Sonntag, 12. August 2018

Steuerrecht – gemeinnützige Vereinsarbeit wird zur bürokratischen Verwaltungsarbeit


Häufig finden sich Leute, die etwas "Soziales" bewerkstelligen wollen. Sie möchten aktiv werden, eine Aufgabe wahrnehmen, die aus ihrer Sicht in der Gesellschaft einfach zu kurz kommt. Bei dieser Aufgabenwahrnehmung suchen oder stoßen sie auf persönliche oder finanzielle Unterstützung von Dritten, so dass sich Einnahmen ergeben. Gleichzeitig müssen diese "Sozial-Werker" Ausgaben schultern, um ihr ideelles Werk zu vollbringen.

Die Leute werden sich vielleicht zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammenschließen (§ 705 f. BGB; siehe aber auch § 899a BGB zum weiteren Verständnis der GbR), weil es eine sehr einfache Form einer gemeinschaftlichen Unternehmung darstellt. Da in einer solchen Gesellschaft von Personen (auch bekannt als Personengesellschaft; dagegen zu setzen ist der Begriff der Kapitalgesellschaft) die Außenvertretung durch jeden Gesellschafter erfolgen kann, und viele Mit-Gesellschafter eine Haftung für das Verschulden der anderen fürchten, kann es zur Gründung eines (rechtsfähigen) Vereins kommen.

Die Gründung eines rechtsfähigen, eingetragenen Vereins (e.V.) wiederum beginnt mit einer Gründungsversammlung, in der eine Satzung beschlossen wird. Anschließend ist ein Vorstand zu bestimmen, der die Außenvertretung und Geschäftsführung wahrnimmt. Zusammen mit dem Gründungsprotokoll erfolgt die Anmeldung beim zuständigen Amtsgericht. Der Verein kann dann unternehmerisch auftreten.

Und was kommt dann?


Rechenschaftspflicht gegenüber den Mitgliedern

Der Vorstand eines Vereins ist zur Rechenschaft gegenüber seiner Mitglieder verpflichtet (§ 27 Abs. 3 BGB mit Verweis auf §§ 664 f. BGB). Damit ist allerdings nicht nur die Berichterstattung über die Tätigkeiten bzw. die Zweckerfüllung gemeint. Gerade weil es um Vermögenstransaktionen geht, wird eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben benötigt (vgl. § 259 BGB, Unterlage: Einnahme-Überschuss-Rechnung) zusammen mit einem Verzeichnis des Bestandes an Vermögensgegenständen (vgl. § 260 BGB, Unterlage: Vermögensübersicht).

Mit der Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit, entsteht in der Regel eine Pflicht zur Abgabe von steuerlichen Erklärungen - immerhin ist mit einem Leistungsaustausch zu rechnen. Einem sozial-tätigen Verein stehen hingegen gewisse steuerliche Erleichterungen zu, wenn die tatsächliche Geschäftsführung auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke gerichtet ist und selbstlos erfolgt (§§ 51 f. AO sowie insbesondere 63 Abs. 3 AO). Die Geschäftsführung wiederum fußt auf einer Satzung, die genau diese steuerbegünstigenden Zwecke benennt.

Bei seiner ideellen Arbeit wird der Verein von verschiedenen Seiten z.B. Gelder einnehmen. Die so angesammelten Mittel müssen allerdings zu einem späteren Zeitpunkt für die steuerbegünstigten Zwecke eingesetzt werden. Dabei soll der Mitteleinsatz grundsätzlich zeitnah erfolgen. Zeitnah bedeutet, dass die Mittel „spätestens in den auf den Zufluss folgenden zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren“ zu verwenden sind (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 3 AO). Von einer solchen Frist dagegen ausgenommen sind u.a. Zuwendungen von Todes wegen (z.B. Erbschaften; § 62 Abs. 3 AO).

Sollte eine Verwendung der erhaltenen Mittel nicht innerhalb dieser Fristen geschieht, sollte eine Mittelverwendungsrechnung erstellt werden. In einer solchen Mittelverwendungsrechnung kann aufgeführt werden, welche Mittel für bestimmte Projekte oder die Wiederbeschaffung von Wirtschaftsgütern zurückgestellt worden sind (§ 62 AO).


