Donnerstag, 8. Februar 2024

Persönliche Zukunftsplanung ist so ein Thema

Im folgenden Text geht es zwar vorrangig um die Persönliche Zukunftsplanung als Einstieg ins Erwachsenenleben und Verlassen des Elternhauses, doch sie ist lediglich eine Hilfe zur Beantwortung der drei wichtigsten Fragen: Was wünsche ich mir? Was brauche ich? Und: Was will ich?  

Die Persönliche Zukunftsplanung ist dennoch ein anerkanntes Instrument, das Menschen mit Behinderungen dabei hilft, ihre Ziele und Wünsche zu identifizieren und umzusetzen. Eine solche Planung kann mithilfe von Verbänden und Vereinen durchgeführt werden. Es gibt dazu Seminare, die jedoch mit Kosten verbunden sind und nicht automatisch von Behörden übernommen werden. 

Hinsichtlich der Wünsche finden sich in den Leistungsgesetzen bestimmte Vorgaben, die näher in Betracht genommen werden müssen. Oberstes Ziel der Leistungsgesetze ist jedoch die Förderung zur Autonomie und Selbstbestimmung. Und das heißt, dass ein Leistungsberechtigter aussprechen muss, was gewünscht, gebraucht und gewollt wird: ein Leben OHNE Behinderung zu leben.

 

Um was geht es?

Persönliche Zukunftsplanung ist so ein Thema, mit dem Eltern eines jungen Menschen auf dem Weg in die große weite Welt sich gut auseinandersetzen können. So etwas wie Planung ist für uns, die Alten, kein neues Thema, denn wir haben das mit dem Planen und Ausführen schon etliche Male geübt. Doch für Heranwachsenden, die den nächsten Schritt in das Erwachsen-Werden unternehmen und womöglich sogar vom Elternhaus wegziehen, ist es keine Selbstverständlichkeit.

Die Zukunft planen heißt, den Erfolg denken, sagt man. Planung ist Herausforderung, denn nun stellt man sich den eigenen Hoffnungen, Wünschen und eventuell sogar dem (vermeintlichen) (Un-) Vermögen. Da kommt eine ganze Menge zusammen, das kann manchmal sogar Angst machen.

Bevor es aber losgeht mit dieser Persönlichen Zukunftsplanung, sollte man sich schon ein paar Gedanken gemacht haben, was man davon erwartet. Und in dem Zuge könnte es tatsächlich passieren, dass man sich schon mit den drei wichtigsten Fragen auseinandergesetzt hat: Was wünsche ich mir? Was brauche ich? Und: Was will ich? – Aber aufgepasst: Das sind immer nur sehr persönliche Fragen, die sich Eltern und Kinder, jeder für sich, stellen müssen.

Jeder muss nämlich selbst planen. Zwar kann so mancher sowas aus eigener Kraft unternehmen, aber mit der Hilfe der Angehörigen, Freunde und sonstigen Zugehörigen kann da noch viel mehr bewirkt werden. Die Eltern jedenfalls helfen und unterstützen – und mehr nicht (klar, auch die werden sich was wünschen für das weitere Leben, aber viel spannender ist doch, was ein junger Heranwachsender will). Der planende Mensch wiederum bestimmt selbst, was gerne erlebt werden soll. Zugegeben, da können tatsächlich einige “Spinnereien” zum Vorschein kommen, allerdings sollten die ruhig zugelassen werden, um dann zu sehen, wohin die Reise wirklich gehen wird. Wie gesagt, es kommt da eine ganze Menge zusammen.

Die eben schon genannten drei Fragen werden zu Antworten führen, die als Startpunkt für ein Verfahren vor einem Rehabilitationsträger (Leistungsträger) verwendet werden müssen (§ 8 Abs. 1 S. 1 SGB IX) und schließlich im Teilhabeplan wiederzufinden wären (§ 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 7); wobei man nur die „berechtigten Wünsche“ übernehmen wird. Berechtigt sind Wünsche nur dann, wenn sie den Zielen, die mit den Leistungsgesetzen verfolgt werden, entsprechen (dazu unten ein wenig mehr).

