Samstag, 26. Oktober 2019

Update zu BTHG: Lebensmittelversorgung könnte wie viel kosten

Am 2.9.2019 hatte ich über die möglichen Kosten der Lebensmittelversorgung einen Beitrag veröffentlicht.

Es sind jetzt neue Sachbezugswerte im Umlauf, die sich vielleicht kostenerhöhend auswirken können. Geplant sind also diese Beträge für § 2 Abs. 1 der Sachbezugsverordnung (SvEV):

a)      Frühstück 1,80 Euro (in 2019: 1,77 Euro)
b)      Mittag oder Abendessen jeweils 3,40 Euro (3,30 Euro).

Damit zeigt sich aber auch, dass meine Übersicht einen Fehler enthält. Dies wird jetzt korrigiert und neu bewertet. Und dazu auch gleich ein paar weitere Ergänzungen, die sich in den letzten Wochen aufgetan haben.


Versorgungsmodelle

Es gibt mehr und mehr Vertragsunterlagen, in denen nicht nur die Fachleistung geregelt ist, sondern auch die anderen Leistungsbestandteile wie das Wohnen und das Versorgt-Werden, insbesondere mit einem Verpflegungssatz, von den Leistungserbringern. Nicht alle Muster beinhalten dabei die Möglichkeit der Eigenversorgung an verschiedenen Tagen (Werktags nur Teilverpflegung, an den Wochenenden eine Vollverpflegung). Vielmehr möchten manche Leistungserbringer eine Monats-Pauschale vereinbaren, die immer zur Anwendung kommt, selbst wenn ein Bewohner sich im Urlaub befindet oder aufgrund einer Erkrankung an einem anderen Ort sich selbst versorgen muss.

Wenn ein Leistungserbringer aber eine Differenzierung vornehmen will, finden sich eigentlich nur drei Versorgungsmodelle und die Entscheidung für „Nichts“:

1.
Vollversorgung (d.h. Frühstück, warmes Mittag, Abendessen, Getränke) an allen Tagen

2.
Versorgung ohne ein warmes Mittagessen an Werktagen, aber Vollversorgung an den Wochenenden, Feiertagen, krankheitsbedingter Anwesenheit und/oder Urlaub

3.
Versorgung mit Eigenleistungen

4.
Nur Eigenversorgung / reine Selbstversorgung (wie Persönliches Budget)

Für welches Versorgungsmodell man sich letztlich entscheiden will, hängt zuerst einmal an den individuellen Besonderheiten und Möglichkeiten. Aber weil eine solche Entscheidung Geld kostet, muss man sich ansehen, wo es wie viel kostet.


Die Kosten der Versorgung

Ganz oben, an erster Stelle, stehen die Sachbezugswerte, zuerst einmal als Orientierungsgröße. Wie man sieht, findet sich dort in der Spalte für die Mittagsverpflegung gleich der Betrag, den die BAG-WfbM zuletzt kritisiert hatte (siehe dazu auch einen anderen Beitrag vom 7.8.2019). Man könnte jetzt annehmen, dass als Monatsbudget dieser Betrag als angemessen gilt.

Weil in Nr. 1 direkt auf die Sachbezugswerte abgezielt wird, muss man eigentlich von den Beträgen ausgehen, die in § 2 Abs. 1 SvEV (Sachbezugsverordnung) eingetragen sind. Es handelt sich dabei um Monatsbeträge, die dann natürlich bei Monaten mit unterschiedlichen Tagen unverändert zum Tragen kommen (in 2020 wären es monatlich 258 Euro gesamt). Besser wäre es, wenn ein Tagessatz vereinbart wird; betriebswirtschaftlich müsste man ohnehin mit 30,44 Tagen pro Monat rechnen, um eine gleichmäßige Verteilung der Kosten auf alle Monate hinzubekommen.

In Nr. 2 steht beispielhaft eine Vollversorgung mit Beschäftigungszeiten in einer WfbM. Die Wohnstätten-Versorgung an den Werktagen (ohne Samstage) würde 114,40 Euro kosten (inkl. Umsatzsteuer), für die Wochenenden und Feiertage sowie sonstige Anwesenheitszeiten wären es dann 72,58 Euro pro Monat. Weil nun mit 30,44 Tagen gerechnet wird, ergeben sich insgesamt somit Aufwendungen in Höhe von 261,78 Euro.

Weil ein WfbM-Beispiel bekannt ist und es im Jahr 2013 eine Umfrage unter verschiedenen Leistungserbringern in Hamburg gab über einzelne Kostenbestandteile, insbesondere der Aufwand für Lebensmittel, ist an dritter Stelle ein Beispiel aufgeführt inklusive einem möglichen Inflationsausgleich. Die dort ausgewiesenen 5,33 Euro wurden tatsächlich für alle Tage eines Monats gezahlt, sodass sich in so einem Beispiel die Kosten beider Versorgungen auf insgesamt 257,37 Euro summieren.

