Die letzte Tarifrunde endete zwar nicht mit einem Sieg der Gewerkschaften auf ganzer Linie, beide Seiten schafften es aber, dass ein Teil der Forderungen per Inflationsausgleich erstattet werden können – die Bundesregierung hatte hierzu ja schließlich den § 3 Nr. 11 c EStG ins Leben gerufen.
Durchführungshinweise wurden erstellt. Die Gehaltsabrechner
sind drauf und dran es umzusetzen, wenn es nicht doch noch eine Reihe an
Besonderheiten geben würde. Und dann auch noch eine, die wirklich ganz
besonders ist, weil so einige Begriffe manchmal ganz anders zu verstehen sind.
Was sich bei dem Ganzen jetzt zeigt: „kein Weg ist
selbstverständlich“.
Was der Tarifabschluss bewirken soll
Mit der Umsetzung des neuen Tarifabschlusses geht es
jetzt los. Im Juni wird die erste Rate des Inflationsausgleichs fällig:
1.240,00 Euro pro Vollzeitstelle von Beschäftigten, die nach einem Tarifvertrag
des TVÖD entlohnt werden (ggf. kritisch prüfen, da für Studierende,
Auszubildende und Praktikanten andere Werte gelten). Der Inflationsausgleich
ist gemäß § 3 Nr. 11 c EStG steuerfrei.
Für diese erste Rate gilt, dass (1.) ein
Arbeitsverhältnis am 1.5.2023 bestanden haben muss, und (2.) an mindestens
einem Tag zwischen dem 1.1. und 31.5.2023 ein Anspruch auf Entgelt entstanden
war (dies schließt ebenfalls das Entgelt des Arbeitgebers im Krankheitsfall
ein, wie auch die Entgeltzahlungen bei Altersteilzeit).
In den folgenden Monaten Juli 2023 bis Februar 2024 wird
die Sonderzahlung monatlich in Höhe von 220,00 Euro geleistet. Die
Voraussetzungen sind hier in etwa wie oben, wobei es jetzt darauf ankommt, ob
(1.) das Arbeitsverhältnis im jeweiligen Bezugsmonat bestanden hat, und (2.) an
mindestens einem Tag in diesem Bezugsmonat ein Anspruch auf Entgelt erworben
wurde.
Wer mit dem Tarifabschluss rechnen darf
Die Beträge rechnen sich für Teilzeit-Beschäftigte
jeweils zeitanteilig (nach dem Stellenanteil im Arbeitsvertrag; das gilt auch
für Minijobber), wobei grundsätzlich die Verhältnisse am ersten Tag des
jeweiligen Bezugsmonats (d.h. Juni 2023 usw.) entscheidend sind. Wird ein
Mitarbeiter neu eingestellt mitten im Bezugsmonat, kann ein Arbeitgeber für die
Zwecke der Berechnung auf den ersten Tag des Arbeitsverhältnisses abstellen –
dieser Punkt ist von den Tarifparteien allerdings nicht geregelt worden, so
dass unter Umständen ein anderes Verfahren zum Zuge kommen könnte.
Wenn es dagegen so ist, dass Personen keinen Anspruch auf
Entgelt (Entgeltfortzahlung) oder den Krankengeldzuschuss im jeweiligen
Bezugsmonat erworben haben, werden sie den Inflationsausgleich nicht erhalten
(z.B. bei Krank-ohne-Bezüge, unbezahlter Urlaub). Dem Anspruch allerdings
gleichgestellt sind Krankengeld gemäß § 45 SGB V, Leistungen nach § 56 IfSG und
Leistungen nach §§ 18 f. MuSchG. Beim Kurzarbeitergeld, was seinerzeit üblich
wurde aufgrund der COVID19-Pandemie, würde zwar auch ein Anspruch vorliegen, aber
in der Regel nicht mehr zur Geltung kommen.
Mitarbeitende, die sich in einem
Altersteilzeitarbeitsverhältnis befinden (TV FlexAZ), müssen dagegen nach dem
jeweiligen Teilzeitmodell und der jeweiligen Phase beurteilt werden. Beim
einfachen Teilzeitmodell wäre es einfach, weil über die gesamte Dauer des
Arbeitsverhältnisses eine verminderte Arbeitsleistung entsprechend entlohnt,
aber mit einer Aufstockung belohnt wird. Dementsprechend kann es den
Inflationsausgleich nur gemindert geben. Beim Blockmodell sieht es dagegen ganz
anders aus, weil in der Arbeitsphase die Arbeitsleistung weiterhin “voll”
erbracht wird, aber die Entlohnung “halbiert” vonstatten geht. Die andere
Hälfte des Entgelts fließt dagegen in ein Wertguthaben und wird später in der
Freizeitphase ratierlich daraus entnommen. Über die gesamte Zeit hinweg stockt
man die Leistungen auf. Daraus folgt nun, dass der Inflationsausgleich in der
Arbeitsphase (Stichtag wäre der 1.5.2023) ebenfalls nur hälftig ausgeschüttet
wird.
