Donnerstag, 20. Februar 2020

Update zu: Plan C, weil es Probleme gibt

Am 20.12.2019 schrieb ich über ein Treffen zwischen der Hamburger Sozialbehörde und Verbänden der Leistungserbringer. Es ging damals um eine drohende „Finanzierungslücke“ im Januar 2020, weil man vermuten musste, die leistungsberechtigten Menschen müssten schon am Monatsanfang ihre Mieten und Versorgungsgelder bezahlen, würden aber erst zum Ende des Monats ihre Einkünfte erhalten. Dieses Problem war schon Thema bei der Bundesregierung und hatte im Zuge des neuen Angehörigen-Entlastungsgesetz dazu geführt, dass für diesen Zeitraum Grundsicherungsleistungen gezahlt werden sollten bei gleichzeitiger „[einmaliger] Nichtanrechnung der Rentenzahlung“ (S. 4 des Gesetzentwurfs).

Zur selben Zeit musste die Behörde mitteilen, dass noch nicht alle Leistungsberechtigten, die in den neuen Besonderen Wohnformen lebten, erfolgreich umgestellt waren auf das neue System. Bei dem neuen System sollte es so sein, dass die Grundsicherung entweder an die Leistungsberechtigten direkt zahlt oder stattdessen an seinen Vermieter-Versorger – dem Leistungserbringer / ehemals Träger einer stationären Wohneinrichtung.

Weil es wohl Leistungserbringer gab, die ihre Klienten zu selbstbestimmten Wirtschaftssubjekten machen wollten und sich selbst nicht zu „Treuhandanstalten“, wurden in den neuen Wohn- und Betreuungsverträgen (nach dem WBVG) die Möglichkeit zum SEPA-Einzug (auch als Lastschrift-Einzugsermächtigungen bekannt) angeboten. Da diese Klienten dann keinen Weiterleitungs-Auftrag an die Behörde richteten, mussten die Grundsicherungsleistungen demzufolge auf das jeweilige Bankkonto der Leistungsberechtigten gezahlt werden.

Aber das klappte nicht. Und was jetzt?


Eine Rückschau

Man hatte sich bei dem damaligen Treffen in der Sozialbehörde darauf verständigt, dass noch im Januar 2020 in den Fällen, in denen die Umstellung auf das neue BTHG-System mit der getrennten Grundsicherung und Fachleistung noch nicht vollzogen war, die volle Vergütung des Dezembers 2019 an den Leistungserbringer gezahlt wird.

Die Hamburger Sozialbehörde hatte sich sogar bereit erklärt, wenn es bei einzelnen Trägern zu finanziellen Engpässen kommen sollte, weil die Klienten erst einmal nicht zahlten, würde man schnell und unkompliziert unterstützen. Ein finanzielles Risiko für die Leistungserbringer sollte unbedingt abgefedert werden. Ein Verbandsvertreter meinte (erstaunlicherweise!), dass so ein Risiko recht gering sei; er sprach davon, dass „90 %“ der bisherigen Vergütungen fließen würden (wenn 800 Euro = 10 % sind, dann wären 90 % = 7.200 Euro, was sind das für Vergütungsvereinbarungen?).

Bei dem Treffen wurde bekannt, dass insgesamt 1.800 Fälle nicht umgestellt waren auf das neue Verfahren. Bedenkt man, dass zum Stichtag 31.12.2018 etwa 8.000 Menschen Leistungen der Eingliederungshilfe (inkl. Wohnen und Versorgt-Werden) in Hamburg erhielten, macht das eine Quote von 22,5 % aus: mindestens jeder Fünfte war bis dato noch nicht übergeleitet in das neue System. Und gleichzeitig wurde versprochen, dass für diese Leute die Umstellung im Januar abgeschlossen ist (ist sie aber nicht, kann ich schon jetzt sagen).

Wie gesagt wollte man für die Nicht-Umgestellten die bisherigen Zahlungen fortsetzen: also Vergütungen an die Einrichtungen plus Barbeträge. Und wie sich zeigte, war es Priorität der Hamburger Sozialbehörde, dass die Barbeträge, die an die Einrichtungsträger geleistet wurden, von diesen auch an die Klienten weitergezahlt werden. Zuerst gab es eine listenmäßige Ankündigung, dann wurde mit einem separaten Schreiben auf diese Besonderheit hingewiesen. Man kann durchaus sagen, dass sich die Behörde um eine Richtigstellung bemüht hat – das verdient Anerkennung.


