Donnerstag, 5. April 2018

Datenschutz – Mit der DSGVO wird es jetzt anders – Teil 4

Was gerade im Streit zwischen Facebook und der EU / Bundesregierung abläuft, kann man als ein Lehrstück in Sachen Datenschutz-Vorschriften betrachten. Sehr wahrscheinlich wird einem sozialen Unternehmen so etwas nicht passieren – sollte man zumindest annehmen. Denn das Geschäftsmodell von Facebook basiert auf der Auswertung von personenbezogenen Daten, um diese zu vermarkten. Soziale Unternehmen haben kein solches Vermarktungs-Interesse. Sie versuchen nur, den Menschen zu helfen.


Ein Geschäftsmodell „Fremdsteuerung“

Die Kritik an Facebook ist immens. Immerhin soll fast jeder vierte Mensch auf der Welt bei diesem „sozialen Netzwerk“ engagiert sein. Das heißt, diese Menschen haben sich mit ihren Daten zu Ihrer Person dort angemeldet (Name, Wohnort, Geburtstag) und sind mit anderen Teilnehmern, die das gleiche gemacht haben, verbunden. Aufgrund der Präsenz von Unternehmen, Organisationen und deren Werbungen sowie den vielen Informationsangeboten und Aufrufen können die Vorlieben und Interessen der Nutzer erfasst, ausgewertet und sogar „hochgerechnet“ werden. Damit entstehen Wahrscheinlichkeiten, die als Wissenspakete einen Marktwert haben.

Der Marktwert dieser Wissenspakete liegt mittlerweile bei etwa 40,7 Mrd. US-Dollar jährlich.

Dies an sich stellt noch keinen Schaden dar, aber die Gefahr besteht nun darin, dass die Nutzer „gläsern“ geworden sind und aufgrund von Vorlieben und Interessen ihre Aufmerksamkeit auf eingeblendete Informationen richten. Eine Werbung, die genau das anspricht, was einen Nutzer interessiert, ist erfolgreiche Werbung. Ein Facebook-Teilnehmer entwickelt sich nun zu einem „willenlosen Konsumenten“, der gar nicht merkt, dass er fremdgesteuert wird. Für den Werbetreibenden höchst lukrativ, weil dieser nun konkurrenzlos seine hochpreisigen Produkte anbieten kann. Für Facebook ebenfalls lukrativ, weil nicht mehr die Qualität von Service und Produkt maßgeblich ist, sondern nur noch die Werbeetats.

Zusammengefasst: Das Geschäftsmodell basiert darauf, die Nutzer fremdzusteuern.

Für ein soziales Unternehmen, dass es sich zum Ziel gemacht hat, die von ihm betreuten Menschen in ihrer Selbstwahrnehmung und Selbstbestimmung zu stärken, das völlige Gegenteil.


Warum es eine Folgeabschätzung braucht …

Die Folgen eines Kontrollverlustes über personenbezogenen Daten können gravierend sein. Darum wird es mit der DSGVO auch die Erforderlichkeit zur „Folgenabschätzung“ geben (Art. 35). Es soll zuerst einmal die „spezifische Eintrittswahrscheinlichkeit“ eines Kontrollverlustes über die Daten eingeschätzt werden. Dies bezieht sich wiederum auf die datenverarbeitende Stelle. Damit muss von dem Verantwortlichen die Struktur und Organisation, die Prozesse und die verwendete Technik benannt werden. Erst dann entsteht ein Verständnis über die Spezifizität oder Besonderheit.

Ein zweiter Punkt betrifft die „Schwere dieses hohen Risikos“, was sich wiederum auf möglichen Auswirkungen bei den Betroffenen bezieht. Eine gewisse Rolle spielen natürlich solche Daten, die von den Betroffenen selbst veröffentlicht worden sind. Man kann hier von einer implizierten Einwilligung zur Weitergabe der Daten vielleicht sogar sprechen (dies wäre wahrscheinlich auch die Verteidigung von Facebook). Doch bei Sozial- und Gesundheitsdaten, Einkommen von Mitarbeitern oder vielleicht sogar Pfändungsbeschlüsse obliegt die Pflicht zum Schutz der Daten immer der datenverarbeitenden Stelle und ihrem Verantwortlichen.

Die Folgenabschätzung braucht keine „umfangreiche“ und in alle Richtungen reichende Arbeit zu sein. Es soll allerdings eine „Berücksichtigung der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung und der Ursachen des Risikos“ erfolgen und sie muss immer zum Ziel haben, dass den Betroffenen die Ausübung ihrer Rechte nicht erschwert wird (z.B. Freiheitsrechte, die durch eine Videoüberwachung eingeschränkt werden). Konkret dreht es sich um die Frage, was ein Betroffener für Einschränkungen oder Schäden erleiden muss, wenn seine Daten „verloren“ gehen.