Besonderheiten, die so manchen überraschen werden
An dieser Stelle ergibt sich eine Besonderheit, die
formal noch auslegungsbedürftig ist. Es kann nämlich angenommen werden, dass es
sich bei dem Inflationsausgleich nicht um ein "Arbeitsentgelt"
handelt. Allgemein anerkannt und in den Tarifverhandlungen auch so gesagt
wurde, dass es sich bei diesem Geld um eine Leistung zur Abmilderung der
gestiegenen Verbraucherpreise handelte. Die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11 c
EStG bezieht sich auf diesen Geldbetrag, der “zusätzlich zum geschuldeten
Arbeitslohn” geleistet wird. In einem solchen Fall würde sich ein weiterer
Anspruch auf die Zuführung der anderen Hälfte in das Wertguthaben gar nicht
stellen. Und das würde heißen, dass effektiv nur die Hälfte der Hälfte vom
Arbeitgeber an den ATZ-Mitarbeitenden gezahlt wird.
Eine weitere Besonderheit ergibt sich für die Personen,
die sich in der Freizeitphase befinden und ihren Entgeltanspruch aus dem
Wertguthaben bedient bekommen. Einerseits könnte man behaupten, dass es sich
bei diesem zeitversetzten Vorgehen nur um eine Auszahlungsvereinbarung handelt
und ein Arbeitsentgeltanspruch in dieser Zeit gar nicht entstanden ist (passend
zur vorherigen Besonderheit). Andererseits könnte auch gesagt werden, dass die
Voraussetzung hinsichtlich des (1.) Vorhandenseins eines Arbeitsverhältnisses
und (2.) Anspruchs auf Entgelt (von dem Arbeitgeber) im Bezugsmonat erfüllt
sind. Und das würde wiederum bedeuten, dass die zweite Hälfte vom Arbeitgeber
an den ATZ-Mitarbeitenden gezahlt wird, und zwar außerhalb des Wertguthabens.
Abschließend bleiben noch folgende Punkte zu sagen: Die
Steuerfreiheit bewirkt, dass eine Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung
entsteht; und auch das stärkt das Argument aus der erstgenannten Besonderheit,
weil Leistungen, die nicht zum Arbeitsentgelt gehören, nicht sozialversicherungspflichtig
sind. Dazu kommt dann auch noch, dass es sich nicht um ein
zusatzversorgungspflichtiges Entgelt handelt. Eine weitere Verbeitragung für
die betriebliche Altersversorgung entfällt.
Zu guter Letzt
Ganz anders stellt es sich mit der Pfändbarkeit dar, weil
laut § 850 ZPO dieses Geld dann doch wieder zum Arbeitseinkommen zählt. Zum
Arbeitseinkommen gehören alle Vergütungen, die “für Dienstleistungen aller Art”
und in Bezug auf die “Erwerbstätigkeit des Schuldners” beansprucht werden (Abs.
2). Gepfändet werden können alle Vergütungen, die “aus der Arbeits- oder
Dienstleistung zustehen, ohne Rücksicht auf ihre Benennung oder Berechnungsart”
(Abs. 4).
Die Arbeitgeber, die zum Tarifwerk zählen, werden diesen
Inflationsausgleich zur Zahlung bringen müssen – die Arbeitnehmer haben ja
schließlich einen Rechtsanspruch darauf. Die sogenannten Tarifanwender, die
nicht zum Arbeitgeberverband des TVÖD gehören, aber dennoch den Tarif "analog" anwenden wollen (sogenannte Analog-Anwender), müssten es nicht. Sie würden es freiwillig tun. Sie sind ja formal nicht an den Tarif gebunden, und damit fehlt es am Rechtsanspruch für die Arbeitnehmer. Viele Mitarbeiter würden dann feststellen
müssen, dass ihre Arbeitsleistung nicht genug gewürdigt wird. Und damit es an dem
Punkt zu keiner Flucht der Belegschaft kommt, brauchen diese Arbeitgeber
(als Leistungserbringer) ein Zugeständnis des Leistungsträgers – der soll die
Kostenübernahme schlichtweg zugestehen.
Daran könnte es wieder mal hapern.
CGS
Und noch ein P.S.:
Gestern kam die Meldung, dass die Ärzte kommunaler Kliniken ab Juli 4,8 % und ab 1.4.2024 weitere 4,0 % Tarifsteigerung erhalten. Darüber hinaus bekommen sie den Inflationsausgleich von 2.500 Euro in zwei Teilzahlungen. Die Tarifvereinbarung wird über 18 Monate gehen. Die Verhandlungen führten VERDI und die VKA.
Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur
Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die
Dinge dar. Und eine solche Sicht kann sich immer noch ändern. Brauchen Sie
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Inflationsausgleich für die Beschäftigten im TVÖD