 

Es geht um Selbstbestimmung!

Mit der Persönlichen Zukunftsplanung liegt ein Instrument vor, was bei der Findung dieser notwendigen Antworten helfen wird – wie gesagt, am Ende des Ganzen soll für den Menschen mit Behinderung das „Wollen“ stehen. Erst mit so einem Willen ergibt sich eine Verbindlichkeit und Motivation, das Gewollte zu verfolgen. Und dann entsteht Selbstbestimmung (vgl. § 1 S. 1 SGB IX).

In der Regel findet eine Zukunftsplanung in einer sogenannten Übergangsphase statt. Einen Übergang haben beispielsweise Menschen, wenn sie von der Schule abgehen sollen und in den Beruf wechseln. Fängt man also mit den Überlegungen an, vielleicht sogar beim Lesen dieses Textes, geht es streng genommen schon los mit der Zukunftsplanung.

Eine Zukunftsplanung muss nicht im stillen Kämmerlein stattfinden. Verbände und Vereine, die sich um die Belange behinderter Menschen kümmern, haben vielfach sogar ein entsprechendes Seminar im Programm, was gebucht werden kann (siehe dazu den Link in der Quellenangabe untern). Das ist allerdings mit Kosten verbunden, und die übernimmt nicht automatisch eine Behörde. Wie üblich müssen derartige Anträge auf Kostenübernahmen gut begründet werden. Und wenn man bereits seine Wünsche kennt, wozu braucht es noch ein Seminar zur Persönlichen Zukunftsplanung?!

Die meisten Angebote scheinen sich daher an Fachkräfte zu richten, die so etwas in ihrer Arbeit als Leistungserbringer übernehmen wollen. Diese Arbeit richtet sich wiederum an ein vorhandenes Klientel und nicht den jungen Heranwachsenden, der aus dem Elternhaus ausziehen möchte. Diese Lücke kann versuchsweise damit geschlossen werden, dass beim Antrag auf Kostenübernahme die professionelle Begleitung gesucht wird, um Klarheit in das „Wollen“ hineinzubringen. Für alle anderen Menschen mit Behinderung würde die Begründung zu so einem Seminarbesuch sein, dass der bestehende Leistungserbringung so etwas nicht anbietet; also auf die Leistungsvereinbarung verweisen.

Ich habe Zukunftspläne gesehen, die zu wahren Kunstwerken gemacht wurden mit Hilfe von Buntstiften und Klebern, weil da auf einmal ganz viele Gedanken zu Papier gebracht werden mussten. Wichtig beim Ganzen ist, dass man die Dinge offen ausspricht oder eben „zu Papier bringt“. Und in dem Moment, wo etwas gegenüber anderen ausgesprochen wurde, war man Teil der Gemeinschaft und hatte die eigene Welt verlassen – eine neue Welt betreten, den Horizont erweitern, sich auf den Weg machen.

Eine Reise machen wollen, wäre zum Beispiel ein Ziel, oder auch nur eine gute Überleitung zu Konfuzius. Denn der sagte nämlich: "Der Weg ist das Ziel."

 

Sich auf den Weg machen!

Nimmt man das wörtlich, ist der Zweck der Persönlichen Zukunftsplanung eindeutig. Der Mensch, der sich auf den Weg macht, tut das mit Lust und Motivation. Der Mensch wird den bisherigen Schutzraum verlassen und die Welt erleben. Endlich Teilhabe, endlich Selbstbestimmung. Endlich wahrgenommen werden, endlich erwachsen sein.

Und Eltern können sich endlich zurücklehnen und ein wenig entspannen – das ist ebenfalls ein sehr wichtiger Beitrag für die Gemeinschaft. 

