Budgets müssen
grundsätzlich einen gegenseitigen Nutzen einbringen, so ein Verhandler vor
einigen Jahren zum Thema Trägerbudget.
Dass beide Seiten
ein gewisses Maß an Sicherheit wollen, ist natürlich verständlich. Der Grund
für ein solches Bedürfnis nach Sicherheit kann darin bestehen, dass sich
strukturell etwas sehr verändern muss: z.B. der Abbau von Stellen, das
Ausprobieren neuer Leistungsformen, ein neuartiges Konzept.
Solche
Vereinbarungen zielen darauf ab, die Leistungserbringung zu verändern. Man
nimmt also die Bedürfnisse der leistungsberechtigten Menschen in den Blick, und
doch geht es nicht um die eigentliche Leistungserbringung, sondern rein um die
Bezahlung einer solchen – und der Finanzierung von Strukturen der
Leistungsanbieter.
Oder anders
gesprochen: Es geht nicht um die Leistungsqualität, denn die orientiert sich
nach den gesetzlich bestimmten Ansprüchen (§§ 53, 54 ff. SGB XII a.F. und § 9
SGB XII; und jetzt auch § 1 SGB IX). Sie ist immer zu gewährleisten von den
Leistungserbringern, ein Abweichen von diesen „Standards“ kann es nicht geben. Bei
den Verhandlungen um ein Trägerbudget geht es nur ums Geld.
Verhandlungen um
ein Trägerbudget als Ausweg aus einer Sackgasse
In 2014 waren die Verhandlungen um die Trägerbudgets,
über die nun ein Fachkongress geführt wurde, abgeschlossen. Doch es fand sich ein
Interesse bei vielen anderen Leistungserbringern. Auch bei diesen herrschte ein
hohes Maß an Unsicherheit, so dass man in den Trägerbudgets eine Alternative
sah. Eine solche Form der einrichtungsbezogenen Finanzierung widersprach zwar
der Personenzentrierung und dem Grundsatz der leistungsgerechten (variablen)
Vergütung, etwas anderes erschien aber nicht verhandelbar.
Seinerzeit waren die Verhandlungen zudem geprägt vom
Leitgedanken der „Ambulantisierung“, was so viel bedeutete, stationäre
Wohneinrichtungen zurückzubauen in Wohnungen, die vermietet werden sollten an
die ehemaligen Bewohner. Man sprach auch von „Umwandlung“, aber im Endeffekt
wäre eine stationäre Wohneinrichtung komplett abgeschafft worden –
einschließlich des Personals. Bestenfalls hätte man als Leistungserbringer
einen Teil dieser Stellen in einen ambulanten Dienst übernehmen können. Doch
weil das Vergütungsniveau niedrig und die Fachkraftquote nicht umsetzbar war, befand
man sich wieder in einer Sackgasse. Ein Trägerbudget hätte dagegen ein
Hinwegsehen ermöglicht über solche kleinlichen Besonderheiten in der
Leistungserbringung.
Für die Hamburger Sozialbehörde gab es aber kein
Erfordernis, weitere Trägerbudgets zu vereinbaren. Mit den größten
Leistungserbringern hatte man ohnehin einen Großteil des „Marktes“ gesichert, so
dass man die Insolvenz z.B. eines kleineren Einrichtungsträgers mit den
Überkapazitäten bei den Großen hätte kompensieren können. Es gab also kein
Risiko mehr, so dass man in Ruhe ein Kalkulationsverfahren entwickeln konnte,
dass die Fachleistung von der Grundsicherung trennte. Und wer sich dennoch
traute, sollte erst einmal Ideen beibringen, wie Leistungserbringung aussehen
wird.
Den Sozialraum zu
entwickeln, um eine individuell-angepasste Leistungserbringung zu schaffen
Die großen Trägerbudget-Nehmer arbeiteten weiter an einer
Umwandlung von stationären Wohneinrichtungen in Wohngemeinschaften mit ambulanter
Betreuung. Neue Wohnkonzepte, die eine Verselbständigung der Bewohner zum Ziel
hatten, wurden ausprobiert. Dass es dabei Probleme gab, war zu erwarten. Was heute
als „Autonomie und Teilhabe im Sozialraum“ umschrieben wird, bedeutete damals
für die betroffenen Menschen eine Leistungsabsenkung.
