Dienstag, 20. Februar 2018

(Re-Post) Was ist, wenn es mit dem Trägerbudget nicht mehr klappt?

Anlässlich des jetzt anstehenden Fachkongresses der Trägerbudget-Nehmer in Hamburg habe ich mir meine, vor recht langer Zeit gemachten Überlegungen noch einmal angesehen. Warum es zu diesen Rahmenvereinbarungen mit Trägerbudget überhaupt gekommen ist, habe ich in meinem letzten Beitrag noch einmal wiederholt. Jetzt, mit diesem Fachkongress, wird man sich wohl ausgiebig selbstlobend auf die Schultern klopfen; was war das doch für eine gute Idee.

Selbstlob ist aber nicht alles. Die zugrundeliegenden Rahmenvereinbarungen finden in diesem Jahr ihr offizielles Ende bzw. sie könnten jetzt gekündigt werden. Darum kommt diesem Fachkongress eigentlich die Bedeutung einer Auftaktveranstaltung zu Vergütungsverhandlungen gleich, da es jetzt um die weitere Zukunft dieses Vergütungsmodells geht. Die Leistung  an sich ist nur vorgeschobener Grund. Es ist zwar richtig, dass sich aufgrund dieser Rahmenverträge mit einem festgeschriebenen (fixen) Finanzierungsvolumens einiges an Kreativität auftat. Doch auch bei sehr vielen anderen Trägern hat sich etwas getan, was man aber eher in den Dunstkreis der Diskussionen um „Teilhaben, Teilsein & Teilnehmen“ und dem Bundesteilhabegesetz (insbesondere Reform der Eingliederungshilfe) verorten kann.

Bevor  man aber in die Verhandlungen über neue Trägerbudgets geht, was wäre die Alternative? Und bevor man dazu kommt, wäre die Frage vorrangig zu beantworten, wie man aus solchen Verträgen wieder herauskommt.

Wahrscheinlich wird es weitergehen, und vermutlich werden sich wieder neue Interessenten finden für dieses „institutsorientierte“ Vergütungsmodell. Darum sind diese ganzen Fragen eigentlich nur hypothetisch. 



Mit Gesprächen möglichen Konflikten begegnen

Ein Trägerbudget muss nicht für immer sein, aber wenn man von außen darauf schaut, kann einem dieser Gedanke schon kommen. Immerhin sind auf Jahre hinaus die Erlöse daraus gesichert und müssen nicht immer wieder neu verhandelt werden. Das bedeutet Planungssicherheit.

Die Vereinbarung über ein Trägerbudget ist Bestandteil einer Rahmenvereinbarung, die eine Gesamtvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII a.F. (somit vor BTHG!) „umrahmt“. Das eigentliche Leistungswerk bleibt dementsprechend mitsamt seinen Einzelvereinbarungen unberührt.

Beide Parteien führen regelmäßige Gespräche, um mögliches Konfliktpotential aus der Anwendung der Rahmenvereinbarung, die letztlich mit dem Trägerbudget bezahlt wird, frühzeitig zu erkennen und zu lösen. Aus diesem Grund müssen beide Seiten eine gewisse Transparenz leben, um die Gesprächsbereitschaft hoch zu halten. Weder ist dem Sozialhilfeträger damit gedient, wenn Einrichtungsträger ihre Kapazitäten bewusst senken, noch haben letztere etwas davon, wenn der Sozialhilfeträger die Zuweisung von leistungsberechtigten Menschen erhöht.

Weil es aber dennoch Konflikte in der Leistungserbringung gibt, hatte man sich seinerzeit die Unterstützung der Hamburger L.A.G. für behinderte Menschen (LAG) gesichert und eine Ombudsstelle Eingliederungshilfe Hamburg ins Leben gerufen. Die LAG sieht sich als eine Vertreterin der Interessen von Menschen mit Behinderungen (Leistungsberechtigten) und arbeitet in einer „Praxisgruppe“ zusammen mit Vertretern der Leistungserbringer (nur Trägerbudget-Nehmern) und dem Fachamt Eingliederungshilfe (als Leistungsträger) an Lösungen (siehe hierzu auch meinen Beitrag vom 3.2.2018).

Was diese Konflikte in der Leistungserbringung anbelangt, es können mehrere Gründe vorliegen, die nicht zwingend eine Folge des Trägerbudgets sind.

Die LAG veröffentlichte jetzt über ihre Arbeit einen Jahresbericht, aus dem die verschiedenen „Konflikt-Herde“ einigermaßen gut hervorgehen. Dass es so eine Stelle gibt, die die Menschen mit Behinderungen unterstützt, ist sehr hilfreich und ein Zugewinn für alle Beteiligten. Von daher steht an erster Stelle: das Gespräch miteinander.


Was tun, wenn es mit Gesprächen nicht weitergeht?

Doch es kann passieren, dass Gespräche nicht mehr stattfinden und eine Entscheidung herbeigeführt werden muss. In so einem Fall würde es noch immer die Schiedsstelle nach § 80 SGB XII geben. Da aber eine Schiedsstelle auch mit Vertretern „von den Vereinigungen der Träger der Einrichtungen“ (d.h. Verbände) besetzt ist und diese mögliche Details über ein ansonsten als Verschlusssache eingestuftes Trägerbudget erfahren würden, wird es vielleicht erst gar nicht zu einem solchen Verfahren kommen.