… und was seit dem 1.1. passierte

Die ersten Zahlungen an die Leistungserbringer und Leistungsberechtigten sahen nun allerdings ganz eigenartig aus (und das betraf nicht nur die Hamburger Sozialbehörde, wie kürzlich bekannt wurde).

·       Es gab Vergütungszahlungen, die vielleicht oder vielleicht auch nicht einen Barbetrag enthielten.

·       Es gab Zahlungen, die wie Vergütungszahlungen aussahen, aber weder der alten noch der neuen Vergütung inkl. der Kosten für das Wohnen und dem Versorgt-Werden entsprachen (Leistungsträger aus Niedersachsen zahlten einen landeseinheitlichen Durchschnitt).

·       Es gab einzelne Zahlungen, die so aussahen, wie Grundsicherungsleistungen als Differenz zu den Renten und Einnahmen des Leistungsberechtigten.

·       Es gab auch gar nichts.

·       Und es gab beinah richtige und richtige Beträge.

Kurzum: Gezahlt wurde „irgendwas an irgendwen“.

Für die Leistungserbringer, die nun keine „Treuhandanstalten“ sein wollten, gab es jetzt allerdings das Problem, dass ihre Klienten etwas zu zahlen hatten, was ihnen von der Behörde vermutlich nicht ausgezahlt worden war. Erste Umfragen bestätigten dann auch die Ausfallquote, die beim Treffen im Dezember bekannt gemacht wurde. Im Falle der Überweiser war das kein erhebliches Problem. Wenn es dagegen eine Einzugsermächtigung zum Lastschriftverfahren gab, musste man aus Gründen der Vorsicht damit warten – nichts ist dann schlimmer, als eine geplatzte Lastschrift, weil sie zu Bankgebühren führt und die erteilte Mandatsreferenz ungültig macht.

Die „Treuhandanstalten“ hatten solche Probleme nicht. Doch es konnte so sein, dass die Behörden den Anteil für die Grundsicherung direkt an die Leistungsberechtigten auszahlten und nicht überwiesen an die Leistungserbringer.


Und daraus folgt…

Leistungserbringer und Leistungsberechtigter sind per Wohn- und Betreuungsvertrag an ganz bestimmte Pflichten gebunden. Das Wohnen und Versorgt-Werden wird natürlich weiterhin gewährleistet – kein Mensch wird auf die Straße gesetzt. Jedoch kommt die Gegenleistung des Klienten (Verbrauchers) nicht an. Was tun?

Leistungserbringer haben nun verschiedene Gelder erhalten. Bei einem Teil davon wird es sich ganz bestimmt um die Vergütungen handeln, mit denen alle Bestandteile der Leistungserbringung bezahlt worden sind. Es muss allerdings damit gerechnet werden, dass die EGH-Träger bei Vorliegen einer Abrechnung eine Aufrechnung oder Stornierung der Überzahlungen unternehmen? – In solchen Fällen müssten die Leistungserbringer sich wieder an die Leistungsberechtigten bzw. die rechtlichen Betreuer wenden und die Erstattung verlangen.

Eine schlichte Verrechnung von überzahlten Fachleistungen mit den fehlenden Grundsicherungen ist zwar angedacht worden, aber es gibt noch keine Vereinbarung mit den Wohlfahrtsverbänden und ihren Mitgliedern. Wie sollte es auch gehen? Immerhin sollen jetzt Gelder aus zwei verschiedenen Haushaltstöpfen fließen, wobei auf Seiten der Leistungsträger unter Umständen sogar noch weiter differenziert wird (z.B. 3. und 4. Kapitel SGB XII, Wohngelder, 125%-Grenzüberschreitungen).

Wenn die Leistungserbringer formal auf die Bezahlung bestehen, beispielsweise mit einer Mahnung (dann ohne Mahnkosten, bitte), würden sich die rechtlichen Betreuer gezwungen sehen, zur Abwendung der Gefahr einer Kündigung an die Behörden wenden und auf Auszahlung der Grundsicherungsleistungen bestehen. Sie wären an dieser Stelle alle gezwungen, weil sie eine Pflicht haben, im Sinne der Betreuten und zur Abwehr eines drohenden Notstands zu handeln. Problem ist nur, die Behörden sind überlastet und reagieren nicht. Und die rechtlichen Betreuer schätzen es so ein, dass nichts passieren wird (die Behörden aber auch).