War es wirklich eine Leistungsabsenkung? Dies musste
hinterfragt werden, weil nicht wirklich jedes Leistungsangebot tatsächlich gebraucht
wurde. Mit Hilfe von Befragungen (sog. „Queries“) wurden z.B. Wünsche der
Leistungsberechtigten und ihre Lebensziele herausgefunden (Stichworte sind:
„Wunschwege, Lebensplanung“ und „Gut Gefragt“). Damit war eine Orientierung an
den tatsächlichen individuellen Bedarfen möglich; also eine Umkehrung der bisherigen
Sichtweise, ein bestimmtes, vereinbartes Leistungsangebot bereitzuhalten.
Nicht immer klappt es mit der Bedarfsorientierung. Mit
Einführung der Hilfebedarfsgruppen hatte man sich noch eine „Clearing-Stelle“ ausgedacht,
nun wurde eine Interessenvertretung für die leistungsberechtigten, aber sich
ungenügend beachteten Menschen benötigt – also eine Stelle zur Lösung von
Konflikten aller Art (siehe hierzu meinen Beitrag vom 3.2.2018 – „Beschwerden“).
Aber auch die Bedeutung des Sozialraums und die Rolle des
Leistungserbringers darin spielten eine immer gewichtigere Rolle. Ein sehr großer
Trägerbudget-Nehmer löste seine örtlichen Strukturen soweit auf, dass heute ein
neuer, kleiner Stadtteil entstanden ist; Menschen aus der Nachbarschaft kommen,
weil sie auf dem Gelände dieses Leistungserbringers u.a. die Sachen des
täglichen Bedarfs besorgen können. Die bisherigen „Anstaltsbewohner“ finden
Ablenkung und können „teilhaben“ in der Gemeinschaft.
Dementsprechend veränderten sich die Erwartungen an ein
Leistungsangebot, so dass man die Mittel der Eingliederungshilfe insgesamt
absenken und dennoch im individuellen Bedarfsfall jederzeit und flexibel wieder
aufstocken konnte (Stichwort: Krisenintervention, vgl. Beitrag vom 12.8.2015).
Machen sich die
Trägerbudgets bezahlt?
Es können eigentlich nur zwei Trägerbudget-Nehmer näher
betrachtet werden, weil es sich bei diesen um privatwirtschaftliche, dennoch
gemeinnützige Unternehmen handelt. Einer von diesen hatte seine Vereinbarung
mitsamt dem Trägerbudget der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, so dass ein
Vergleich in etwa möglich ist.
Trägerbudget-Nehmer 1:
Bei diesem Trägerbudget-Nehmer erhöhte sich das Budget in
2015 um 1,89 % (= 600 Tsd. Euro) und in 2016 um 2,17 % (= 700 Tsd. Euro). Die
jährliche Steigerung für die Folgejahre liegt bei 600 Tsd. Euro bzw. 1,8 %. Das
Trägerbudget nimmt einen sehr wesentlichen Anteil an der Erwirtschaftung von
Erlösen ein und liegt zzt. bei 86 %.
Die Umsatzerlöse aus der Betreuungsleistung erhöhten sich
mit Einführung des Trägerbudgets um ganze 8,2 %, während ansonsten die
Steigerungen bei jährlich knapp 2 bis 3 % liegen. Dieser Anstieg in 2014 ist
zwar sehr ungewöhnlich, begründet wird diese Steigerung u.a. mit der
Integration von Pflegeleistungen und einem Wachstum im Bereich des
unterstützten Wohnens. Es finden sich auch andere Faktoren, doch es gibt eine
Korrelation zu den Personalkosten, die sich um 7,1 % erhöhten.
Da der Anteil der Personalkosten konstant geblieben ist,
scheint es nur einen organisatorischen Strukturwandel gegeben zu haben. Einen
Personalabbau, wie an mancher Stelle befürchtet, lässt sich nicht belegen.