Ein Leistungserbringer hatte sehr früh und recht offen über sein Trägerbudget-Zustandekommen mit der Hamburger Sozialbehörde berichtet und sogar Zahlen veröffentlicht. Damit wäre es kein großer „Geheimnisverrat“ für diesen und der Weg zur Schiedsstelle relativ unbelastet. Bei anderen Trägern wäre diese Leichtigkeit noch fraglich.

Die Schiedsstelle müsste also entscheiden, die Rahmenvereinbarung mit dem Trägerbudget würde allerdings fortbestehen.


Ein Recht auf außerordentliche Kündigung

Es wäre ein langer Weg, bevor man eine Kündigung in Erwägung ziehen würde. Und es könnte zudem auch etwas kompliziert werden – besonders in der weiteren Zukunft, wenn die Reform der Eingliederungshilfe vorangeschritten ist. Die Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII a.F. beziehen sich nunmehr auf zwei relativ getrennte Bereiche. Es geht um Leistungen der Eingliederungshilfe (SGB IX) und dann um Hilfen zum Lebensunterhalt (SGB XII). Im Falle einer Kündigung müsste meines Erachtens erst einmal geprüft werden, welches Recht zur Anwendung kommt.

Damals wie heute steht aber nach wie vor dem Leistungsträger (d.h. Sozialhilfeträger) gem. § 78 SGB XII ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Weil dem Grunde nach die Leistungen dennoch weiter erbracht werden müssen, kann eine solche außerordentliche Kündigung erst bei gravierenden Mängeln in der Leistungserbringung oder bei einem Verstoß nach heimrechtlichen Vorschriften ausgesprochen werden. Dies wird sehr wahrscheinlich aber nicht passieren.

Umgekehrt wäre es aber möglich, dass ein Leistungserbringer unzufrieden ist mit der finanziellen Ausstattung seines Trägerbudgets. Gerade dann, wenn das wirtschaftliche Fortbestehen des Unternehmens gefährdet ist, die Erlöse nicht mehr ausreichen und die Rücklagen angebrochen werden müssen, muss eine Alternative her. So eine Alternative wäre das relativ neue Hamburger Kalkulationsverfahren.

Man wird in erster Linie versuchen, das Vertragswerk anzupassen (vgl. § 59 SGB X), also wieder Gespräche führen, und die „Störung der Geschäftsgrundlage“ versuchen zu beseitigen (siehe auch §§ 275, 313 BGB). Dann würde es weiterhin eine Art „2-Klassen-Leistungserbringerschaft“ geben, die so ganz ohne Bezugspunkt zu den neuen Landesrahmenverträgen über Leistungen der Eingliederungshilfe und denen der Sozialhilfe fortbestehen muss. Ein ziemlich „rechtsfreier Raum“, würde ich mal sagen.


Was passieren könnte, wenn die Kündigung angenommen wird

Theoretisch könnte es nun sein, dass die begründete Kündigung, die außerdem der Schriftform bedarf, tatsächlich angenommen wird (§ 59 Abs. 2 SGB X). Was dann?

Gekündigt werden müsste die Rahmenvereinbarung, damit nur noch die alte Gesamtvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII a.F. zur Anwendung kommt. Es müsste allerdings damit gerechnet werden, dass die Gegenseite diese Gesamtvereinbarung dann zurück kündigt. Wie auch immer es in diesem Moment aussieht, maßgeblich für den Ansatz von Vergütungen für eine weiterhin bestehende Leistungserbringung wären die zuletzt vereinbarten Vergütungssätze (Vergütungsvereinbarung, Anlage 2 der Gesamtvereinbarung), weil es in § 77 Abs. 2 S. 4 SGB XII heißt:

„Nach Ablauf des Vereinbarungszeitraums gelten die vereinbarten oder festgesetzten Vergütungen bis zum Inkrafttreten neuer Vergütungen weiter.“

Es soll zwar so gewesen sein, dass man die alten Vergütungsvereinbarungen fortgeschrieben hat, doch sie passen ganz und gar nicht in das seit 2015 bestehende Hamburger Kalkulationsverfahren. In diesem Verfahren hatte man die Kosten der Fachleistung ermittelt anhand der jeweiligen Tarifbindung. Wenn jetzt ein gekündigter / kündigender Leistungserbringer in eine Tarifgruppe fällt, deren Durchschnittskosten viel geringer ausfallen als die eigenen, tatsächlichen Durchschnitts-Personalkosten, entsteht ein erhebliches Kostenrisiko. Da zudem für alle anderen Kostenarten nicht mehr eine Einzelkalkulation zur Anwendung kommt, somit auch nur Durchschnittsbeträge angesetzt werden, könnte es auch hier eine Deckungslücke geben.

Mit diesen Durchschnittskosten steht und fällt es.

Um ihr hohes Vergütungsniveau abzusichern und Planungssicherheit zu gewinnen, hatten sich die Trägerbudget-Nehmer mit der Hamburger Sozialbehörde einigen können. Alle anderen Leistungserbringer wurden gezwungen, sich in das neue Hamburger Kalkulationsverfahren zu begeben. Für sehr viele bedeutete es „bestenfalls“ einen Stillstand bei den Umsatzerlösen, aber meistens eine erhebliche Umstrukturierung. Doch es gab auch Gewinner, weil mit dem neuen Verfahren Durchschnitts-Vergütungen vereinbart wurden und einige Leistungserbringer sogar über den Durchschnitt gelangten.

Dies könnte sich also auch bei den Trägerbudget-Nehmern so abspielen, weil sie dann mit einem Durchschnitt auskommen müssen.


CGS




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