Mittwoch, 21. Februar 2024

Finanzen – Muss man als gemeinnütziges Unternehmen seine freien Mittel unbedingt in nachhaltige Geldanlagen stecken?

Eine Bank warb neulich mit dieser Begründung für nachhaltige Investments:

“Das Gemeinnützigkeitsrecht in der Abgabenordnung legt fest, dass Mittel einer Körperschaft nur für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden dürfen. In der Praxis bedeutet dies, dass Investitionen und Ausgaben im Einklang mit den Organisationszielen stehen sollten.”

Ein paar Gedanken dazu, aber vorher geht es um die gesetzlichen Grundlagen zur Gemeinnützigkeit und den Begriffen, mit denen man schließlich zu den Einsichten gelangt.

[In diesem Beitrag geht es nicht um spezielle Geldanlagen, sondern um diese Werbeaussage.]

 

Wo sich die Grundlagen finden lassen

Im dritten Abschnitt der Abgabenordnung (§§ 51 ff. AO) sind die Bestimmungen zur Gemeinnützigkeit zu finden. Gemeinnützig bedeutet, dass eine Geschäftstätigkeit von Personenvereinigungen oder Kapitalgesellschaften (zusammengefasst als Körperschaften) dem Gemeinwohl dient. Es ist daher immer auf eine überindividuelle Gemeinschaft bezogen und grenzt sich von Einzel- oder Gruppeninteressen ab. Legal definiert ist die Gemeinnützigkeit in § 52 Abs. 1 AO. Dort steht: „eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.“ Aus diesem Grund können alle Arten von Organisationen sich diesen besonderen steuerlichen Status anerkennen lassen, nicht nur das klassische ehrenamtliche oder bürgerschaftliche Engagement in Vereinen. Zum Beispiel können sich privat geführte Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) diese Rechtsform zuerkennen lassen und dann als eine “gGmbH” firmieren.  (vgl. dazu § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG und § 3 Nr. 6 GewStG).

Ausgangspunkt dafür sind zum einen die (als gemeinnützig festgestellte und damit anerkannte) Satzung der Körperschaft sowie die tatsächliche Geschäftstätigkeit mit der Gemeinwohlorientierung zum Ziel (vgl. dazu §§ 59, 60 AO sowie § 51 Abs. 3 AO i.V.m. § 4 BVerfSchG, § 1 SGB I und Art. 1 und Art. 3 GG). Das mit der “tatsächlichen Geschäftsführung” sollte schon sehr eng betrachtet werden, wobei ein Verstoß nicht unbedingt geahndet wird (vgl. § 63 Abs. 1 und Abs. 3 AO). In Hamburg hatte zwar vor vielen Jahren die Sozialbehörde die vertragliche Beziehung mit einer religiösen Sekte untersagt; ob es dazu nun Vorfälle gab, ist wiederum nicht bekannt. Das Ideal wäre, wenn eine Körperschaft, zu der auch Personenvereinigungen gehören, sich selbst Richtlinien geben würde (Stichworte: Ethische Prinzipien, Corporate Governance, Anlagerichtlinien).

Die Mittel, die in der Geschäftstätigkeit eingeworben wurden, sind grundsätzlich zeitnah zu verwenden, doch auch da gibt es ein paar Regeln zu beachten (vgl. §§ 61 Abs. 4 und 62 AO). Diese Regeln sollen einer Körperschaft dazu dienen, eine Rücklage ansparen helfen für größere Investitionsprojekte (Projektrücklage), wiederkehrende Ausgaben des laufenden Betriebs sicherzustellen (Betriebsmittelrücklage) und sogar eine Rücklage zur freien Verwendung zu bilden (Vermögensverwaltung). Die freie Rücklage dient somit in erster Linie dazu, die finanziellen Reserven zu bilden, damit in Zeiten von Fehlbeträgen sozusagen eine Zwischenfinanzierung oder Überbrückung vielleicht sogar aus den Erträgen erfolgen kann. Die Bildung einer freien Rücklage stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der zeitnahen Mittelverwendung dar.