Zugegeben gibt es da auch einige Grenzen. Die Persönliche Zukunftsplanung kann zwar als Instrument verstanden werden, um die Wünsche und Bedürfnisse herauszuarbeiten, aber das mit dem Wunsch- und Wahlrecht, wie es im Gesetz verankert ist und ziemlich weit vorne steht, stellt in der Umsetzung für manche ein Problem dar; insbesondere den vielen institutionellen Beteiligten wird von Experten ziemliche Phantasielosigkeit vorgeworfen. An erster Stelle stehen jedenfalls die Förderung der Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und Bereitschaft zur Eigenverantwortung. Die Prüfung auf Wirtschaftlichkeit kommt erst danach, was somit die Rangfolge klarstellt (siehe dazu ebenso den Punkt „Autonomievorstellung“ in der UN-BRK). Das Instrument der Persönlichen Zukunftsplanung würde damit eine gute Grundlage der Teilhabeplanung darstellen (§ 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 7 SGB IX); den Teilhabeplan erstellt allerdings der Leistungsträger.

Beschränkt wird das Wunsch- und Wahlrecht fast immer auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (aber nicht Sparsamkeit und Angemessenheit, doch das ist nicht zur Gänze verloren gegangen mit dem BTHG). Was man „vernünftigerweise von der Gesellschaft“ beanspruchen kann, wird dagegen gesetzt, um so manchen Höhenflug wieder ein wenig Bodenhaftung zu verschaffen. Wenn also etwas nicht zu den „berechtigten Wünschen“ zählt (§ 8 Abs. 1 S. 1 SGB IX), muss man sich womöglich von seinen Wünschen lösen, so die Befürchtungen.

 

Zugang erhalten und Räume erschließen.

Zu unterscheiden ist einerseits zwischen den einzelnen Leistungsgesetzen, die bestimmte Ziele unterstützen wollen. Bewegt man sich also auf dieser Grundlage, z.B. es geht um die Eingliederung in die Arbeitswelt, dann kann man nicht mit Wünschen kommen, die sich um die soziale Teilhaben drehen. Besteht bereits ein Leistungsangebot, kann man darauf drängen, dass einem der Zugang verschafft wird (Teilhaberecht). Aber in diesen Leistungsgesetzen sind auch klare Richtlinien definiert, die zur Ablehnung von so manchem Wunschdenken dienen (vgl. § 104 Abs. 2 S. 2 SGB IX). Bewegt man sich dagegen in einem Raum, der so gar kein Angebot bereithält, muss etwas Neues erschaffen werden (Originärer Leistungsanspruch). Die Pflicht des Leistungsträgers, ein Leistungsangebot (final) passend zum Bedarf des behinderten und benachteiligten Menschen herzustellen, schränkt den Ermessensspielraum ein. Man darf nicht die Bedürfnisse des Leistungsberechtigten „verbiegen“, weil man im eigenen Angebot etwas „günstiges“ vorrätig hat. Nicht vergessen: Das Wirtschaftlichkeitsgebot folgt der konkretisierten Leistungspflicht.

Dieses Instrument könnte meines Erachtens durchaus als eine Leistung der Sozialen Teilhabe nach §§ 76 ff. SGB IX angesehen werden, aber nicht exklusiv vom anderen Geschehen. Die Zukunftsplanung wäre eine Assistenzleistung (§ 78 Abs. 1), um die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, wenn sie denn gebraucht wird. Sie würde also in der üblichen, vereinbarten Leistung enthalten sein und mithelfen bei der Konkretisierung des nächsten Teilhabeplans, auch wenn es so nicht ausdrücklich drin stehen würde. Sie käme jedenfalls nicht „obendrauf“ bei Vergütungsverhandlungen zwischen Leistungserbringern und Leistungsträgern.

Außerhalb dieses Bereichs, also im Unterfangen der Eltern und der Kinder, könnte es dagegen anders aussehen, wenn ein Leistungsträger den Wunsch versteht und das Wollen akzeptiert. 

CGS

 

 

Quellen:

Netzwerk Persönliche Zukunftsplanung e.V.

Persönliche Zukunftsplanung - Qualitätsoffensive Teilhabe

Persönliche Zukunftsplanung – Lebenshilfe

Online-Handbuch: Inklusion als Menschenrecht

(letzter Aufruf der Quellen am 17.1.2024) 

 

Bild zum Beitrag vom BING Image Creator erzeugt.

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