Im Artikel wird
konstatiert: „Dem deutschen Jobwunder hat die staatliche Lohnregulierung
jedenfalls nicht merkbar geschadet.“
Wie immer darf man
solche Sachen nicht isoliert betrachten.
Der Mindestlohn steigt ab 2020 auf 9,35 Euro / Stunde
Zum 1.1.2020 steigt der Mindestlohn von 9,19 Euro die
Stunde auf 9,35 Euro. Das sind bescheidene 0,16 Euro mehr, oder anders
ausgedrückt: plus 1,7 % gegenüber dem Vorjahr. Würde man einen solchen
Stundenlohn hochrechnen auf ein Vollzeit-Entgelt, käme – ohne Weihnachts-Gratifikation
und Urlaubsgeld – monatlich ein Brutto von 1.620 Euro zusammen. Nimmt man sich
einen Gehaltsrechner zur Hilfe, könnte man zum Beispiel daraus einen
Nettoverdienst von etwa 1.185 Euro ermitteln (35-jährig, gesetzlich versichert,
Steuerklasse 1 ohne Kinder). Ein politisches Ziel wäre damit scheinbar erreicht.
Ob ein solcher Verdienst in einer deutschen Großstadt für ein wirklich
unabhängiges Leben reicht, wäre nach wie vor fraglich.
Überhaupt stellt sich die Frage, ob in Zeiten des
wirtschaftlichen Abschwungs Lohnuntergrenzen tragbar sind für angegriffene
Unternehmen. Gerade dann, wenn die Auftragslage sehr zu wünschen übrig lässt,
wird gerne auch am Personal gespart. Ob dies aber auch so ohne weiteres
übertragbar ist auf die Bereiche Gesundheit, Soziales und Pflege, ist dagegen
wirklich „fraglich“.
Der Mindestlohn soll am besten zwölf Euro die Stunde
betragen
Der DGB fordert eine Anhebung auf 12 Euro die Stunde.
Eine Steigerung um ganze 28 % wäre in der Tat sehr herausfordernd, da es sich
beim Mindestlohn um eine breitangelegte, unabdingbare Lohnuntergrenze handelt
(§ 3 MiLoG). Ziel des Mindestlohns soll es aber jedenfalls sein, zu einem
angemessenen Mindestschutz für Arbeitnehmer beizutragen (aber nicht zu
erreichen) sowie faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu
ermöglichen ohne die Beschäftigung zu gefährden. Weil sich die Festsetzung des
Mindestlohns „nachlaufend an der Tarifentwicklung“ zu orientieren hat, kann es
eine solche Entwicklung, wie eingangs beschrieben, nicht geben (vgl. § 9 Abs. 2
MiLoG).
Im Bereich der Pflege wird an einem
allgemeinverbindlichen Tarifvertrag gearbeitet, der dann für diese Branche
einen etwas anderen Mindestlohn bereithält. Mit dem Gesetz für bessere Löhne
in der Pflege (Pflegelöhneverbesserungsgesetz) soll dies zum 1.1.2020
geschehen. Ein Kritikpunkt verweist darauf, dass nicht nur weitere
Verwaltungsstellen im BMAS geschaffen werden müssen, sondern man muss sich auch
mit den „erwarteten Mehrkosten für die Pflegeversicherung, für die Eigenanteile
der Versicherten oder die Hilfe zur Pflege durch den Träger der Sozialhilfe“
auseinandersetzen (Stellungnahme des BDA vom 11.6.2019).
Auch wenn mit einem solchen Gesetz die Tarifautonomie ein
Stück weit abgetragen wird, so schlimm ist eine gesetzliche Lohnuntergrenze
nicht. Es gibt zwar eine erhöhte Dokumentationspflicht für Arbeitgeber, doch
für Tarifanwender ist der Zwang zur Gewinnung von Arbeitskräften sehr viel
einfacher zu lösen, wenn man einen Stundenlohn anbieten kann, der über
irgendwelchen Mindestlöhnen liegt.
Studien zeigen nichts Negatives
Was man bisher immer befürchtet hat, dass die
Mindestlöhne zu drastischen Jobverlusten führen, konnte bislang nicht bewiesen
werden. Diese Negativ-Effekte sind ausgeblieben.
In einer Arbeit des Statistischen Bundesamtes DESTATIS aus
dem Jahr 2018 untersuchte man zum Beispiel die Auswirkungen des Mindestlohns
auf die Beschäftigung in besonderen „stark vom Mindestlohn betroffenen Branchen“.
Diese Auswirkungen fielen „eher moderat“ aus.
In einer Arbeit der Federal Reserve Bank of New York, die
kürzlich veröffentlicht wurde, konnte man keine Auswirkungen feststellen auf
die Beschäftigung in zwei Industrie-Sektoren mit niedrigem Bezahlungsniveau.
Der eine Sektor befindet sich in einem Aufschwung, der andere Sektor nimmt
dagegen ab. Das eigentlich Besondere an dieser Untersuchung ist aber, dass man
hier den Vergleich entlang einer regionalen Grenze vornehmen konnte mit einem
Bundesstaat ohne eine gesetzliche Lohnuntergrenze (Pennsylvania) und einem
anderen Bundesstaat mit einer beständig ansteigenden Lohnuntergrenze (New York state).
Man kann also nicht behaupten, dass Mindestlöhne zu einem
Beschäftigungsverlust führen. Dies hat andere Ursachen.
Man kann aber auch nicht so ohne weiteres verlangen, dass
die Mindestlöhne auf 12 Euro angehoben werden. Auch wenn so etwas vermeintlich
notwendig und erforderlich erscheint, schaut man sich die Stundensätze aus
anderen Bereichen an, würde sich für diese dann ein erheblicher Druck aufbauen,
die Entgelte aufzustocken, um den Abstand zu wahren. Und letztendlicher
Kostenträger für solche Aufstockungen wären die Steuerzahler.
CGS
Quellen:
Statistisches Bundesamt (Destatis)
Kathrin Frentzen, Martin Beck, Jonas Stelzer
© Statistisches Bundesamt (Destatis), 2018
Fazit: „Insgesamt
sind die Auswirkungen des Mindestlohns auf die Beschäftigung in den
ausgewählten, stark vom Mindestlohn betroffenen Branchen eher moderat.“
Federal
Reserve Bank of New York
Liberty
Street Economics
Jason Bram, Fatih Karahan, and Brendan Moore
Veröffentlicht am 25.9.2019
Fazit (Conclusion): „In gauging the effects of
New York’s escalating minimum wage on two sizable low-wage industry sectors,
one growing and the other shrinking, we find that it appears to have had a
positive effect on average wages but no discernible effect on employment.”
Handelsblatt
Veröffentlicht am 26.6.2019
DGB Deutscher Gewerkschaftsbund
klartext 24/2019
Veröffentlicht am 27.6.2019
BMG Bundesministerium für Gesundheit
BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales
(letzter Aufruf für alle Quellen am 7.10.2019)
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Mindestlohn – 12 Euro und Beschäftigungsverluste