Das Thema
„Trägerbudget“ wird wieder interessant. Oder auch anders gesprochen: Es wird
wieder auf die Tagesordnung gebracht. Diese Sache war für mich übrigens auch
der Auslöser für das Betreiben dieses Blogs – damals in 2014.
Schon bald findet
in Hamburg ein Fachkongress dazu statt - ausgerichtet von den sogenannten
Trägerbudget-Nehmern und unter Beteiligung der Hamburger Sozialbehörde als
Leistungsträgerin.
Es war einmal
Schon einige Zeit davor versuchte die Stadt Hamburg in
vielen langwierigen Verhandlungsrunden den Haushalt für
Eingliederungshilfe-Leistungen irgendwie zu begrenzen. Weil man hohe
Ineffizienzen und überhöhte Vergütungssätze vermutete, versuchte man aus
stationären Wohneinrichtungen für behinderte Menschen selbst bewohnte
Wohngemeinschaften zu machen. Es sollte „ambulantisiert“ werden; ein wenig
zuviel mit der "Brechstange" und nicht im Sinne eines
gemeinschaftlichen Handelns. Schnell formierte sich Widerstand und die Sache
scheiterte.
Dann gab es Kennzahlen-Analysen, die von einigen „Big
Players“ nicht mitgetragen wurden (vielleicht sogar sabotiert?). Die
Sozialbehörde drohte, neue Vergütungen nur noch in Höhe von ortsüblichen Sätzen
nach § 75 Abs. 4 SGB XII zu vereinbaren. Sie unterstrich diese Drohung, indem
sämtliche Gesamtvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII (d.h. Leistungs-,
Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung je Träger) gekündigt wurden zum
31.12.2013.
Da die ohnehin schon sehr knapp kalkulierten Vergütungen
mit den bisherigen Tarifverhandlungen nicht Schritt halten konnten, mussten
jetzt viele Leistungserbringer vor die Schiedsstelle. Es ging so nicht weiter.
(Der Gang vor die
Schiedsstelle übrigens brachte zwar nicht die benötigten Steigerungen, doch
immerhin ergaben sich gegenüber dem ersten Angebot doppelt so hohe
Steigerungen)
Heimlich ging es
dann anders, aber weiter
In 2014 verhandelte die Hamburger Sozialbehörde ohne
Wissen der Verbände mit drei großen Leistungserbringern. Diese sollten nur noch
in Höhe eines vorab festgesetzten Gesamtbetrags wirtschaften, könnten aber auch
mit genau diesem Betrag plus Steigerungen über mehrere Jahre planungssicher
rechnen. In einer "Clearing"-Stelle sollten dann Probleme gleich
welcher Art besprochen und geklärt werden. Ein vierter, jetzt aber städtischer
Leistungserbringer wurde mit einbezogen. Die nicht-städtischen großen Träger*
nahmen jedenfalls an, weil sie mit Verlusten und Erlösausfällen rechnen mussten
und schlichtweg Planbarkeit und ihre Leistungsfähigkeit erhalten wollten. Bis
in das Jahr 2018 wurden die Trägerbudgets festgeschrieben - was damit das zuvor
großartig postulierte Ziel, wegzukommen von einem System
"einrichtungsfinanzierender" Vergütungen, völlig ins Absurde drehte.
Über einen derart langen Zeitraum musste man mit
Kostensteigerungen ganz einfach rechnen. Ob man zu dieser Zeit allerdings mit
einer Überwindung der Finanzkrise gerechnet hat, ist allerdings fraglich. In
einem Fall wurde eine jährliche Steigerung um etwa 1,8 % vereinbart, so dass
sich bis ins Jahr 2018 das entsprechende Trägerbudget um 7,9 % anhob. Im
Vergleich dazu lag die Inflation bzw. die allgemeine Teuerung in einer
Bandbreite von 0,3 bis 1,8 % jährlich, was bis 2018 hochgerechnet aber nur 4,5
% ausmachte. So gesehen könnte diese Rahmenvereinbarung mit Trägerbudget für
die teilnehmenden Leistungserbringer vielleicht eine glückliche Fügung gewesen
sein.
