Donnerstag, 1. August 2019

BTHG: Was jetzt zu beantragen ist für Menschen in vollstationären Einrichtungen

Die Zeit läuft.

Ab dem 1.1.2020 gibt es die Komplexleistung „Eingliederungshilfe“ in der altbekannten Form nicht mehr. Man trennt sie auf in eine Fachleistung „Eingliederungshilfe“ (und verschiebt die rechtlichen Grundlagen in das Rehabilitationsrecht im SGB IX) und eine existenzsichernde Leistung; letztere wird über die Grundsicherung nach dem 4. Kapitel SGB XII abgedeckt bzw. sie soll abgedeckt werden. Wer in Zukunft aufgrund einer Behinderung bestimmte Leistungen braucht, wird sich mit einem Antrag an seine wohnortnahe Behörde wenden, die den Antrag prüft und bearbeitet, vielleicht auch an andere Behörden weitergeben muss.

Diejenigen, die jetzt schon diese Leistungen brauchen, stehen vor dem Dilemma, an wen sie sich richten müssen, damit die Leistungen auch nach dem 1.1.2020 erbracht werden. Mit einem Antrag alleine ist es dabei noch nicht getan. Was genau zu tun ist, muss jetzt besprochen werden; und in die Pflicht genommen sind dabei einfach alle: Behörden, Einrichtungsträger und – ganz besonders – die rechtlichen Betreuer.


Was akut zu tun ist

In diesen Tagen wird (oder sollte) es sicherlich eine Information verschiedener Stellen zu dem Thema geben, was die leistungsberechtigten Menschen brauchen. Wenn die Leistungsberechtigten in einer vollstationären Wohneinrichtung leben, und die sich nun in eine „besondere Wohnform“ verwandelt, sollte man als rechtlicher Betreuer folgendes angehen:

Gebraucht wird ein Bankkonto für den Erhalt von Renten, Kindergeld und sogar Arbeitseinkommen. Die jeweiligen Einzahler müssen dann natürlich darüber informiert werden, aber auch die zuständige Behörde. Ein Bankkonto ist deswegen erforderlich, weil zukünftig Grundsicherungsleistungen gezahlt werden könnten, in jedem Fall müssen aber die Kosten für das Wohnen und die Verpflegung bezahlt werden. Von daher ist auch die Einrichtung (Leistungserbringer) von der neuen Bankverbindung zu informieren.

Ein zweites Bankkonto für die Bewohner-Selbstverwaltung wäre zwar auch möglich, es macht aber die Handhabung für den rechtlichen Betreuer etwas komplizierter. Denkbar wäre, dass Bewohner den nicht benötigten Teil ihrer Gelder selbst verwalten; den vollen Zugriff auf das Konto muss ihnen jedoch zugebilligt werden.

Sofern der Schwerbehinderten-Ausweis noch nicht beantragt wurde, ist dies jetzt nachzuholen. Gleichzeitig sollten auch alle Merkzeichen und sogar das Beiblatt für die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im Personennahverkehr (§ 145 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2019) beantragt werden.

Die behinderungsbedingten Mehrbedarfe müssen jetzt bestimmt und den Leistungsträgern mitgeteilt werden.

Darüber hinaus muss man mit dem Träger der Einrichtung bzw. dem baldigen Vermieter und Versorger in Kontakt treten. Die bisherigen Wohnstätten-Verträge werden abgelöst, da die zu erbringende Leistung jetzt aufgetrennt wird in Fachleistungen und existenzsichernde Leistungen.


Was die Behörden tun werden

Da die Kommunen zuständig sind, ergibt sich teilweise ein sehr unterschiedliches Bild von Bundesland zu Bundesland, und von Landkreis zu Landkreis (oder kreisfreier Stadt).

An manchem Ort ist der Schriftverkehr nach wie vor an die bisher bekannte zuständige Behörde zu richten. Doch es kann sehr gut sein, dass man hier bereits eine Aufteilung vorgenommen hat, so dass es neuerdings auch das Grundsicherungsamt betreffen wird. Von daher sollten gesetzliche Betreuer schriftlich nach den jeweiligen zuständigen Stellen fragen: „Bitte teilen Sie mir das Aktenzeichen und die zuständige Stelle für den weiteren Schriftverkehr mit.“

Eigentlich zu erwarten wäre, dass die Umstellung von den jeweiligen Ämtern automatisch erfolgt. Damit rechnen sollte man besser nicht (z.B. der Kreis Segeberg und der Kreis Herzogtum-Lauenburg in Schleswig-Holstein wollen dazu extra angeschrieben werden vom rechtlichen Betreuer).

Die Zahlung eines Barbetrags und eines Zusatzbarbetrags wird es ab dem 1.1.2020 nicht mehr geben. Damit aber in dieser Höhe weiterhin ein Geld gezahlt wird, braucht es eine besondere Rechnung, wofür wiederum Einkommensunterlagen und andere Nachweise bereitgestellt werden müssen vom gesetzlichen Betreuer bzw. der antragstellenden Person. Es kann nun aber passieren, dass per Saldo eine „Schlechterstellung“ eintritt, weil der Restbetrag vom Regelsatz niedriger ausfällt, als der gesamte Barbetrag. Von daher sollte vorsorglich ein individueller Mehrbedarf geltend gemacht werden bei der Übersendung der Einkommensunterlagen und anderen Nachweise: „Um eine Schlechterstellung abzuwenden, beantrage ich als individuellen Mehrbedarf eine Zahlung in Höhe des Zusatzbarbetrags.“ (im Kreis Segeberg würde eine solche Antragstellung wahrscheinlich wohlwollend geprüft werden).

Die Behörden werden darum bitten müssen, dass aus datenschutzrechtlichen Gründen eine Erlaubnis zur Weitergabe persönlicher Daten an die anderen Ämter erteilt wird.

Viele Behörden werden aber nicht nur mit einem Brief über das weitere Verfahren informieren, sondern auch eine eigene Veranstaltung dazu organisieren. Als Angehöriger sollte man sich die Zeit dafür nehmen. Es gibt aber auch Fälle, in denen das nicht möglich ist, weil zum Beispiel der bisherige Leistungsträger in einem fernen Bundesland seinen Sitz hat, oder weil die jeweilige Behörde das einfach ignoriert (der Kreis Herzogtum-Lauenburg will es den einzelnen Einrichtungen überlassen, ihre Bewohner zu informieren).

Die Betroffenen-Verbände informieren bereits und haben sehr viele Unterlagen vorbereitet für Interessierte. Und auch an dieser Stelle wird es noch einiges zu dem Thema geben.

CGS






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