Montag, 17. Februar 2020

Notizen zum Thema Schulbegleitung und Integrationsassistenz

Eine Diskussion um die Gewinnung von Leistungen im Hinblick auf eine angemessene Schulbildung erbrachte wieder eine Reihe neuer Erkenntnisse und auch „alter Frustrationen“. Man muss leider nach wie vor feststellen, dass das System der sozialen Leistungen als ein unliebsamer Kostenblock verstanden wird und nicht als eine Investition in die Zukunft von Kindern.

Der erste Punkt hat mit einem schlichten Vergleich zwischen den Fristen für die Bearbeitung von Anträgen bei der Jugendhilfe und denen der Ämter für die Eingliederungshilfe bereits eine Diskrepanz aufgezeigt. Das muss jetzt nicht gleich einen Nachteil bedeuten, aber es mangelt an dieser Stelle an der Verlässlichkeit, die so wesentlich ist für ein würdevolles Leben (Art. 1 GG) und den Zuspruch aus der Gesellschaft für die Arbeit der Behörden sichert.

Der zweite Punkt ist zuerst einmal eine Aufzählung von verschiedenen, beobachteten Mängeln im Zusammenspiel zwischen Schule, Leistungserbringung und Leistungsträgerschaft. Und es mündet leider in eine kritische Feststellung zu eineem Papier, dass die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüs) zusammen mit dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städtetag vor gut einem Jahr herausgebracht hat (Thema: Bildung von Schulbegleiterpools).

Mit alledem lässt sich gar nichts gewinnen.


Fristenvergleich

Die Jugendhilfe scheint dem Fristen-Reglement aus dem SGB I zu unterliegen. Dagegen sind Rehabilitations- bzw. Eingliederungshilfeträger aufgrund ihres „Spezial“-Gesetzes weitaus engeren Grenzen ausgesetzt. Werden diese Fristen verpasst, brauchen Leistungsberechtigte nicht zu warten, sie können die Initiative ergreifen.

SGB I
SGB IX
§ 17 Ausführung der Sozialleistungen
§ 14 Leistender Rehabilitationsträger
(relevante Auszüge aus dem Gesetzestext)
In der Fassung vom 12.12.2019
(ungekürzter Gesetzestext)
In der Fassung vom 14.12.2019
(1) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß

1.
jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält,

2.
die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen,

3.
der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke und

4.
ihre Verwaltungs- und Dienstgebäude frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren sind und Sozialleistungen in barrierefreien Räumen und Anlagen ausgeführt werden.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.
Link:
(Fettdruck von mir)

Schule und Schulbegleitung

Wie man schon an dem Vergleich oben sieht, herrschen unterschiedliche Zuständigkeiten für die Begleitung von jungen Menschen, die lediglich eine angemessene Schulbildung brauchen (SGB VIII vs. SGB IX). Dadurch ergibt sich für viele eine Barriere, die den Zugang zu solchen Leistungen erschwert. Zur gleichen Zeit sind Schulen nach wie vor nicht ausreichend genug involviert, dass sie hier, als erste Anlaufstelle oder Kontakt der Angehörigen mit einem Hilfeersuchen, gut informieren können.

Schulbegleitung wird an (nur noch wenigen) Schulen als eine „Störung“ empfunden, weil die Lehrkraft sich beobachtet fühlt von einem anwesenden Erwachsenen. Und umgekehrt sind es nicht immer fachlich geschulte Assistenzkräfte, die ein Kind begleiten sollen. Noch vor einigen Jahren wurde nämlich mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot jeder Versuch, gutes Personal zum Einsatz zu bringen, abgeschmettert. Diese Handlungsweise rächt sich mittlerweile doppelt, da auch an dieser Stelle der Fachkräfte-Mangel zu spüren ist. Und so ist es wiederum nicht verwunderlich, wenn das zur Verfügung stehende Personal Fehler macht – doch das sind nur Einzelfälle und Ausnahmen.