Verwahrung und Einsatz der angesammelten Mittel

Ein gemeinnützig anerkannter Verein könnte die angesammelten Mittel verwahren oder einsetzen. Soll eine Mittelverwendung noch nicht stattfinden, stellt sich die Frage nach der Form für eine Verwahrung.

Bei Finanzmitteln können nicht angelegte Gelder auf dem Bankkonto verwahrt werden, gleichwohl gibt es aufgrund der begrenzten Einlagensicherung bestimmte Risiken für die darüber gehenden Beträge. Hatte der Verein z.B. ein Depot geerbt, liegt eindeutig eine Vermögensverwaltung vor (vgl. dazu ganz besonders § 14 S. 3 AO und auch § 15 Abs. 2 EStG). Welche Formen einer Verwahrung oder Beteiligung es sonst noch gibt, hatte das BMF in einem Erlass aus dem Jahr 2014 etwa so beschrieben:


BMF-Anwendungserlass
Eigene Ergänzungen

Beteiligungsform
Einschätzung
§ 14 S. 1 AO
§ 14 S. 3 AO
1
gewerblich geprägte vermögensverwaltende Personengesellschaft
Vermögensverwaltung

(BFH-Urteil vom 25.5.2011, I R 60/10, BStBl 2012 II, S.858)

Jederzeitige Liquidierbarkeit ist gegeben.
Das Vermögen soll z.B. verzinslich angelegt werden.
2
Kapitalgesellschaft ohne Einflussnahme auf die laufende Geschäftsführung
Vermögensverwaltung

(§ 14 Satz 3 AO)

Jederzeitige Liquidierbarkeit ist gegeben.
Das Vermögen soll z.B. verzinslich angelegt werden.
3
Kapitalgesellschaft mit entscheidender Einflussnahme auf die laufende Geschäftsführung
Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb

(vgl. BFH-Urteil vom 30.6.1971, I R 57/70, BStBl II S. 753; H 15.7 (4) bis H 15.7 (6) EStH 2011)

Selbständige und nachhaltige Tätigkeit, die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht.

Konkurrenz-Situation möglich.
Eine Ausschüttung ist möglich.
4
Kapitalgesellschaft ist selbst vermögensverwaltend (z.B. Investmentfonds)
Vermögensverwaltung

(vgl. R 16 Abs. 5 KStR)

Eine zügige Liquidierbarkeit wäre möglich.
Das Vermögen soll z.B. verzinslich angelegt werden.
5
steuerbegünstigte Kapitalgesellschaft
Vermögensverwaltung

(vgl. aber auch die Definition zum Zweckbetrieb, § 68 AO)
Selbständige und nachhaltige Tätigkeit, die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht, aber keine Einnahmen oder wirtschaftlichen Vorteile erzielt.
Ist nicht beabsichtigt.

Die Satzung der steuerbegünstigten Kapitalgesellschaft dürfte eine Begünstigung in Form einer Ausschüttung oder Dividende nicht beinhalten (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO).


Quelle: Nr. 3 im AEAO zu § 64 Abs. 1 AO, Erlass vom 31.1.2014, mit eigenen Ergänzungen (kursiv)

Es kommt nicht so sehr darauf an, dass ein Gewinn erzielt wird, um eine Abgrenzung zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb hinzubekommen. Das Kriterium dafür ist die „selbständige nachhaltige Tätigkeit“, mit der Einnahmen oder wirtschaftliche Vorteile verschafft werden. Dabei kann eine Konkurrenz-Situation zu anderen am Markt teilnehmenden Anbietern auftreten. Selbständigkeit bezieht sich auf die Struktur dieser weiteren Tätigkeit, also wie selbständig diese abgetrennt vom ideellen Bereich erfolgt. Nachhaltigkeit bezieht sich auf die Dauer bzw. steten Wiederholung der weiteren Tätigkeit.