Vielmehr haben sich seit 2011 die Stellenanteile kontinuierlich erhöht um
jährlich rd. 20 Stellen (in 2016 = 615, in 2014 = 586), wobei natürlich der
Bereich der Pflegeleistungen erst in 2014 eingebunden wurde.
Die Umsatzrendite lag in 2016 bei 0,23 %.
Trägerbudget-Nehmer 2:
Nach eigenen Angaben nimmt das vereinbarte Trägerbudget
einen Anteil von 2/3 der Umsatzerlöse ein. Demnach entfielen im
Vereinbarungsjahr 2014 etwa 17 Mio. Euro auf das Trägerbudget und die übrigen
8,5 Mio. Euro auf andere Leistungsbereiche und ggf. andere Leistungsträger.
Die Entwicklung der Umsatzerlöse verläuft recht stabil,
doch in 2016 lag die Steigerung bei 6,24 %. Im Bereich der stationären
Betreuung erhöhten sich die Erlöse um 0,9 Mio. Euro ggü. dem Vorjahr auf 19,8
Mio. Euro. Ebenso deutlich erhöhten sich die Erlöse aus der Hortbetreuung um
0,8 Mio. Euro auf 1,6 Mio. Euro. Die Erlöse im Bereich der ambulanten Betreuung
und bei den Therapieleistungen stiegen dagegen nur leicht an.
Die Entwicklung der Personalkosten inkl.
Zeitarbeitskräfte, hier ist zu beachten, dass man mit 60 % an der BHH
Assistenzkontor GmbH, einem Fremdpersonal-Vermittler, beteiligt ist, verlief
relativ sprunghaft. Dennoch liegt auch hier der Anteil bei konstanten 76 bis 78
%, so dass man nicht von einem Personalabbau sprechen kann.
Die Umsatzrendite lag in 2016 bei 1,63 %.
Es geht auch mit
einem Trägerbudget
Das Trägerbudget hat den beiden Unternehmen keine
Einbußen gebracht oder eine wirtschaftliche Gefährdung bedeutet. Vielmehr
konnte ein erforderlicher Strukturwandel abgesichert und ein neues
Leistungsangebot eingeführt werden. Natürlich finden sich Berichtspositionen,
die weiter hinterfragt werden könnten. Im Einklang mit der Entwicklung der
Erlöse, ergaben sich Steigerungen bei den Personalkosten, was zeigt, dass die Trägerbudgets
nicht wirklich zu einem Personalabbau geführt haben. Zwar musste es eine
Effizienzverbesserung geben, doch nach wie vor wird Fachpersonal benötigt.
Bemerkenswert ist, dass beim zweiten Trägerbudget-Nehmer der Anstieg der Erlöse
zuletzt fast das Doppelte gegenüber dem ersten Trägerbudget-Nehmer ausmacht.
Leider ist nicht bekannt, wie hoch der Anteil der Erlöse aus dem Trägerbudget
in 2016 war; es wird lediglich darauf verwiesen, dass jährlich eine Steigerung
erfolgt.
In diesem Jahr muss über das neue Trägerbudget verhandelt
werden. Der Fachkongress hat vielleicht geholfen, die Bedeutung dieser
Vereinbarung noch einmal herauszustellen. Alle Beteiligten und auch den vielen
Besuchern ist dabei klar geworden, dass mit Hilfe dieser einrichtungsfinanzierenden
Vergütungsform ein Strukturwandel in Hamburg gelungen ist. Nicht mehr das
Leistungsangebot steht im Vordergrund, sondern die Lebensplanung und die
Wünsche des leistungsberechtigten Menschen.
Oder mit anderen Worten: Eine Umkehrung der bisherigen
Sichtweise, weg vom Angebot und hin zur eigentlichen Nachfrage, ist gelungen.
Vermutlich wird es das Trägerbudget für weitere Jahre
geben. Und vielleicht finden sich erneut einige Leistungserbringer, die diesem
Beispiel folgen wollen. In Berlin hatte man diesbezüglich schon Erfahrungen
sammeln können, in Hamburg geschieht dies jetzt. Aber ob das Trägerbudget eine
Lösung für Flächenländer darstellt, das ist sehr fraglich.
CGS
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