Dienstag, 10. April 2018

Statistik - Eingliederungshilfe pro Person in 2016




Das Statistische Bundesamt veröffentlicht leider nicht mehr den Bericht über die statistischen Daten zur Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Die letzte Ausgabe bezieht sich auf das Jahr 2013 (Erscheinungsjahr 2015), und wäre damit sehr veraltet. Es wäre ganz interessant zu wissen, wie sich die Ausgaben zwischen den Bundesländern unterscheiden, oder wie sie sich im Verlauf von Jahren entwickeln.

Sofern man nicht die Statistischen Landesämter abfragt, bleibt vorerst nur der Vergleich auf Basis der gemeldeten Gesamtausgaben. Man könnte vielleicht noch einen Bezug zu den Bevölkerungsdaten der einzelnen Bundesländer herstellen, damit der Vergleich „vergleichbarer“ wird. Ansonsten hätte man nur einen Bericht über die Ausgaben je Bundesland.  


Eine Sicht auf die Dinge anhand der Netto-Ausgaben

In 2016 lagen die Netto-Ausgaben*) für Leistungen der Eingliederungshilfe über alle Bundesländer bei 16.470 Mio. Euro – Spitzenreiter ist darin das Bundesland Nordrhein-Westfalen mit 4.116 Mio. Euro, gefolgt von Bayern mit 2. 455 Mio. Euro. Am anderen Ende finden sich dagegen der Stadtstaat Bremen mit gerade mal eben 192 Mio. Euro und das „kleine“ Saarland mit 216 Mio. Euro. Überhaupt finden sich 8 Bundesländer, die in 2016 Ausgaben zu verzeichnen hatten von unterhalb einer halben Milliarde, 3 Bundesländer im Bereich darüber bis unter einer Milliarde, und 5 Bundesländer über einer Milliarde Euro.

Es wäre aber jetzt hilfreicher, wenn man wüsste, wie hoch die Ausgaben pro „Leistungsbezieher“ wären. Und noch interessanter wäre es, wenn man wüsste, wie sich die Ausgaben aufteilen in die drei Vergütungskomponenten nach § 76 Abs. 2 SGB XII. Gerade hier wird es in den nächsten Jahren zu weitreichenden Änderungen kommen, so dass man eine Differenzierung vornehmen müsste. Vielleicht ist es auch deshalb ganz gut, dass diese Publikationsreihe eingestellt worden ist, weil die Vergleichbarkeit der Eingliederungshilfe-Leistungen „vor BTHG“ und „nach BTHG“ ansonsten nicht aussagekräftig ist.

Mit den Trägerbudgets in Hamburg im Jahr 2014 hat es eine Festlegung gegeben, die aber mit dem neuen Kalkulationsmodell in den Folgejahren vielleicht wieder in eine andere Richtung geführt hat. 


Eine Sicht auf die Dinge anhand der Bevölkerungszahlen

Nimmt man die Bevölkerungszahlen hinzu, ergeben sich ganz interessante Durchschnittswerte. In Deutschland leben insgesamt 82.522 Mio. Menschen. Bei Netto-Ausgaben von 16.470 Mio. Euro ergeben sich somit 200 Euro im Jahr und pro Person. Nimmt man eine solche Rechnung auch für die anderen Bundesländer vor, ergeben sich für das Bundesland Bremen 283 Euro. Damit verzeichnet der Stadtstaat, welcher ansonsten den kleinsten Haushalt für den Bereich der Eingliederungshilfe aufweist, die höchsten Durchschnittsausgaben.

Mit Abstand folgen Niedersachsen (237 Euro), Hamburg (231 Euro), Nordrhein-Westfalen (230 Euro), Schleswig-Holstein (227 Euro) und Berlin (224 Euro). Gerade aufgrund der scheinbar gleichartigen Ergebnisse könnte man hier eine Art Gruppe sehen. Eine andere Gruppe bilden das Saarland (217 Euro) und Rheinland-Pfalz (213 Euro) deswegen, weil es hier eine kleine „optische“ Treppenstufe gibt. Insgesamt 8 Bundesländer liegen recht deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt von 200 Euro, das Bundesland Hessen rangiert mit 201 Euro fast genau auf diesem Durchschnitt.

Es sind 7 Bundesländer, die unter dem Durchschnitt liegen, wobei nach Sachsen-Anhalt (196 Euro) und Bayern (190 Euro) sich wieder eine Gruppe von 3 Bundesländern mit recht ähnlichen Werten zeigt: Mecklenburg-Vorpommern (179 Euro), Thüringen (177 Euro) und Brandenburg (171 Euro).

Ganz am Ende findet man dagegen das Bundesland Sachsen mit einem Durchschnitt von 119 Euro. Das Bundesland Baden-Württemberg findet sich an zweiter Stelle mit 145 Euro.