Es ist der Verzinsungsgedanke, der eine Vermögensverwaltung auszeichnet; es soll ein Kapital eine Rendite bringen oder ein Sachvermögen verpachtet werden. Und man kann davon ausgehen, dass das Kapital schnell wieder abgezogen wird sowie ein Sachvermögen veräußert werden kann; die Liquidierbarkeit der Wertanlage ist entscheidend. Bei der Beteiligung in eine steuerbegünstigte Kapitalgesellschaft ergibt sich ein Mischverhältnis (Nr. 5). Weder geht es um die Verschaffung eines Vorteils, noch soll ein Gewinn erzielt werden oder eine Ausschüttung erfolgen.

Worauf es jetzt ankommt, ist die Vermeidung eines Mischverhältnisses bei den Einkünften (wie auch den jeweiligen Aufwendungen) hinsichtlich der verschiedenen, abgegrenzten Tätigkeiten oder Beteiligungen. Grundsätzlich unterliegen aber alle Einkünfte der Körperschaft- und Gewerbesteuer. Erträge aus Finanzanlagen werden mit der Kapitalertragsteuer (und Solidaritätszuschlag) besteuert. Dienen die Ausschüttungen dem ideellen Bereich für seine satzungsgemäßen Zwecke, sollten sie steuerbegünstigt bzw. freigestellt sein.


Eine zweckfremde Mittelverwendung

Die Vermögensverwaltung könnte durch einen Dritten ausgeführt werden, z.B. einer professionellen Vermögensberatung (Honorarberatung) oder Bank. Doch weil aufgrund einer derartigen Tätigkeit, mit der laufende Erträge und eine allgemeine Wertsteigerung erzielt werden sollen, sich ein mögliches Verlustrisiko ergibt, besteht die Gefahr des zweckfremden Mitteleinsatzes.

Zweckfremd bedeutet hier, dass in dem Fall die Vermögensverwaltung die angesammelten Mittel, die man eigentlich für den steuerbegünstigten Zweck einsetzen wollte, verloren hat für einen nicht-steuerbegünstigten Zweck. Ein solcher Verlust könnte sich also auf die Gemeinnützigkeit auswirken und rückwirkend erhebliche Steuernachzahlungen mit sich führen. Wenn aber dem ideellen Bereich in den vorangegangenen sechs Jahren Gewinne in mindestens gleicher Höhe zugeführt wurden, wird ein solcher „Worst-Case“ nicht passieren (vgl. Nr. 3 im AEAO zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO, Erlass vom 31.1.2014).

Es sollte am besten eine Aufteilung bei der Einnahme-Überschuss-Rechnung geschehen: ideeller Bereich und Vermögensverwaltung. Zeigt sich daraufhin ein Fehlbetrag, wird durch diese Sichtbarmachung vermutlich schneller reagiert.

Es sollte ebenfalls darüber nachgedacht werden, welche handelsrechtlichen Wahlrechte in Anspruch genommen werden können und inwieweit steuerliche Besonderheiten bei der Berücksichtigung von Einkünften und Aufwendungen einen Rückschluss auf zweckfremde Mittelverwendung erlauben (vgl. beispielsweise § 253 Abs. 3 S. 6 HGB bei Abschreibungen auf Finanzanlagen, siehe unten).


Vermögensverwaltung

Ein Beispiel:

Ein mit der Vermögensverwaltung beauftragter Dritter berichtet regelmäßig über die Entwicklung des Depots. Die Anlage der Gelder erfolgt ausnahmslos in passiven Investmentfonds (ETFs). Die Auswahl dieser Anlagegüter richtet sich nach einem Anlagekodex, um eine Strukturierung und Transparenz herzustellen.

Am Abschlussstichtag muss vom Verein der Depotwert entsprechend der handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätze festgestellt werden (§ 252 HGB). Diese Grundsätze umfassen insbesondere die Fortführung (Abs. 1 Nr. 2) und die Einzelbewertung (Nr. 3). Nicht realisierte Kursgewinne dürfen aber nicht berücksichtigt werden. Umgekehrt sind Kursverluste, selbst wenn sie noch nicht realisiert wurden, aus Vorsichtsgründen sofort zu buchen (Nr. 4 a.a.O.), d.h. es ist eine außerplanmäßige Wertminderung vorzunehmen (§ 253 Abs. 3 S. 5 HGB).

