Freitag, 6. Dezember 2019

BTHG: Es geht jetzt ohne Barbeträge weiter

Zum 1.1.2020 wird es einen bedeutenden Systembruch geben. Die Vollversorgung wird dann abgeschafft. Alle Menschen, die in den (umbenannten) besonderen Wohnformen leben, sollen sich aus eigenen Mitteln, die ihnen dann zustehen selbst versorgen.

Damit wird es aber nun einiges an Arbeit geben für die rechtlichen Betreuer. Gerade weil die Versorgung in der Übergangsphase nicht sichergestellt sein muss, sollten Anträge bei den Grundsicherungsämtern vorsichtshalber gestellt werden.

+++ Nachtrag vom 16.2.2020 +++

Wie sich zeigt, ist bei einigen Personen wider Erwarten ein Barbetrag an Leistungserbringer gezahlt worden. Die Größenordnung liegt aber vermutlich bei einem von hundert Leistungsberechtigten. 

Da sich diese Beträge aber vermutlich in einer "Gesamt"-Zahlung befinden, ist die Entdeckung sehr zweifelhaft. 

+++ Nachtrag vom 12.12.2019 +++

Leistungserbringer, die schon in den ersten Januar-Tagen einen Bankeinzug vornehmen wollen, sollten sich gedulden. Es muss damit gerechnet werden, dass die Gelder vom Grundsicherungsamt noch nicht bei den Klienten eingegangen sind. 

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Vorbehaltlos Grundsicherung leisten im Januar 2020

Im ersten Monat des neuen Jahres droht eine „Finanzierungs- oder Rentenlücke“. In manchen Fällen kann es passieren, dass die Einnahmen des Leistungsberechtigten nicht zum Monatsanfang bereitstehen für die Selbstversorgung, sondern erst zum Ende des Monats eintreffen. Mietzahlungen würden dagegen pünktlich geleistet werden, die Mittel für die Lebensmittel- und hauswirtschaftliche Versorgung drohen dagegen „zu spät“ einzutreffen.

Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz soll ein rechtlicher Anspruch für diese Menschen geschaffen werden, wenn sie noch bis zum 31.12.2019 in einer stationären Einrichtung lebten, die jedoch ab dem 1.1.2020 zu einer besonderen Wohnform nach § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII wird.

Weil sich in dem Moment eine Notlage ergeben kann, sollen die Grundsicherungsämter einmalig und vorbehaltlos Grundsicherungsleistungen oder Hilfen zum Lebensunterhalt übernehmen. Dafür braucht es aber einen Antrag bzw. eine Mitteilung an die Behörden, damit die Lebensverhältnisse dieser Menschen gesichert sind. Zudem sollen diese Leistungen nicht als Darlehen gewährt werden – sie wären also nicht rückzahlbar.


Keinen Barbetrag, aber auch keine Besitzstandszulage mehr?

Weil es nun keine Überleitung der Renten und Einnahmen auf die Sozialhilfeträger mehr gibt, wird es auch keine Leistungen nach § 27b SGB XII geben: dem Barbetrag zur persönlichen Verfügung. Das hört jetzt auf.

Was dagegen noch immer nicht geklärt ist, dreht sich um den alten Zusatzbarbetrag, der noch als Besitzstand gem. § 133a SGB XII gezahlt wurde, als man einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung beanspruchen konnte. In dem Moment allerdings, in dem sich die Lebensverhältnisse geändert haben, geht der Anspruch unwiederbringlich verloren. Es kann aber sehr gut sein, dass die Behörden diesen Barbetrag als einen angemessenen Mehrbedarf anerkennen und hier einen Ausgleich über die Grundsicherungsleistungen herstellen. Dafür braucht es aber einen Antrag seitens des rechtlichen Betreuers.

Dagegen wird es ab dem 1.1.2020 keine Übernahme von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge mehr geben. Der leistungsberechtigte Mensch soll sich quasi selbst darum kümmern, was aber nicht gehen wird. Aufgrund der besonderen Situation müssten aber eigentlich alle Beteiligten schon gut informiert sein und entsprechende Hinweise gegeben haben. In jedem Fall braucht es wohl formal einen Antrag an die Grundsicherungsämter, damit es weitergehen kann, wie bisher.


Aber auch keine Kostenbeiträge mehr

Die alten Kostenbeiträge, wie man sie beispielsweise aus § 88 Abs. 2 SGB XII her kennt, wird es so dagegen nicht mehr geben. Der leistungsberechtigte Mensch wird ja schließlich zum Selbstversorger, so dass solche Abführungen an den Sozialhilfeträger aus einem Beschäftigungsverhältnis nicht mehr erforderlich sind.

Das bedeutet wiederum, dass die Fachleistungen gem. § 135 ff. SGB IX einkommens- und vermögensabhängig geworden sind; oder anders gesprochen: leistungsberechtigte Menschen mit hohem Einkommen oder Vermögen müssen die Fachleistung wahrscheinlich in Teilen selbst bezahlen. In einer Stellungnahme der Sozialbehörde in Hamburg vom 20.8.2019 heißt es allerdings:

Aufgrund der im Gesetz vorgesehenen hohen Freibeträge wird jedoch seitens der BASFI [Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration] nicht mit einer nennenswerten Anzahl von Fällen gerechnet, in denen ein Kostenbeitrag von den Leistungsberechtigten zu erheben sein wird. Im Fall von Rentenzahlungen müssten die Rentenbezüge 60 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV übersteigen. Das wären aktuell rd. 22.250 Euro. Als Beitrag zur Fachleistung wäre dann 2 % des übersteigenden Betrages als monatlicher Beitrag zur EGH [Eingliederungshilfe-neu] zu zahlen. Bei Einkommen unterhalb der Einkommensgrenze ist kein Beitrag zur Eingliederungshilfe zu leisten.“

Der Träger der Eingliederungshilfe-neu (SGB IX) wird von daher nach den Einkünften und dem Vermögen der leistungsberechtigten Personen fragen und ggf. einen Kostenbeitrag bestimmen. Dieser Kostenbeitrag wird aber nicht zurückverlangt, sondern die zu zahlende Vergütung an den Leistungserbringer wird gekürzt (sogenanntes Netto-Prinzip). Der Leistungserbringer wird dann den noch offenen Restbetrag vom Leistungsberechtigten natürlich einfordern.

Die rechtlichen Betreuer sind jetzt besonders gefordert. Aber auch diejenigen, die bei den Leistungsträgern und Leistungserbringern arbeiten, haben sehr viel zu tun mit dieser Umstellung.

CGS



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