Anlässlich des
jetzt anstehenden Fachkongresses der Trägerbudget-Nehmer in Hamburg habe ich
mir meine, vor recht langer Zeit gemachten Überlegungen noch einmal angesehen. Warum
es zu diesen Rahmenvereinbarungen mit Trägerbudget überhaupt gekommen ist, habe
ich in meinem letzten Beitrag noch einmal wiederholt. Jetzt, mit diesem
Fachkongress, wird man sich wohl ausgiebig selbstlobend auf die Schultern
klopfen; was war das doch für eine gute Idee.
Selbstlob ist aber
nicht alles. Die zugrundeliegenden Rahmenvereinbarungen finden in diesem Jahr
ihr offizielles Ende bzw. sie könnten jetzt gekündigt werden. Darum kommt
diesem Fachkongress eigentlich die Bedeutung einer Auftaktveranstaltung zu
Vergütungsverhandlungen gleich, da es jetzt um die weitere Zukunft dieses
Vergütungsmodells geht. Die Leistung an
sich ist nur vorgeschobener Grund. Es ist zwar richtig, dass sich aufgrund
dieser Rahmenverträge mit einem festgeschriebenen (fixen) Finanzierungsvolumens
einiges an Kreativität auftat. Doch auch bei sehr vielen anderen Trägern hat
sich etwas getan, was man aber eher in den Dunstkreis der Diskussionen um „Teilhaben,
Teilsein & Teilnehmen“ und dem Bundesteilhabegesetz (insbesondere Reform
der Eingliederungshilfe) verorten kann.
Bevor man aber in die Verhandlungen über neue
Trägerbudgets geht, was wäre die Alternative? Und bevor man dazu kommt, wäre die
Frage vorrangig zu beantworten, wie man aus solchen Verträgen wieder
herauskommt.
Mit Gesprächen
möglichen Konflikten begegnen
Ein Trägerbudget muss nicht für immer sein, aber wenn man
von außen darauf schaut, kann einem dieser Gedanke schon kommen. Immerhin sind
auf Jahre hinaus die Erlöse daraus gesichert und müssen nicht immer wieder neu
verhandelt werden. Das bedeutet Planungssicherheit.
Die Vereinbarung über ein Trägerbudget ist Bestandteil
einer Rahmenvereinbarung, die eine Gesamtvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII
a.F. (somit vor BTHG!) „umrahmt“. Das eigentliche Leistungswerk bleibt
dementsprechend mitsamt seinen Einzelvereinbarungen unberührt.
Beide Parteien führen regelmäßige Gespräche, um mögliches
Konfliktpotential aus der Anwendung der Rahmenvereinbarung, die letztlich mit
dem Trägerbudget bezahlt wird, frühzeitig zu erkennen und zu lösen. Aus diesem
Grund müssen beide Seiten eine gewisse Transparenz leben, um die
Gesprächsbereitschaft hoch zu halten. Weder ist dem Sozialhilfeträger damit
gedient, wenn Einrichtungsträger ihre Kapazitäten bewusst senken, noch haben letztere
etwas davon, wenn der Sozialhilfeträger die Zuweisung von leistungsberechtigten
Menschen erhöht.
Weil es aber dennoch Konflikte in der Leistungserbringung
gibt, hatte man sich seinerzeit die Unterstützung der Hamburger L.A.G. für
behinderte Menschen (LAG) gesichert und eine Ombudsstelle
Eingliederungshilfe Hamburg ins Leben gerufen. Die LAG sieht sich als eine
Vertreterin der Interessen von Menschen mit Behinderungen (Leistungsberechtigten)
und arbeitet in einer „Praxisgruppe“ zusammen mit Vertretern der
Leistungserbringer (nur Trägerbudget-Nehmern) und dem Fachamt
Eingliederungshilfe (als Leistungsträger) an Lösungen (siehe hierzu auch meinen
Beitrag vom 3.2.2018).
Was diese Konflikte in der Leistungserbringung anbelangt,
es können mehrere Gründe vorliegen, die nicht zwingend eine Folge des
Trägerbudgets sind.
Die LAG veröffentlichte jetzt über ihre Arbeit einen
Jahresbericht, aus dem die verschiedenen „Konflikt-Herde“ einigermaßen gut
hervorgehen. Dass es so eine Stelle gibt, die die Menschen mit Behinderungen
unterstützt, ist sehr hilfreich und ein Zugewinn für alle Beteiligten. Von
daher steht an erster Stelle: das Gespräch miteinander.
Was tun, wenn es
mit Gesprächen nicht weitergeht?
Doch es kann passieren, dass Gespräche nicht mehr
stattfinden und eine Entscheidung herbeigeführt werden muss. In so einem Fall
würde es noch immer die Schiedsstelle nach § 80 SGB XII geben. Da aber eine
Schiedsstelle auch mit Vertretern „von den Vereinigungen der Träger der
Einrichtungen“ (d.h. Verbände) besetzt ist und diese mögliche Details über ein
ansonsten als Verschlusssache eingestuftes Trägerbudget erfahren würden, wird
es vielleicht erst gar nicht zu einem solchen Verfahren kommen.
Ein Leistungserbringer hatte sehr früh und recht offen
über sein Trägerbudget-Zustandekommen mit der Hamburger Sozialbehörde berichtet
und sogar Zahlen veröffentlicht. Damit wäre es kein großer „Geheimnisverrat“
für diesen und der Weg zur Schiedsstelle relativ unbelastet. Bei anderen
Trägern wäre diese Leichtigkeit noch fraglich.