In Nr. 4 wurden dagegen Werte aus einem Preismodell in einer bald neu entstehenden „besonderen Wohnform“ verwendet. Und in Nr. 5 sind es dagegen Beträge aus einer Tagesförderstätte / Einrichtung für tagesstrukturierende Leistungen. Wie man sieht, liegen die Gesamtkosten bei 207,28 Euro bzw. 202,88 Euro.

Würde man als Bezieher von Leistungen der Grundsicherung wirklich gleichgestellt, müsste man mit einem Budget von 168,00 Euro (Basis 2016) bzw. inflationsbereinigt mit 171,38 Euro auskommen. Einer Unterlage aus der Hamburger Sozialbehörde zufolge sollte der Anteil für Nahrungsmittel und alkoholfreien Getränken im Regelbedarfssatz bei 166,80 Euro im Monat liegen.


Was gilt als angemessen?

Diese Rechenbeispiele sollen erst einmal nur einen groben Anhaltspunkt liefern, damit man ungefähr die Bandbreite abschätzen kann. Der jetzt bekannte Regelsatz von 166,80 Euro wird aller Wahrscheinlichkeit nach die unterste Grenze darstellen, bei einer Mit-Versorgung durch eine Beschäftigungsstätte könnten dagegen schnell 200,00 Euro und mehr zusammenkommen. Die 257,37 Euro werden mit Sicherheit nur in ganz besonderen Einzelfällen akzeptiert – meiner Einschätzung nach.

In Schleswig-Holstein gibt es jetzt Transfervereinbarungen, mit denen vorübergehend auf der Basis der alten Kalkulationsgrößen und –verfahren ein Herausrechnen des Lebensmittelsatzes stattgefunden hat. Gerechnet wurde auf der Grundlage der Regelbedarfsstufe 2 abzüglich eines Barbetrags und eines anerkannten Bekleidungsgeldes für das Jahr 2020 ein Betrag von 246,00 Euro.

Wie auch immer es weitergehen wird, wichtig ist in jedem Fall die Berücksichtigung des individuellen Versorgungsbedarfs. Diese Frage liegt aber in der Verantwortung der leistungsberechtigten Menschen. Wenn bei den Grundsicherungsämter ein Antrag auf Übernahme der Kosten gestellt wird, sollte von den Leistungsberechtigten bzw. ihren rechtlichen Betreuern darauf geachtet werden, dass der alte Zusatzbarbetrag (wenn er zur Zahlung kam) nicht verloren geht.

CGS




Notizen:

1.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft überörtlicher Sozialhilfeträger (BAGüS) verwies in einer „Orientierungshilfe zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab 01.01.2018“ darauf, „… dass die Grundsicherung (existenzsichernde Leistungen) auch Mehrkosten enthalten soll, die aufgrund der Zubereitung entstehen (Personal, Miete)“ (ab Zeile 32, S. 1). Die Fachleistung, die eigentlich für die behinderungsbedingten Bedarfe zuständig ist, soll verbilligt werden. Die Grundsicherung ist dagegen gedeckelt und könnte diese Bedarfe eben nicht übernehmen.

2.
Aufgrund der großen Zahl an Haushalte, die in die Statistiken einfließen, gehen besondere Nahrungsmittelbedarfe als Wert schlichtweg unter. Besteht ein solcher Bedarf, soll nur in begründeten Fällen dieser anerkannt werden (§ 42b Abs. 2 SGB XII-2020). Doch auch hier findet mal wieder eine Deckelung statt, die ein Problem bereitet (Abs. 2 S. 2 mit Bezug auf § 2 Abs. 1 S. 2 Sozialversicherungsentgeltverordnung – SvEV).

In der Gesamtplankonferenz sollten von daher alle Verträge, die ein Entgelt für die Lebensmittelversorgung beinhalten, von den Leistungsträgern begutachtet werden. Eine Kürzung und Verrechnung dürfte es nicht geben, wenn Eigenmittel beim Leistungsberechtigten nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind.

3.
Die Vereinbarung einer Monats-Pauschale ist sehr wahrscheinlich möglich. Doch wenn sich ein Bewohner darauf beruft, dass er sich in Zeiten einer Abwesenheit von der Einrichtung selbst versorgen muss und von daher eine Erstattung wegen Nicht-Leistung braucht, muss die Einrichtung etwas unternehmen. Die Verweigerung einer Erstattung wäre wahrscheinlich angreifbar.




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