… oder nicht braucht

In einigen Fällen ist eine solche Folgenabschätzung wiederum „nicht zwingend vorgeschrieben“. Patienten- oder Mandanten-Daten, die durch einen „einzelnen Arzt, sonstigen Angehörigen eines Gesundheitsberufes oder Rechtsanwalt“ erfolgen, sind ausgenommen bzw. diese besonderen Berufsträger können eine gewisse Erleichterung in der Sache für sich beanspruchen. Es handelt sich um eine Ausnahme, weil gerade diese Berufsträger einfach über „alles“ informiert sein müssen, um ihre Arbeit, sei es die Krankenbehandlung oder Rechtsvertretung, zum Wohle des Patienten oder Mandanten ausüben zu können. Natürlich gilt aber auch hier der Grundsatz der Datensparsamkeit bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten (vgl. Erwägungsgründe zur DSGVO Nr. 90 und 91).

Zu den Gesundheitsberufen könnte man auch die Leistungserbringer in den sozialen Arbeitsfeldern und der Pflege zählen. Auch sie müssten weitreichende, sehr intime Kenntnisse über ihre Klienten erlangen, weil eine effektive Assistenz und Unterstützung nur dann gelingt, wenn man sich versteht. Bei der Bedarfserhebung könnten somit Wünsche und Hoffnungen bekannt werden, die unter anderen Umständen zu Scham, Betretenheit und Entwürdigung werden.

Man muss sich klar machen, dass über solche Dinge geredet wird, wenn eine Dienstübergabe der Betreuungskräfte stattfindet. Oder es werden Berichte geschrieben, weil eine Dokumentationspflicht besteht. In jedem Fall bleiben solche personenbezogene Daten dann nicht wirklich „geheim“. Jedoch müssen sie weiterhin als „persönlich und vertraulich“ strengstens gehandhabt werden.

Die Folgenabschätzung richtet sich somit eher ideell auf die Auswirkungen bei den Betroffenen, weil auch die Rechte eines Menschen mit besonderen Einschränkungen gewahrt werden müssen. In der Konsequenz heißt es, dass zwar innerhalb der direkt mitwirkenden Betreuungskräfte ein Austausch möglich ist, andere Abteilungen, Bereiche oder Personen, die vielleicht nur indirekt mit der Leistungserbringung zu tun haben, keine Kenntnis über diese Besonderheiten erlangen.


Was sich in behördlichen Ermittlungsarbeiten und sogar als Datenschutzpanne findet

Grundsätzlich müssen alle eine besondere Verantwortung übernehmen bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten – auch Behörden. Es zeigt sich dennoch immer wieder, dass selbst diese den Umgang damit sehr nachlässig gestalten. Zum Beispiel sollen Daten erhoben werden, deren Erforderlichkeit für eine Antragsbearbeitung auf Weiterbewilligung von Schulbegleitungen / Integrationshelfern nicht gegeben ist; da finden sich Fragen wie z.B. „Wie ist das Arbeitsverhalten eines behinderten Kindes? Wie werden Hausaufgaben erledigt? Ist das Schulmaterial immer dabei?“. Oder es wird eine nicht anonymisierte oder pseudonymisierte Namensliste per Email versendet (Bericht eines Teilnehmers auf einer Fortbildungsveranstaltung zur DSGVO).

Am 3.11.2011 berichteten die Lübecker Nachrichten darüber, dass eine Sicherheitslücke bei einem Internetdienstleister in Rendsburg (Schleswig-Holstein), welcher Datenbanken „für insgesamt fünf soziale Dienste und Behörden in ganz Deutschland betreibt“ offen war für den Zugriff auf „Behörden- und Klinikbriefe, medizinische Befunde und psychologische Dokumentationen“. Geschädigte waren unter anderem ein lokales Therapie- und Beratungszentrum wie auch ein Hilfsverein für psychisch kranke Menschen (vgl. Artikel „Datenschutz-Skandal in Schleswig-Holstein“, Lübecker Nachrichten, letzte Aktualisierung vom 8.1.2013). 

Was jetzt mit Facebook geschieht, wird einerseits den Willen der Aufsichtsbehörden belegen, wie man mit solchen Vorfällen umgehen will. Aber auch was wirklich ein Vergehen darstellt und deswegen geahndet werden kann. Wenn man ein Bußgeld verhängen wollte „von bis zu 4 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs“ (Art. 83 Abs. 5 DSGVO), was natürlich sehr hoch gegriffen ist, dann müsste Facebook 1,6 Mrd. US-Dollar zahlen –wären aber nur 1/10 des gesamten Gewinns.

Kann man für soziale Unternehmen aufgrund der vorgenannten Erleichterung bei den „Gesundheitsberufen“ nun eine Entwarnung geben? – Nein. Es gibt Berichte über Betreuungskräfte, die ihre Termine, Erkenntnisse, Mitteilungen und sogar Fotos über offene Nachrichtenkanäle, als Emails oder Veröffentlichungen in sozialen Medien (wieder Facebook) weitergeben. Die Verwendung solcher Technologien ist sehr heikel und muss schlichtweg thematisiert werden.

Am besten vom internen Datenschutzbeauftragten mit Bekräftigung seitens der Geschäftsführung.


CGS



Weitere Informationen:

Henry Krasemann und Stephan Dirks
„Alles neu macht der Mai: Ab dem 25. Mai 2018 wird die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) angewendet. Wir geben einen Überblick. Muss das Internet abgeschaltet werden?“

(letzter Aufruf am 31.3.2018)




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