Erlangung eines Schulabschlusses (z.B. den Ersten Schulabschluss, ESA)? Vielleicht ist die Behinderung ja nur so „mild“, dass mit genügend Zeit ein solcher Schulabschluss erreichbar wird?

Um das Recht auf Bildung zu verwirklichen, braucht es Leistungen aus dem Bereich der Eingliederungshilfe. Es handelt sich hierbei um ein Bundesgesetz, dass von den Ländern umgesetzt werden muss. Obwohl der Leistungskatalog für diese Hilfen offen ist, es findet sich überraschend eine Vorgabe darin, die es ermöglicht, die Gewährung von Hilfen zeitlich zu befristen. Und damit entsteht die Möglichkeit, dass ein Mensch mit Behinderung trotz geistiger Weiter-Entwicklung seinen Anspruch auf diese Hilfen verliert.

Es kann aber eine „Rettung“ geben durch die UN-Kinderrechtskonvention.

(Aufgrund des Umfangs dieses Beitrags, habe ich zwei Teile daraus gemacht)


Das gleiche Recht für alle auf Bildung

In Deutschland gibt es die Besonderheit, dass Kinder die Pflicht haben, eine Schule zu besuchen. Gemeint ist normalerweise eine Regelschule. Für behinderte Kinder dagegen gab es bislang die Empfehlung, eine Förderschule / Förderzentrum aufzusuchen. Mit dieser Inklusions-Sache sind Eltern ein wenig skeptischer geworden und wünschen immer mehr, dass das Kind mit Behinderung eine Regelschule (Grundschule, Realschule, Gymnasium usw.) besucht. Ein Recht auf Bildung steht allerdings den Kindern nicht nur nach der UN-Kinderrechtskonvention und der UN-Behindertenrechtskonvention zu, sondern es gibt auch noch ein grundgesetzliches Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, eingefügt am 27.10.1994).

Damit dieses „Gleiches Recht für Alle“ umgesetzt werden kann, braucht es einen sogenannten Nachteilsausgleich (auch als Behinderungsausgleich bekannt). Im Wege der Eingliederungshilfe soll das Recht auf Bildung dadurch ermöglicht werden, dass Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung bereitgestellt werden (§ 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII). Diese Hilfen gehören zwar zu den Aufgaben des Staates (als Leistungsträger), erbracht werden diese Leistungen aber von Dritten – den Leistungserbringern (siehe hierzu auch §§ 75 ff. SGB XII). Die leistungsberechtigten Kinder gehören (derzeit noch) zum Personenkreis nach § 53 SGB XII (körperlich, sinnesbeeinträchtigte und geistig behinderte Menschen) oder zählen zum § 35 a SGB V (seelisch behinderte Kinder und Jugendliche). Worauf es aber ankommt, ist die Behinderung aufgrund der Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren, welche eine erfolgreiche Teilhabe unmöglich macht (vgl. hierzu ganz besonders § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX).


Es gibt keinen abgeschlossenen Hilfe-Katalog

Was nun diese einzelnen Hilfen anbelangt, der gesetzliche Passus ist nicht abschließend formuliert; mit anderen Worten: Es können auch noch andere Hilfen hinzugenommen werden in das Leistungsrecht der Eingliederungshilfe, ohne dass es eine Benennung im Gesetz bedarf. Der Grund dafür ist das Wörtchen „insbesondere“, mit der beispielhaft etwas aufgezählt wird. Diese Öffnung findet sich übrigens zudem in der Aufzählung in Nr. 1, womit also nicht nur einschränkend auf die allgemeine Schulpflicht verwiesen wird. Es zählt die Erlangung einer Schulbildung, die ebenfalls außerhalb der allgemeinen Schulpflicht erfolgen kann.

Weil die Bundesregierung durch Rechtsverordnung einiges bestimmen kann, ist demzufolge die Eingliederungshilfe-Verordnung aus § 60 SGB XII zu prüfen. Doch auch hier findet sich ein Wörtchen, dass schon, wie zuvor in § 54 Abs. 1 S. 1 und in Nr. 1, daraus keine abschließende Aufzählung macht. Weil gleich im ersten Absatz ein „umfasst auch“ steht, beschränken sich die möglichen Hilfen nicht auf die dann folgenden benannten Maßnahmen. Landesregierungen sind dann nur noch für die Bereitstellung dieser Hilfen verantwortlich. 

Damit wären ebenso Hilfsmittel abgedeckt, die für ein Kind als erforderlich anzusehen wären, wenn nur mit dem jeweiligen, begehrten Hilfsmittel der Schulbesuch erleichtert oder ermöglicht werden kann. Das "zu erleichtern" muss allerdings etwas übergeordnet verstanden werden. Wenn beispielsweise die Einschränkung des behinderten Menschen diesen daran hindert, Aufgaben für die Schule in der häuslichen Umgebung zu bewältigen, muss ein Hilfsmittel gefunden werden. Ein Hilfsmittel, welches das Kind befähigt, seine Schulaufgaben zu bewältigen, wäre eine geeignete Maßnahme. Ein anderes Beispiel wäre der Klassenausflug, der als Pflichtveranstaltung die Teilnahme erforderlich macht. Eine Befreiung des Kindes von der Teilnahme wäre eine Verweigerung des Kindesrechts auf Bildung.


Doch das Recht auf Leistung ist befristet

Die Gewährung von Hilfen richtet sich nach den Bundesgesetzen. Der Besuch einer Schule wiederum ist Sache der Länder. Auch wenn das alles eine gemeinsame Grundlage zu haben scheint, immer wieder sieht man völlig gegensätzliche Handlungen der regierenden Stellen. Während also das Landesrecht den Schulbesuch regelt, unterstützt das Bundesrecht mit Hilfen, damit eben das Recht auf Bildung und Teilhabe gewährleistet wird.

Was meines Erachtens im Widerspruch steht zu diesem grundgesetzlich geschütztem Recht auf Bildung, ist die Befristung des Leistungsrechts auf „eine im Rahmen der allgemeinen Schulbildung üblicherweise erreichbare Bildung“ (§ 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EinglVO). Diese Formulierung erinnert stark an den Mehrkostenvorbehalt an vielen anderen Stellen. Zum Beispiel soll in § 9 Abs. 2 SGB XII den Wünschen des leistungsberechtigten Menschen in Bezug auf die Gestaltung der Leistung nur dann nicht entsprochen werden, wenn mit „unverhältnismäßigen Mehrkosten“ gerechnet werden muss (S. 3). Zuvor allerdings ist der Leistungsbedarf gemeinsam festgestellt worden und der behinderte Mensch konnte seine Wünsche einbringen. Was nun dieser Leistungsbedarf ist, bezieht sich auf das im Grundgesetz verankerte Recht.

Fakt ist also, dass im gegenwärtigen Leistungsrecht das Recht auf Bildung befristet ist. Die Frist richtet sich dabei auf den „Rahmen zur Erlangung einer allgemeinen Schulbildung“ und zum anderen auf das „üblich erreichbare“.


... Weiter im 2. Teil in etwa drei Tagen.

CGS






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