Mittwoch, 24. Mai 2023

Inflationsausgleich für die Beschäftigten im TVÖD

Die letzte Tarifrunde endete zwar nicht mit einem Sieg der Gewerkschaften auf ganzer Linie, beide Seiten schafften es aber, dass ein Teil der Forderungen per Inflationsausgleich erstattet werden können – die Bundesregierung hatte hierzu ja schließlich den § 3 Nr. 11 c EStG ins Leben gerufen.

Durchführungshinweise wurden erstellt. Die Gehaltsabrechner sind drauf und dran es umzusetzen, wenn es nicht doch noch eine Reihe an Besonderheiten geben würde. Und dann auch noch eine, die wirklich ganz besonders ist, weil so einige Begriffe manchmal ganz anders zu verstehen sind.

Was sich bei dem Ganzen jetzt zeigt: „kein Weg ist selbstverständlich“.


Was der Tarifabschluss bewirken soll

Mit der Umsetzung des neuen Tarifabschlusses geht es jetzt los. Im Juni wird die erste Rate des Inflationsausgleichs fällig: 1.240,00 Euro pro Vollzeitstelle von Beschäftigten, die nach einem Tarifvertrag des TVÖD entlohnt werden (ggf. kritisch prüfen, da für Studierende, Auszubildende und Praktikanten andere Werte gelten). Der Inflationsausgleich ist gemäß § 3 Nr. 11 c EStG steuerfrei.

Für diese erste Rate gilt, dass (1.) ein Arbeitsverhältnis am 1.5.2023 bestanden haben muss, und (2.) an mindestens einem Tag zwischen dem 1.1. und 31.5.2023 ein Anspruch auf Entgelt entstanden war (dies schließt ebenfalls das Entgelt des Arbeitgebers im Krankheitsfall ein, wie auch die Entgeltzahlungen bei Altersteilzeit).

In den folgenden Monaten Juli 2023 bis Februar 2024 wird die Sonderzahlung monatlich in Höhe von 220,00 Euro geleistet. Die Voraussetzungen sind hier in etwa wie oben, wobei es jetzt darauf ankommt, ob (1.) das Arbeitsverhältnis im jeweiligen Bezugsmonat bestanden hat, und (2.) an mindestens einem Tag in diesem Bezugsmonat ein Anspruch auf Entgelt erworben wurde.


Wer mit dem Tarifabschluss rechnen darf

Die Beträge rechnen sich für Teilzeit-Beschäftigte jeweils zeitanteilig (nach dem Stellenanteil im Arbeitsvertrag; das gilt auch für Minijobber), wobei grundsätzlich die Verhältnisse am ersten Tag des jeweiligen Bezugsmonats (d.h. Juni 2023 usw.) entscheidend sind. Wird ein Mitarbeiter neu eingestellt mitten im Bezugsmonat, kann ein Arbeitgeber für die Zwecke der Berechnung auf den ersten Tag des Arbeitsverhältnisses abstellen – dieser Punkt ist von den Tarifparteien allerdings nicht geregelt worden, so dass unter Umständen ein anderes Verfahren zum Zuge kommen könnte.

Wenn es dagegen so ist, dass Personen keinen Anspruch auf Entgelt (Entgeltfortzahlung) oder den Krankengeldzuschuss im jeweiligen Bezugsmonat erworben haben, werden sie den Inflationsausgleich nicht erhalten (z.B. bei Krank-ohne-Bezüge, unbezahlter Urlaub). Dem Anspruch allerdings gleichgestellt sind Krankengeld gemäß § 45 SGB V, Leistungen nach § 56 IfSG und Leistungen nach §§ 18 f. MuSchG. Beim Kurzarbeitergeld, was seinerzeit üblich wurde aufgrund der COVID19-Pandemie, würde zwar auch ein Anspruch vorliegen, aber in der Regel nicht mehr zur Geltung kommen.

Mitarbeitende, die sich in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis befinden (TV FlexAZ), müssen dagegen nach dem jeweiligen Teilzeitmodell und der jeweiligen Phase beurteilt werden. Beim einfachen Teilzeitmodell wäre es einfach, weil über die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses eine verminderte Arbeitsleistung entsprechend entlohnt, aber mit einer Aufstockung belohnt wird. Dementsprechend kann es den Inflationsausgleich nur gemindert geben. Beim Blockmodell sieht es dagegen ganz anders aus, weil in der Arbeitsphase die Arbeitsleistung weiterhin “voll” erbracht wird, aber die Entlohnung “halbiert” vonstatten geht. Die andere Hälfte des Entgelts fließt dagegen in ein Wertguthaben und wird später in der Freizeitphase ratierlich daraus entnommen. Über die gesamte Zeit hinweg stockt man die Leistungen auf. Daraus folgt nun, dass der Inflationsausgleich in der Arbeitsphase (Stichtag wäre der 1.5.2023) ebenfalls nur hälftig ausgeschüttet wird.


