Freitag, 7. Februar 2020

Mehrbedarf bei gemeinschaftlicher Mittagsverpflegung nach § 42 b Abs. 2 SGB XII

Mit der neuen Systematik gibt es an unglaublich vielen Stellen Regelungs- und Erläuterungsbedarf.

An dieser Stelle soll es einmal wieder um WfbM-Beschäftigte gehen, die schließlich auch verpflegt werden müssen, wenn sie arbeiten. Doch auch leistungsberechtigte Menschen, die „nur“ ein tagesstrukturierendes Angebot wie zum Beispiel in einer Tagesförderstätte wahrnehmen, müssen hier eine Besonderheit erfahren. Zwar ist Verpflegung essentiell, doch für diesen Personenkreis wird auch ein sehr hohes Bedürfnis an sozialer Teilhabe gesehen, so dass die Verpflegungs-Leistung untergeordnet wird in zweifacher Hinsicht:

-         Die Mehrkosten in der Beschäftigungsstätte werden als Mehrbedarf anerkannt; das betrifft zum Beispiel die Grundsicherungsleistungen.

-         Die Kosten der Verpflegung ordnen sich der steuerlich begünstigten und i.d.R. gemeinnützigen Leistungserbring unter und werden privilegiert bei der Umsatzsteuer.


Müssen WfbM-Beschäftigte mit weniger Geld auskommen?

Die schnelle Antwort auf diese Frage lautet: Nein.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V. (BAG WfbM) hatte in einer Stellungnahme vom 13.5.2019 vorgerechnet, dass ein Betrag von täglich „3,30 Euro (Stand 2019…)“ viel zu wenig sein würden für die Beschäftigten (Zeile 26, S. 1). Die tatsächlichen Kosten würden viel höher ausfallen und müssten zudem aus den eigenen Einkommen bezahlt werden. Und das wird nicht viel sein – insbesondere dann, wenn ein individueller Mehrbedarf besteht, wie beispielsweise bei einer ganz speziellen Ernährung.

Aber nicht nur ganz bestimmte Nahrungsmittel können solche Mehrkosten verursachen. Das gemeinsame Essen bietet für Menschen mit einem starken Bedürfnis nach Teilhabe einen wichtigen Lebensbeitrag. Das haben die Offiziellen ebenfalls erkannt. Die Mehrkosten, die sich womöglich insgesamt ergeben, wenn man den Gesamtaufwand für die Lebensmittelversorgung aus den besonderen Wohnformen hinzurechnet, können somit ebenfalls als Leistungen der Sozialhilfe übernommen werden. Eine Deckelung wäre damit nicht mehr von Belang.

Diese Entscheidung beschränkt sich nicht nur auf die Betriebskantine in einer WfbM. Wenn unter dem „Dach“ einer solchen Einrichtung die Beschäftigten bei WfbM-Kooperationspartnern (im Sinne von ausgelagerten Arbeitsplätzen) arbeiten und eine entsprechende Vereinbarung besteht darüber, wird eine gemeinschaftliche Bereitstellung und Einnahme der Mittagsverpflegung angenommen. Vorrangiges Ziel ist es ja, dass die WfbM-Beschäftigten an den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können. Eine Deckelung der Kosten wäre eine Barriere, die man nicht braucht.


Was das nun im Einzelnen bedeutet

Fehlt es an einer Vereinbarung zwischen WfbM und Kooperationspartner, können die Kosten nicht als Mehrbedarf anerkannt werden.

Und handelt es sich um einen „Imbiss“, kann von einem gemeinschaftlichen Mittagessen nicht gesprochen werden. Ein Mehrbedarf wird dann ebenfalls nicht anerkannt.

Dafür wiederum wird die Verpflegung in einer Tagesförderstätte oder bei einem vergleichbaren Angebot tagesstrukturierender Maßnahmen akzeptiert.

Im Gegensatz dazu müssen die WfbM-Fachkräfte eine besteuerte Lebensmittelversorgung bezahlen, selbst wenn sie mit den (begünstigten) Beschäftigten die gleiche Kantine besuchen. Dies erscheint zwar ungerecht, doch das entscheidende Kriterium für die umsatzsteuerliche Behandlung findet sich in der Festlegung, dass die Lebensmittelversorgung „eng verbunden ist“ mit den begünstigten Umsätzen der Eingliederung in das Arbeitsleben (vgl. dazu § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchstabe f UStG mit Verweis auf § 225 SGB IX, Anerkennungsverfahren WfbM betreffend).

Das macht die Sache wieder sehr kompliziert. Für externe Kantinenbetreiber wird es wahrscheinlich nicht wirtschaftlich und machbar sein, eine Differenzierung im Einzelfall hinzubekommen. Wichtig ist aber, dass die Kosten, die ein Beschäftigter bei einem Kooperationspartner zu übernehmen hat, als Mehrbedarf anerkannt werden.

CGS



Quelle:

Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V. (BAG WfbM)
Stellungnahme zum Mittagessen in Werkstätten vom 13./14.5.2019

(letzter Aufruf am 7.2.2020)

  


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