Donnerstag, 13. Februar 2020

Update zu BTHG: Lebensmittelversorgung könnte wie viel kosten

Im letzten halben Jahr beschäftigte ich mich zum Teil mit den Kosten der Lebensmittelversorgung für Menschen mit einem Bedarf an Eingliederungshilfe in Wohnstätten (neu-deutsch: besondere Wohnformen), Tagesförderstätten und Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM). Zuerst ging es noch um die Kritik der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V. (BAG WfbM) am Geldbetrag. Für die tägliche Versorgung mit Lebensmitteln sollten lediglich 3,30 Euro zur Verfügung stehen. Viel zu wenig, so die Interessenvertreter.

Im weiteren Verlauf sollte es um darum gehen, was als angemessen gelten könnte. Wie sich anhand von einigen bekannten Beispielen und anderen Referenzpunkten zeigte, ist die mögliche Bandbreite an Kosten für die Lebensmittelversorgung recht hoch. Zur selben Zeit zeigten sich unterschiedliche Versorgungsmodelle in den Wohnstätten, so dass man durchaus sagen kann, mit dem BTHG hat sich (an der Stelle) einiges bewegt.

+++ Nachtrag vom 13.2.2020 +++

Die Werte in den Zeilen 5.1 und 5.2 der Tabelle sind nicht allzu abwegig. Noch in den letzten Jahren wurde in vier anderen Tagesförderstätten ein Verpflegungssatz von etwa 1,70 bis 4,70 Euro pro Betriebstag abgerechnet mit der Behörde. 

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Versorgungsmodelle

Vermutlich wird standardmäßig in den neuen Wohn- und Betreuungsverträgen ein einheitlicher Monatssatz vereinbart über das Verpflegt- und Versorgt-Werden in den neuen besonderen Wohnformen. Dieser Monatssatz leitet sich womöglich von dem Geld ab, dass noch bis vor kurzem als Freihaltegeld-Abzug bzw. Lebensmittel-Betrag in den Vergütungsvereinbarungen enthalten war.

In einem Wohnheim mit „Schwerstmehrfachbehinderten“ mag es vielleicht noch einfach sein, doch bei einem mit sogenannten „Werkstatt-Gängern“ wird es etwas komplizierter. An den Werktagen ist der Bedarf nun mal ein ganz anderer, als an Wochenenden, bei Krankheit oder im Urlaub. Aber schon hier zeigt sich, dass die Möglichkeit der Eigenversorgung völlig ignoriert wird – ein Rückschritt statt Fortschritt in Richtung selbstbestimmtes Leben (werden die zuständigen Aufsichtsbehörden dies ebenfalls so sehen und an die überörtlichen EGH-Trägern berichten?).

Die Vereinbarung eines einheitlichen Monatssatzes ist möglich. Doch wenn sich ein Klient darauf beruft, dass er sich in Zeiten einer Abwesenheit von der Einrichtung selbst versorgen muss und von daher eine Erstattung wegen Nicht-Leistung braucht, muss die Einrichtung etwas unternehmen. Die Verweigerung einer Erstattung wäre mit Sicherheit angreifbar.


Unterschiedliche Bedarfe in Wohn- und Beschäftigungsstätten

Wenn ein Leistungserbringer es somit „richtig“ gemacht hat, müssten in den WBV-Verträgen über das Wohnen und die Betreuung drei Versorgungsmodelle sowie die Möglichkeit zur Eigenversorgung aufgeführt sein:

1.     Vollversorgung (d.h. Frühstück, warmes Mittag, Abendessen, Getränke) an allen Tagen

2.     Versorgung ohne ein warmes Mittagessen an Werktagen, aber Vollversorgung an den Wochenenden, Feiertagen, krankheitsbedingter Anwesenheit und/oder Urlaub

3.     Versorgung mit Eigenleistungen

4.     Nur Eigenversorgung / reine Selbstversorgung (wie Persönliches Budget)

Weil es aber sehr unterschiedliche Arbeits- und Beschäftigungsformen gibt, müssten zumindest die WfbM‘s und Tagesförderstätten einen Tagessatz für die Lebensmittelversorgung ausweisen. Immerhin kann die Beschäftigung auch in Teilzeit erfolgen, so dass ein einheitlicher Monatssatz zu einer Ungleichbehandlung führen würde. In jedem Fall ist aber ein eigener Geldbetrag für die Lebensmittelversorgung vertraglich festzulegen, damit diese Kosten auch effektiv als Mehrbedarf bei gemeinschaftlicher Mittagsverpflegung nach § 42 b Abs. 2 SGB XII anerkannt werden kann.

In Hamburg gibt es zum Beispiel das Teilzeit-Modell in Tagesförderstätten. Der Umfang der Beschäftigung kann variieren von nur wenigen Stunden bis hin zu einer Vollzeit-Beschäftigung an fünf Tagen (20 % bis 80 % oder Vollzeit). Dementsprechend sollte man einen Tagessatz vermuten, den die Beschäftigten im Falle eines Verpflegungsbedarfs aufzubringen haben. Und folgerichtig sollte sich ein solcher Bedarf mindernd auf die Versorgungsleistung durch die Wohnstätte / besondere Wohnform auswirken; ansonsten hätte man wieder eine Ungleichbehandlung. 

Wie sich zeigt, ist die Bandbreite an den Kosten für die Lebensmittelversorgung sehr hoch. Ein letztes Update der vorliegenden Daten offenbart „theoretische“ Kosten von monatlich 167 Euro bis hoch hinauf zu 262 Euro. Wenn dagegen besondere Nahrungsmittel eingekauft werden müssen, kann es sehr wahrscheinlich anders ausfallen.

CGS




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