Besonderheiten, die so manchen überraschen werden

An dieser Stelle ergibt sich eine Besonderheit, die formal noch auslegungsbedürftig ist. Es kann nämlich angenommen werden, dass es sich bei dem Inflationsausgleich nicht um ein "Arbeitsentgelt" handelt. Allgemein anerkannt und in den Tarifverhandlungen auch so gesagt wurde, dass es sich bei diesem Geld um eine Leistung zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise handelte. Die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11 c EStG bezieht sich auf diesen Geldbetrag, der “zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn” geleistet wird. In einem solchen Fall würde sich ein weiterer Anspruch auf die Zuführung der anderen Hälfte in das Wertguthaben gar nicht stellen. Und das würde heißen, dass effektiv nur die Hälfte der Hälfte vom Arbeitgeber an den ATZ-Mitarbeitenden gezahlt wird.

Eine weitere Besonderheit ergibt sich für die Personen, die sich in der Freizeitphase befinden und ihren Entgeltanspruch aus dem Wertguthaben bedient bekommen. Einerseits könnte man behaupten, dass es sich bei diesem zeitversetzten Vorgehen nur um eine Auszahlungsvereinbarung handelt und ein Arbeitsentgeltanspruch in dieser Zeit gar nicht entstanden ist (passend zur vorherigen Besonderheit). Andererseits könnte auch gesagt werden, dass die Voraussetzung hinsichtlich des (1.) Vorhandenseins eines Arbeitsverhältnisses und (2.) Anspruchs auf Entgelt (von dem Arbeitgeber) im Bezugsmonat erfüllt sind. Und das würde wiederum bedeuten, dass die zweite Hälfte vom Arbeitgeber an den ATZ-Mitarbeitenden gezahlt wird, und zwar außerhalb des Wertguthabens.

Abschließend bleiben noch folgende Punkte zu sagen: Die Steuerfreiheit bewirkt, dass eine Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung entsteht; und auch das stärkt das Argument aus der erstgenannten Besonderheit, weil Leistungen, die nicht zum Arbeitsentgelt gehören, nicht sozialversicherungspflichtig sind. Dazu kommt dann auch noch, dass es sich nicht um ein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt handelt. Eine weitere Verbeitragung für die betriebliche Altersversorgung entfällt.


Zu guter Letzt

Ganz anders stellt es sich mit der Pfändbarkeit dar, weil laut § 850 ZPO dieses Geld dann doch wieder zum Arbeitseinkommen zählt. Zum Arbeitseinkommen gehören alle Vergütungen, die “für Dienstleistungen aller Art” und in Bezug auf die “Erwerbstätigkeit des Schuldners” beansprucht werden (Abs. 2). Gepfändet werden können alle Vergütungen, die “aus der Arbeits- oder Dienstleistung zustehen, ohne Rücksicht auf ihre Benennung oder Berechnungsart” (Abs. 4).

Die Arbeitgeber, die zum Tarifwerk zählen, werden diesen Inflationsausgleich zur Zahlung bringen müssen – die Arbeitnehmer haben ja schließlich einen Rechtsanspruch darauf. Die sogenannten Tarifanwender, die nicht zum Arbeitgeberverband des TVÖD gehören, aber dennoch den Tarif "analog" anwenden wollen (sogenannte Analog-Anwender), müssten es nicht. Sie würden es freiwillig tun. Sie sind ja formal nicht an den Tarif gebunden, und damit fehlt es am Rechtsanspruch für die Arbeitnehmer. Viele Mitarbeiter würden dann feststellen müssen, dass ihre Arbeitsleistung nicht genug gewürdigt wird. Und damit es an dem Punkt zu keiner Flucht der Belegschaft kommt, brauchen diese Arbeitgeber (als Leistungserbringer) ein Zugeständnis des Leistungsträgers – der soll die Kostenübernahme schlichtweg zugestehen.

Daran könnte es wieder mal hapern.

CGS

  

P.S.: Die Verbände der Leistungserbringer und sogar VERDI haben den letzten Punkt erkannt und sich an verschiedene Ministerien gewandt. Es bleibt spannend...


Und noch ein P.S.:

Gestern kam die Meldung, dass die Ärzte kommunaler Kliniken ab Juli 4,8 % und ab 1.4.2024 weitere 4,0 % Tarifsteigerung erhalten. Darüber hinaus bekommen sie den Inflationsausgleich von 2.500 Euro in zwei Teilzahlungen. Die Tarifvereinbarung wird über 18 Monate gehen. Die Verhandlungen führten VERDI und die VKA. 



 

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