Nun
aber formiert sich ein breiterer Widerstand – sozusagen über alle Fraktionen
hinweg.
Eine Auseinandersetzung bei den Leistungsträgern …
Die Koordinierungsstelle soziale Hilfen der
schleswig-holsteinischen Kreise AöR (KOSOZ) gab am 6.4.2023 bekannt, dass
zwischen dem Land, den Kommunen und den kreisfreien Städten über die
Finanzierung der Eingliederungshilfe keine Verständigung erreicht werden
konnte. Die KOSOZ hatte bereits mit mehreren Leistungserbringern neue
Vereinbarungen getroffen, um eine Sicherstellung der benötigten Hilfen an
Menschen mit Behinderungen zu erreichen. Weil aber noch mit sehr vielen anderen
sozialen Unternehmen verhandelt werden musste, es also mehr Zeit bedurfte,
wollte man die Übergangsmöglichkeiten seit Inkrafttreten des neuen
Landesrahmenvertrags (LRV) weiter nutzen. Ein weiteres Problem ergab sich zudem
mit der allgemeinen Inflationsentwicklung im letzten Jahr sowie den ziemlich
hohen (TVÖD)-Tarifabschlüssen. Vereinbarungen mal-eben-so konnte man damit
nicht mehr zustande bekommen – die Leistungserbringer verlangten auskömmliche Steigerungen
der Vergütungssätze.
Vertragspartner sind bei alledem die Kreise und
kreisfreien Städte als Leistungsträger sowie die Verbände der sozialen
Leistungserbringer in Schleswig-Holstein. Weil nun einmal die Leistungsträger
die Kosten tragen müssen, verhandeln sie entweder direkt oder über die KOSOZ mit
den Leistungserbringern. Das Land wäre an der Stelle nun mal raus; warum es
eine Rechtsverordnung erlassen hatte, verwundert so ziemlich jeden. Eine
Rechtsverordnung hätte es gebraucht, wenn die Beteiligten Parteien einen LRV
nicht fertiggebracht hätten. Und weil es die Beteiligten so bestimmt hatten,
würde bei einem Auslaufen des jetzigen Rahmenvertrags dieser bis zum
Inkrafttreten des neuen LRV fortgelten (§ 38 Abs. 2).
In 2024 soll es wohl einen neuen geben (Pressemitteilung
der KOSOZ vom 6.4.2023), aber das würde, wenn das wirklich so stimmt, an den
bisherigen Regelungen vorerst nichts ändern. Die LandVO, die man in 2022
verkündete, hat damit also nichts zu tun. Was aber die Auseinandersetzung
anfeuerte, war die Initiative der KOSOZ, übergangsweise eine allgemeine
Fortschreibung der Vergütungen mit den Leistungserbringern zu erreichen, in der
auch die Kosteneffekte des Vorjahres Berücksichtigung fanden. Für die
kreisfreien Städte, wie zum Beispiel die Landeshauptstadt Kiel, ging das ganz
und gar nicht: Vergütungen sind immer nur prospektiv / zukünftig und dürfen
keine vergangenen Kostensteigerungen beinhalten (vgl. § 123 Abs. 2 S. 3 SGB IX,
Prospektivität-Grundsatz).
… darauf folgt Zurückhaltung bei den Leistungserbringern
Dort, wo man sich sperrt, verzögern sich allgemein die
Verhandlungen. Leistungserbringer beklagen, dass nichts vorangeht und damit die
Hilfen für behinderte Menschen ins Stocken geraten. Weder in direkten
Verhandlungen beispielsweise zu ganz bestimmten Wohnprojekten, noch in den
einzelnen Arbeitsgruppen auf Verbandsebene kann etwas erreicht werden. Und
dabei gibt es eine große Liste an Fragen, die zu klären gewesen wären
(Stichwort: Personalschlüssel für bestimmte Bereiche). Die Landesregierung mag
mit ihrer LandVO einige „Pflöcke“ eingerammt haben, doch vertragswirksam sind
diese Dinge nicht beschlossen worden. Gesprächsbereit wollen alle natürlich
sein. Aber die ersten Ansätze zu einem Stillstand in den verschiedenen
Arbeitsgruppen deuten sich an.
Die Leistungserbringer haben mit ihren Verbänden
jedenfalls den Gerichtsweg beschritten, um die LandVO zu kippen. Ein Verband
der Leistungsträger würde das wohl auch gerne unternehmen. Und dann?
Es wäre nicht das erste Mal im „schönsten Bundesland der
Welt“, wenn eine Rechtsverordnung gerichtlich gekippt wird. Zwar könnte der
Gesetzgeber eine weitere Änderung vornehmen und verschiedene Problem-Passagen
streichen, im Grundsatz würde sich aber diese Angelegenheit damit nicht
stilllegen lassen. Die Kläger versuchen, die Wirksamkeit der LandVO zu
beseitigen und damit die allgemeine Rechtslage zu ändern. Das würde zwar keine
Auswirkungen auf bereits vereinbarte Leistungen und ihre Vergütungen haben,
dann würde wieder mehr Gewicht auf die Arbeitsgruppen und die Reihe der offenen
Fragen gelegt werden.
Wenn das Land dem zuvorkommen möchte und von sich aus die
LandVO „schreddert“ (unbekanntes Zitat), könnten die Kläger ihr berechtigtes
Interesse an einer Fortsetzung vorbringen, um die grundsätzliche Rechtswidrigkeit
feststellen zu lassen (vgl. dazu auch: von der Anfechtungsklage zur
Fortsetzungsfeststellungsklage; § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) . So richtig
zurückhaltend wird es ganz bestimmt nicht werden, ist meine Vermutung. Dafür
haben sich nun zu viele Akteure positioniert.
CGS
Quellen:
Presseerklärung der KOSOZ vom 6.4.2023:
(letzter Aufruf vom 20.5.2023)
Früherer Beitrag von mir weiteren Verweisen vom 4.11.2022.
Was bisher passierte:
·
Am 23.12.2016 verkündete die Bundesregierung ein
Bundesteilhabegesetz (abgekürzt BTHG). Mit diesem Änderungsgesetz wurde eine
bedeutende Reform in Gang gesetzt, die u.a. die Leistungen der
Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe und in das Rehabilitationsrecht)
verschob. Darin wurde in einem Paragrafen zum Sozialgesetzbuch Neun § 131 Abs.
4 bestimmt, dass jede Landesregierung die Inhalte eines noch nicht vereinbarten
Landesrahmenvertrags per Rechtsverordnung regeln kann.
·
Am 12.8.2019 hatten die Verbände der
Leistungserbringer und die Kommunen als Leistungsträger in Schleswig-Holstein
einen Landesrahmenvertrag über die Leistungen der Eingliederungshilfe
vereinbart bekommen (nachfolgend schlicht Rahmenvertrag, in manchen Texten auch
mit LRV-SH abgekürzt).
·
Am 14.12.2021 wurde die LandVO mit Wirkung zum
1.1.2022 erlassen.
·
Am 26.4.2022 wird eine erste Änderung der LandVO
verkündet. In § 14 Abs. 4 stehen „5,1 %“ statt der zuvor erlassenen „2,6 %“ für
die Steigerung der Vergütungssätze in 2022 bei den Sachkosten.
·
November 2022 gehen zwei Klagen vor das
Sozialgericht.
Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur
Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die Dinge
dar. Und eine solche Sicht kann sich immer noch ändern. Brauchen Sie rechtliche
Unterstützung, wenden Sie sich an die zuständigen Behörden, Sozial- und
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Ein Update zum Streit um die Landesverordnung