Nach Kräften und Vermögen im Interesse der Betreuten handeln

Die rechtlichen Betreuer könnten sozialgerichtlich ein Eilverfahren anstrengen, um zu zeigen, dass sie alles „erdenkliche tun“, damit sie ihrer Pflicht genüge getan haben. Für eine solche Angelegenheit braucht es nicht viel; nur ein Schreiben an das Sozialgericht mit der Notstands-Begründung. Wahrscheinlich reicht es aktuell auch völlig aus, wenn man gegenüber den Behörden einen solchen Schritt androht – wie gesagt, alle sind derzeit überfordert. Im schlechtesten Fall muss man belegen können, dass man nach Kräften und Vermögen im Interesse der Betreuten mit Nachdruck gehandelt hat. Und dann kann ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand erfolgreich vonstattengehen.

Beispiel-Text an eine Behörde:

Es ist eine Notlage eingetreten, weil Sie trotz Ihres positiven Bescheids zur Leistung von Grundsicherung bzw. Hilfen zum Lebensunterhalt und Eingliederungshilfe anscheinend noch nicht gezahlt haben.

Mein Betreuter erhält jetzt Aufforderungen und Mahnungen, um unverzüglich die noch offenen Forderungen des Leistungserbringers zu zahlen. Doch weil dafür wiederum die Gelder fehlen, kann diesem berechtigten Anliegen des Leistungserbringes nicht gefolgt werden.

Ich muss im Interesse meines Betreuten handeln und kündige schon an, dass ein Unterlassen von Ihrer Seite so nicht hingenommen werden kann. Ein weiteres Zuwarten wird die Situation nur verschlimmern. Von daher werde ich in nächster Zeit ein gerichtliches Eilverfahren in Angriff nehmen, damit etwas zum Schutze der Interessen meines Betreuten geschieht. Doch vielleicht gelingt es uns vorher, im Wege einer sofortigen Grundsicherungsleistung auf das Konto meines Betreuten / des Leistungserbringers Abhilfe zu schaffen.

Vielleicht gibt es noch ein Vermögen der Leistungsberechtigten, was zum Ausgleich der ältesten Forderungen eingesetzt werden kann. Selbst wenn es nur einen Teilbetrag ausmacht. Damit wird der Wille zur Gegenleistung bekundet und die Gefahr einer Kündigung gebannt. Alle Seiten würden damit die Zeit gewinnen, etwas aufzuarbeiten.

Beispiel-Text an einen Leistungserbringer:

Aufgrund der nicht gezahlten Leistungen der Behörden ist es bedauerlicherweise zu einem Platzen der von mir erteilten SEPA-Einzugsermächtigung gekommen. Dies ist passiert, obwohl fristgerecht und korrekt die richtigen Anträge an die Behörde gegangen sind und sogar von dieser die Leistung positiv beschieden wurde. Ich werde mich für meinen Betreuten erneut an die Behörde wenden und die sofortige Zahlung verlangen, damit Ihre Forderungen endlich ausgeglichen werden.

Bis zu dieser Klärung bitte ich um ein Ruhenlassen des erteilten SEPA-Mandats. Sobald ausreichende Mittel zur Verfügung stehen, werde ich Sie darüber informieren und das Weitere besprechen.

Gleichzeitig bitte ich um eine Mahnsperre mit Bezug auf das Konto, damit nicht unnötige Kosten entstehen. Es versteht sich, dass die Forderungen schnellstmöglich ausgeglichen werden müssen. Darum werde ich mich nach Kräften bemühen, aber bitte noch um Ihr Entgegenkommen.

Mit dem Ruhenlassen des SEPA-Einzugs wird es für den Leistungserbringer nicht erheblich einfacher, dennoch könnte man sich das Hin und Her der Formulare ein wenig vereinfachen, wenn alles wieder geklärt ist. In der Verwaltung könnte man in den Stammdaten der Klienten den Zahlungsweg auf „Überweisung“ setzen, damit das Lastschriftverfahren diese Personen einfach überspringt. Zur selben Zeit würden auch die zurückliegenden Monate verschont werden, so dass zwar der Ausgleich der alten Forderungen noch auf sich warten lässt, aber es entstehen keine neuen geplatzten Lastschriften.

Was es daneben noch braucht, ist eine Verständigung darüber, was mit den möglicherweise überzahlten Fachleistungen und den fehlenden Versorgungsgeldern geschehen soll.

CGS



Quelle:




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