Hier besteht ein Wahlrecht sofern die Wertminderung voraussichtlich nicht „dauernd“ ist. Bei „Ewigkeits“-Anlagen, wie solchen Fonds, kann dies vorausgesetzt werden (S. 6 a.a.O.). Was nun wiederum als „dauernd“ zu verstehen ist, wurde in verschiedenen Entscheidungen näher definiert *):
  • Ist der Börsenkurs am Bilanzstichtag „um mehr als 20 % unter den maßgeblichen Buchwert“ gefallen, ist von einer dauernden Wertminderung auszugehen (FG Köln, Urteil vom 24.8.2011, 13 K 1567/07).

  • Bei einem Absinken von „mehr als 10 % an zwei aufeinander folgenden Stichtagen“ liegt eine dauernde Wertminderung vor (FG Münster, Urteil vom 31.8.2010, 9 K 3466/09).

Die beiden Finanzgerichte widersprechen damit dem BMF, was von 40 % an einem Bilanzstichtag und 25 % an zwei Bilanzstichtagen ausgegangen ist. Gerade bei Aktienkursen kann man von einer sehr hohen Volatilität ausgehen. Es kann durchaus sein, dass gleich nach Bilanzstichtag ein Anstieg des Kurswertes geschehen ist. Von daher muss zusätzlich zu diesen Stichtags-Betrachtungen auch die Entwicklung des Kurses bis zum Aufstellungszeitpunkt der Rechenschaftsberichte, welcher durchaus spät im Folgejahr liegt, berücksichtigt werden.

Da die Steuerbilanz der Handelsbilanz folgt, ist die Verwendung eines Schwellenwertes im Hinblick auf die vorgenannten Verlustrisiken bei Finanzanlagen in der Vermögensverwaltung von Bedeutung.


Vereinsarbeit nun Verwaltungsarbeit

Obwohl es eigentlich um etwas „Soziales“ gehen sollte, wird durch die steuerrechtliche Anerkennung der Gemeinnützigkeit eine Vorgabe geschaffen, die ein hohes Maß an Verwaltungsarbeit (Bürokratie) erfordert. Das scheint ganz im Gegensatz zu stehen zur kreativen und engagierten Lösungsarbeit des Vereins. Es ist wie „die dunkle Seite der Macht“. Oder auch der Preis dafür, dass man jetzt „staatlich anerkannt gemeinnützig“ sein kann.

Diese Anerkennung (oder Auszeichnung) kann aber jederzeit entzogen werden, sofern es Indizien dafür gibt, dass der Verein nicht mehr selbstlos tätig ist und die Mittel zweckfremd eingesetzt werden. Es gibt darüber hinaus noch andere Gründe, warum die Gemeinnützigkeit im Nachhinein entzogen werden kann (vgl. beispielsweise „Attac“), doch wenn eine Geschäftsführung eine sehr übertriebene Vergütung erhält (vgl. dazu die Gehaltsaffäre in Duisburg) oder als Dienstwagen einen „Maserati“ beansprucht (vgl. dazu „Treber-Hilfe“ in Berlin) ist die Arbeit des Vereins eindeutig nicht mehr „selbstlos“.

Durch diese Skandale, auch wenn es nur Einzelfälle sind, wird das Thema Mittelverwendung mehr und mehr an Aufmerksamkeit gewinnen bei den zuständigen Finanzbehörden. Von daher ist dieses Ausmaß an Bürokratie nachvollziehbar.

CGS




*) =

Es kann durchaus sein, dass die Urteile der niederen Instanzen mittlerweile vom BFH aufgehoben wurden. Dennoch ändert sich dadurch nichts an der grundsätzlichen Herangehensweise. Statt immer nur auf den niedersten Wert abzuschreiben, sollte für Finanzanlagen ein hoher Schwellenwert vorausgesetzt werden.




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