Es würde noch
ganz anders gehen
Die Alternative hierzu stellte sich kurz danach nämlich
vor, als mit dem Hamburger Kalkulationsverfahren eine völlige Umstellung der
Kalkulationsgrundlagen für die Ermittlung von Vergütungssätzen passierte.
Gerade weil sehr viele Leistungserbringer in allen Jahren nur an den pauschalen
Fortschreibungen teilgenommen hatten, fehlte es den Grund- und Maßnahmepauschalen
an einem Bezug zu den tatsächlichen
Sach- und Personalkosten. Mit anderen Worten: Zwar konnten diese
Vergütungskomponenten zusammen genommen eine vielleicht wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit gewährleisten, weil aber nun die Grundpauschale sich an der
Grundsicherung orientierten sollte, ergaben sich hier auf einmal Fehlbeträge.
Und da die Personalkosten nun einem Index gehorchten, womöglich sogar falsch
kalkuliert waren, fiel auch hier die Möglichkeit zur Kostendeckung weg. Es kann
also sehr gut sein, dass die Trägerbudget-Nehmer sehr viel Glück hatten, dass
sie nicht daran teilnehmen mussten.
Andererseits stellt sich nun auch die Frage, was
passieren würde, wenn ein "teurer" Trägerbudget-Nehmer in dieses
Kalkulationsverfahren eingebunden werden muss. Das Hamburger
Kalkulationsverfahren zwingt zur Pauschalierung von Leistungen und Nivellierung
von unterschiedlich hohen Durchschnitts-Personalkosten, aber wenigstens in
Anbetracht der verschiedenen Tarifbindungen.
Der Fachkongress,
auf dem berichtet wird
Ob es sich also "gelohnt" hat, lässt sich
bestenfalls in der Rückschau der Bilanzen herausfinden. Dass jetzt aber wieder
Bewegung in die Sache gekommen ist, lässt sich sehen:
Man will seitens der Trägerbudget-Nehmer eine Art "Zwischenbilanz"
ziehen und Perspektiven aufzeigen für alle Beteiligten. Dabei kommt auch zu
Wort die Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen e.V., die
sich als Interessenvertretung sieht und schon mehrfach erfolgreich vermittelt hat
bei aufkommenden Problemen zwischen den leistungsberechtigten Menschen und
diesen Leistungserbringern wie auch der Hamburger Sozialbehörde als
Leistungsträger.
Man wird also auch die Schattenseiten diskutieren. Doch
man darf dabei nicht übersehen, dass es bei dieser Konstruktion um etwas ganz
anderes ging, als eine Leistungsverbesserung für die leistungsberechtigten
Menschen zu erzielen: Es ging ums Geld!
Diesem Punkt werden sich ausgerechnet diejenigen Leute
widmen, die sich schon immer sehr viel den Kopf um die Finanzen zerbrochen
haben: zwei Referatsleiter der Hamburger Sozialbehörde und vier Controller von
Leistungserbringern (siehe hierzu das Forum 7: "Ist es Liebe - oder geht
es nur ums Geld? Wie funktioniert das Trägerbudget?".
Bei aller Kritik, es hat sich aber was getan dank des
Trägerbudgets, was wahrscheinlich so nicht absehbar war; der Titel klingt
vielleicht ein wenig irreführend, aber es gibt auch erfreulich gute
Entwicklungen (siehe hierzu Forum 5: "Menschen mit komplexem
Unterstützungsbedarf: Verlierer des Trägerbudgets?").
CGS
* = Am Anfang waren es nur drei: Leben mit Behinderung
(LMBH), Behindertenhilfe Hamburg Sozialkontor (BHH) und Evangelische Stiftung
Alsterdorf (ESA); der stadteigene Träger Fördern & Wohnen (F&W) kam
später hinzu. Siehe hierzu auch meinen Beitrag vom 30.4.2014.
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