 

Zu welchen Einsichten man gelangen sollte

Die Mittelverwendung aus der Werbung “nur für satzungsgemäße Zwecke” ist streng genommen so nicht richtig, da der Zweck der Vermögensverwaltung (und Vermögensbildung) keinen Vorrang hat in der Satzung der Körperschaft - wie gesagt handelt es sich hier um eine Ausnahme. Doch man kann durchaus damit argumentieren, dass die Vermögensbildung sich immer den satzungsgemäßen Zwecken unterordnen muss, wie man das auch von Zweckbetrieben sagen kann (vgl. § 65 AO).

Der zweite Satz der Werbung nimmt dagegen eine viel bedeutendere Stellung ein, weil die tatsächliche Geschäftsführung sich über die getätigten Investitionen und Ausgaben gut ablesen lassen kann — und die Finanzbehörden genau das prüfen wollen (aber nicht im Detail tun).

Das bedeutet somit in der weiteren Konsequenz, dass auch Entscheidungen im Bereich der Vermögensverwaltung diesen Grundsätzen folgen müssten. Hilfreich wäre es, wenn es dazu Richtlinien geben würde, aber in sehr vielen Fällen vertraut man Fachleuten aus dem Finanz- und Bankenwesen. Und dann kann es sehr gut sein, dass nicht alles, was da im Depot steht, den hohen Erwartungen entspricht. 

Nachhaltigkeit ist zum Mode-Wort verkommen. Die Finanzwelt hat bereits eine Reihe von sogenannten nachhaltigen “grünen” Investmentfonds herausgebracht und wirbt mit einer Vielzahl an verschiedenen Gütesiegeln. Was nun wirklich hinter so einer Geldanlage steckt, ist häufig genug nicht zu erkennen, und genau das wäre ein Kriterium, um sich nach außen hin als eine Geschäftsführung zu zeigen, die auch in der Vermögensverwaltung die Ziele der gemeinnützigen Körperschaft verfolgt. Derzeit wird an den rechtlichen Rahmenbedingungen zur nachhaltigen Geldanlage noch gearbeitet, heißt es. Ob es solche verbindlichen Grundlagen geben wird, ist allerdings nur bedingt zu glauben (siehe unten zur EU-Offenlegungsverordnung) – nicht alle Anleger müssen diese “zwangsweise” beachten, wenn sie gemeinnützig bleiben wollen. Doch selbst wenn: Geldanlage muss sicher und rentabel sein.

Grundsätzlich kann man eigentlich nur von zwei Arten der Vermögensverwaltung sprechen: die institutionelle VV (als Fremd-Dienstleistung) und die private Geldverwaltung. Als Geschäftsführung einer gemeinnützigen Körperschaft sollte es nur die institutionelle VV geben, die von einer (Haus-) Bank, einem Honorar-Vermögensverwalter oder einem Fonds angeboten wird. Befindet sich in der Körperschaft ein entsprechendes Know-How, kann auch eine andere Lösung (man macht es sozusagen selbst) zum Einsatz kommen. In beiden Fällen braucht es allerdings eine Anlagerichtlinie als Basis für das Management und die kritische Überprüfung durch den Auftraggeber – und daran fehlt es viel zu oft, das wäre die Erfüllung einer guten tatsächlichen Geschäftsführung.

CGS

 

 

Quellen:

Bundesjustizministerium

Mustersatzung eines gemeinnützigen Vereins (bmj.de)

 

Justizministerium des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen

NRW-Justiz: Muster: Satzung eines gemeinnützigen Vereins

 

(letzter Aufruf am 5.2.2024)

 

Notizen:

1.

Mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaschutzabkommens hat sich die Europäische Union dazu verpflichtet, die darin festgelegten Klimaziele zu erreichen und eine nachhaltigere Wirtschaft und Gesellschaft zu fördern. Die notwendigen jährlichen Investitionen, die in den hohen Milliardenbereich gehen, können jedoch nicht ausschließlich von der Regierung getragen werden. Daher wurde am 27. November 2019 die Offenlegungsverordnung in Kraft gesetzt. Diese EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor zielt darauf ab, durch erhöhte Transparenz und standardisierte Offenlegungsanforderungen im Finanzsektor, die Finanzströme in Richtung einer klimaresistenten und treibhausgasarmen Entwicklung zu lenken.

Finanzdienstleister können auf vielfältige Weise zur Erreichung der Klimaziele beitragen. Sie können nachhaltige Projekte und Unternehmen finanzieren, ihre eigenen Emissionen berechnen und reduzieren, ihre Mitarbeiter in Bezug auf den Klimaschutz schulen und aktivieren, direkt in Klimaschutzprojekte investieren und Transparenz durch Offenlegung ihrer nachhaltigen Investitionen und Praktiken schaffen. Die Rolle der Finanzdienstleister bei der Erreichung der Klimaziele wird immer wichtiger, insbesondere da die Europäische Union festgestellt hat, dass der Finanzsektor eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung der jährlich notwendigen 180 Milliarden Euro spielt, die zur Erreichung ihrer Klima- und Energieziele benötigt werden.

2.

Non-Profit-Organisationen (NPOs) stehen vor mehreren Herausforderungen bei der Erwirtschaftung eigener Erträge. Das aktuelle niedrige Zinsniveau stellt eine besondere Herausforderung dar, da die Erträge aus den Finanzmitteln für eine Stiftung im wahrsten Sinne des Wortes Mittel zum Zweck sind. Darüber hinaus sind NPOs rechtlich zwischen Stiftungsrecht und Gemeinnützigkeitsrecht eingebettet, was ihre Fähigkeit zur Ertragsgenerierung einschränken kann. Ein weiterer Faktor ist die Abhängigkeit von der Mitteleinwerbung, da eine NPO erst die notwendigen Finanzressourcen durch einen Leistungsvertrag oder Fundraising sichert, bevor die Leistung erbracht wird und Kosten entstehen. Schließlich kann ein Mangel an Kostenmanagement dazu führen, dass NPOs nach dem Prinzip handeln, dass nachdem die Finanzmittel eingeworben wurden, geschaut wird, wie viel vorhanden ist, und diese Mittel dann eingesetzt werden. Dies entspricht jedoch nicht den Prinzipien eines planmäßigen, zielorientierten und systematischen Managements. Diese Faktoren können dazu führen, dass NPOs Schwierigkeiten haben, eigene Erträge zu erwirtschaften. Es ist daher wichtig, dass NPOs effektive Strategien entwickeln, um diese Herausforderungen zu bewältigen und ihre finanzielle Nachhaltigkeit zu sichern.

Und erst dann kann die Vermögensverwaltung angegangen werden.

3.

Zweck

Der gemeinnützige Zweck hat Vorrang. 

Ein Zweckbetrieb kann kommerziell nebenher eingesetzt werden.

Man steht in Konkurrenz zu anderen Geschäftsbetrieben.

Strategie

primärer Betriebszweck ist essentiell

gemischtes Vorgehen möglich

betriebswirtschaftliche Professionalität ist unbedingt erforderlich.

Risiko

Behördliche Akteure können mithelfen, Zuwendungen und Zuschüsse werden gebraucht (Überlebenskampf).

Man kann Nebeneffekte erzielen, sich aber auch vertun. Eine Risiko-Diversifikation findet nicht statt.

Ein regelmäßiges und gut geführtes Berichtswesen ist sehr erforderlich. Risiken müssen diversifiziert werden.

 

 

 

Bild zum Beitrag vom BING Image Creator erzeugt.

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