Mit dem Pooling werden immer mehr Kinder von nur noch einer Schulbegleitung betreut. Pooling bedeutet im konkreten Fall, dass während des einen Unterrichts, die Assistenzkraft nicht mehr das Kind direkt betreut, für das einmal die Leistungen bewilligt wurden. Im Idealfall können in der Klasse gleich zwei Kinder, auch mit verschiedenen Bedarfen, betreut werden. Es kann aber auch sein, dass die Assistenzkraft das Kind alleine lässt und den Klassenraum wechselt, weil es möglich ist.


Das Pooling

In einer sogenannten „Orientierungshilfe zur Schulbegleitung unter besonderer Berücksichtigung der Bildung von Schulbegleiterpools“ wollte man den Leistungsträgern etwas an die Hand geben zur Unterstützung bei der Entscheidung über den Umfang der Leistungserbringung (Orientierungshilfe Schulbegleitung, Stand 6-2019, BAGüS et al).

Diese Unterlage ist nicht geschrieben worden mit dem Ziel, Kindern mit einem Hilfebedarf benötigte Leistungen zu sichern. Man betont es zwar, dass „vorrangige Pflicht“ es ist, „im Sinne der UN-BRK“ für ein „inklusives Bildungssystem“ zu sorgen, aber das liegt in der „besonderen Verantwortung der Schule“ (S. 3). Die Kommunalverwaltungen, die in der Verantwortung stehen, soziale Hilfen zu leisten, damit Menschen in einer Notlage geholfen wird, ein Leben in Würde zu leben (Art. 1 GG), sollen anscheinend selbst eine Hilfe erhalten, um Anträgen auf Leistungen begegnen zu können – dieser Verdacht lässt sich nicht abtun, wenn man beispielsweise den Satz liest: „Der ungedeckte Bedarf [in einer Förderschule, eig. Anmerkung] muss gegenüber dem Träger der Eingliederungshilfe bzw. der Jugendhilfe ausführlich begründet werden.“ (S. 8, Fettdruck von mir)

Wenn Anträge (die Förderschule betreffend) nicht „ausführlich“ genug begründet sind, wären sie abzulehnen.

Doch weil jetzt immer mehr Eltern wünschen, dass ihre Kinder eine Regelschule besuchen, ist die Zahl der Schulbegleitungen nach Feststellung der BAGüS gestiegen; und gleichzeitig heißt es auch, dass es „dieselbe Entwicklung … auch im Bereich der Förderschulen“ gibt (S. 12). Jedenfalls ist eine Tendenz zu erkennen, der man mit den Pool-Lösungen begegnen muss. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass in solchen Fällen „zwischen allen Beteiligten ein Konsens erzielt werden kann“ (S. 14); also Eltern und Kind (Leistungsberechtigten) müssen ihr Einverständnis dafür geben, was auch nachvollziehbar ist.

Was wiederum nicht nachvollziehbar ist, ist das Verlangen an die Leistungsberechtigten, dass sie „bereit sein [müssen]“ den Leistungserbringer (als Schulbegleitung) „zu wählen“, mit dem sich der Träger der Eingliederungshilfe zuvor „[verständigt]“ hat (vgl. § 112 Abs. 4 SGB IX n.F.). Eine derartige Formulierung zeigt, dass nicht personen- und bedarfsorientiert die Bereitstellung von sozialen Leistungen, wie der Schulbegleitung, erfolgt, sondern institutsorientiert. 

Wie kann also dagegen gehalten werden? Auf welche Weise zeigt sich womöglich eine unzureichende Bedarfsdeckung?

SGB IX
§ 104 Abs. 2 Nr. 2, Leistungen nach der Besonderheit des Einzelfalles

(2) Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, ist zu entsprechen, soweit sie angemessen sind. Die Wünsche der Leistungsberechtigten gelten nicht als angemessen,

1.
wenn und soweit die Höhe der Kosten der gewünschten Leistung die Höhe der Kosten für eine vergleichbare Leistung von Leistungserbringern, mit denen eine Vereinbarung nach Kapitel 8 besteht, unverhältnismäßig übersteigt und

2.
wenn der Bedarf nach der Besonderheit des Einzelfalles durch die vergleichbare Leistung gedeckt werden kann.



CGS


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