Eine Sicht auf die Dinge anhand von Ländergruppen

Betrachtet man diese Resultate, könnte sich ein Muster auftun. Alle drei Stadtstaaten zusammen, d.h. Bremen mit Hamburg (231 Euro) und Berlin (224 Euro), ergeben einen Mittelwert von 246 Euro. Dieser Wert stellt aber nur einen „Mittelwert der Durchschnitte“ dar; besser wäre es, wenn man die Haushaltsgrößen summiert und mit der Gesamt-Bevölkerungszahl teilt, so dass man einen Durchschnitt für die Stadtstaaten von 233 Euro erhält. Dadurch verliert sich zwar ein kleines Bundesland wie Bremen, aber weil eine Aussage zu „Stadtstaaten“ gemacht wird, ist eine solche „Fusion“ nötig.

Einen Vergleich zu den „Flächenländern“ zu ziehen, ist allerdings unpraktisch, weil eben alle anderen Bundesländer dazu zählen. Mit Schleswig-Holstein (227 Euro) und Niedersachsen (237 Euro), die sich ebenfalls über dem Durchschnitt befinden, kann eine Zusammenfassung in einer Gruppe der „Nordstaaten“ vorgenommen werden. Man müsste dann allerdings auch das andere im Norden gelegene Bundesland Mecklenburg-Vorpommern mit seinem unterdurchschnittlichen Wert in Höhe von 179 Euro mit einbeziehen, der Mittelwert für diese Gruppe würde aber noch immer über dem Durchschnitt liegen, und zwar bei 231 Euro. Macht man das nicht, sondern man nimmt nur die „Westlichen Nordstaaten“, dann liegt der Mittelwert bei 237 Euro.

Bei einer solchen Ländergruppierung bietet sich der Vergleich gut zu den „Südländern“ an mit Baden-Württemberg (145 Euro), Bayern (190 Euro), Rheinland-Pfalz (213 Euro) und Saarland (217 Euro). Der Mittelwert bei dieser Gruppe liegt dementsprechend bei 177 Euro.

Wenn man dann die „5-Neuen-Bundesländer“ zusammenfasst, das wären Brandenburg (171 Euro), Mecklenburg-Vorpommern (179 Euro), Sachsen (119 Euro), Sachsen-Anhalt (196 Euro) und Thüringen (177 Euro), zeigt sich ein Mittelwert von sehr viel geringeren 161 Euro. Selbst wenn man unterstellen wollte, dass die Zahlen für das Bundesland Sachsen „zu gut“ gerechnet sind, die Netto-Ausgaben pro Person in diesen Bundesländern liegen selbst unter denen aller anderen – mit Ausnahme des „Musterländle“ Baden-Württemberg (145 Euro).


Eine Sicht auf keine Lösung

Wahrscheinlich ist das hier nur ein Spiel mit Zahlen. Die Bundesländer sind bei der Ausgestaltung der Eingliederungshilfe recht frei und können mit Hilfe der Rahmenverträge nach § 79 SGB XII gestalten. Und selbst wenn solche scheinbar keinen Spielraum bieten, was in Hamburg mittlerweile praktiziert wird, ist wirklich sehr kreativ.

Wenn ein Unterstützungsbedarf nun mal besteht, müssen Leistungen eingekauft werden. Damit aber ein entsprechendes Angebot vorhanden ist, muss eine „Strukturbildung“ betrieben werden. Das ist keine Sache, die mal „eben so“ unternommen werden kann. Es braucht hierfür Gespräche, und, wie schon neulich geschehen, vielleicht auch so ein Forum wie den „Fachkongress“ und den ziemlich langen Weg dorthin (vgl. meinen Beitrag vom 19.2.2018).

Wenn die Leistungserbringer immer nur an ein sparsames Wirtschaften erinnert werden, kann keine Fokussierung auf die Fachlichkeit geschehen. Und ohne eine Wiederentdeckung dieser Fachlichkeit, treten die Beteiligten auf der Stelle. Worum geht es bei der Leistungserbringung? Was brauchen die Menschen wirklich (Stichwort: Bedarfserhebung)? Sind kleinliche, vielfältige Kategorisierungen nach § 76 Abs. 2 SGB XII, also die sehr vielen Hilfebedarfsgruppen in manchen Bundesländern, zielführend oder verhindern sie womöglich sogar eine effiziente Leistungsträgerschaft?

Die Bildung von drei „Ländergruppen“ zeigt eine gewisse Tendenz, die vielleicht weiter hinterfragt werden kann. Aber für den Moment ist es erst einmal ein Spiel mit Zahlen.

CGS



*) = Der Begriff „Netto-Ausgabe“ wird verwendet, weil die Leistungen der Eingliederungshilfe teilweise aus anderen Mitteln oder Sozialleistungsträgern erstattet werden müssen. Somit handelt es sich um die Ausgaben der Eingliederungshilfe mit dem Zweck der Verhütung einer drohenden Behinderung oder die Folgen einer solchen zu beseitigen bzw. zu mildern und Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft einzugliedern. Diese Menschen sollen dazu befähigt werden, ihr Leben weitgehend selbständig führen zu können.


Quelle:
Statistisches Bundesamt, Statistik der Sozialhilfe 2013 – Eingliederungshilfe für behinderte Menschen
(Erscheinungsjahr 2015)

(letzter Aufruf am 31.3.2018)





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