Die Schiedsstelle müsste also entscheiden, die
Rahmenvereinbarung mit dem Trägerbudget würde allerdings fortbestehen.
Ein Recht auf
außerordentliche Kündigung
Es wäre ein langer Weg, bevor man eine Kündigung in
Erwägung ziehen würde. Und es könnte zudem auch etwas kompliziert werden –
besonders in der weiteren Zukunft, wenn die Reform der Eingliederungshilfe
vorangeschritten ist. Die Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII a.F. beziehen
sich nunmehr auf zwei relativ getrennte Bereiche. Es geht um Leistungen der
Eingliederungshilfe (SGB IX) und dann um Hilfen zum Lebensunterhalt (SGB XII). Im
Falle einer Kündigung müsste meines Erachtens erst einmal geprüft werden,
welches Recht zur Anwendung kommt.
Damals wie heute steht aber nach wie vor dem
Leistungsträger (d.h. Sozialhilfeträger) gem. § 78 SGB XII ein
außerordentliches Kündigungsrecht zu. Weil dem Grunde nach die Leistungen dennoch
weiter erbracht werden müssen, kann eine solche außerordentliche Kündigung erst
bei gravierenden Mängeln in der Leistungserbringung oder bei einem Verstoß nach
heimrechtlichen Vorschriften ausgesprochen werden. Dies wird sehr
wahrscheinlich aber nicht passieren.
Umgekehrt wäre es aber möglich, dass ein
Leistungserbringer unzufrieden ist mit der finanziellen Ausstattung seines
Trägerbudgets. Gerade dann, wenn das wirtschaftliche Fortbestehen des
Unternehmens gefährdet ist, die Erlöse nicht mehr ausreichen und die Rücklagen
angebrochen werden müssen, muss eine Alternative her. So eine Alternative wäre
das relativ neue Hamburger Kalkulationsverfahren.
Man wird in erster Linie versuchen, das Vertragswerk
anzupassen (vgl. § 59 SGB X), also wieder Gespräche führen, und die „Störung
der Geschäftsgrundlage“ versuchen zu beseitigen (siehe auch §§ 275, 313 BGB). Dann
würde es weiterhin eine Art „2-Klassen-Leistungserbringerschaft“ geben, die so
ganz ohne Bezugspunkt zu den neuen Landesrahmenverträgen über Leistungen der
Eingliederungshilfe und denen der Sozialhilfe fortbestehen muss. Ein ziemlich „rechtsfreier
Raum“, würde ich mal sagen.
Was passieren
könnte, wenn die Kündigung angenommen wird
Theoretisch könnte es nun sein, dass die begründete Kündigung,
die außerdem der Schriftform bedarf, tatsächlich angenommen wird (§ 59 Abs. 2
SGB X). Was dann?
Gekündigt werden müsste die Rahmenvereinbarung, damit nur
noch die alte Gesamtvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII a.F. zur Anwendung
kommt. Es müsste allerdings damit gerechnet werden, dass die Gegenseite diese
Gesamtvereinbarung dann zurück kündigt. Wie auch immer es in diesem Moment
aussieht, maßgeblich für den Ansatz von Vergütungen für eine weiterhin
bestehende Leistungserbringung wären die zuletzt vereinbarten Vergütungssätze
(Vergütungsvereinbarung, Anlage 2 der Gesamtvereinbarung), weil es in § 77 Abs.
2 S. 4 SGB XII heißt:
„Nach Ablauf des Vereinbarungszeitraums gelten die
vereinbarten oder festgesetzten Vergütungen bis zum Inkrafttreten neuer
Vergütungen weiter.“
Es soll zwar so gewesen sein, dass man die alten
Vergütungsvereinbarungen fortgeschrieben hat, doch sie passen ganz und gar
nicht in das seit 2015 bestehende Hamburger Kalkulationsverfahren. In diesem
Verfahren hatte man die Kosten der Fachleistung ermittelt anhand der jeweiligen
Tarifbindung. Wenn jetzt ein gekündigter / kündigender Leistungserbringer in
eine Tarifgruppe fällt, deren Durchschnittskosten viel geringer ausfallen als
die eigenen, tatsächlichen Durchschnitts-Personalkosten, entsteht ein
erhebliches Kostenrisiko. Da zudem für alle anderen Kostenarten nicht mehr eine
Einzelkalkulation zur Anwendung kommt, somit auch nur Durchschnittsbeträge
angesetzt werden, könnte es auch hier eine Deckungslücke geben.
Mit diesen Durchschnittskosten steht und fällt es.
Um ihr hohes Vergütungsniveau abzusichern und
Planungssicherheit zu gewinnen, hatten sich die Trägerbudget-Nehmer mit der
Hamburger Sozialbehörde einigen können. Alle anderen Leistungserbringer wurden
gezwungen, sich in das neue Hamburger Kalkulationsverfahren zu begeben. Für
sehr viele bedeutete es „bestenfalls“ einen Stillstand bei den Umsatzerlösen,
aber meistens eine erhebliche Umstrukturierung. Doch es gab auch Gewinner, weil
mit dem neuen Verfahren Durchschnitts-Vergütungen vereinbart wurden und einige
Leistungserbringer sogar über den Durchschnitt gelangten.
Dies könnte sich also auch bei den Trägerbudget-Nehmern
so abspielen, weil sie dann mit einem Durchschnitt auskommen müssen.
CGS
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