Montag, 19. Februar 2018

Ein Fachkongress zum Thema Trägerbudget in Hamburg


Das Thema „Trägerbudget“ wird wieder interessant. Oder auch anders gesprochen: Es wird wieder auf die Tagesordnung gebracht. Diese Sache war für mich übrigens auch der Auslöser für das Betreiben dieses Blogs – damals in 2014.
                    
Schon bald findet in Hamburg ein Fachkongress dazu statt - ausgerichtet von den sogenannten Trägerbudget-Nehmern und unter Beteiligung der Hamburger Sozialbehörde als Leistungsträgerin.

 
Es war einmal

Schon einige Zeit davor versuchte die Stadt Hamburg in vielen langwierigen Verhandlungsrunden den Haushalt für Eingliederungshilfe-Leistungen irgendwie zu begrenzen. Weil man hohe Ineffizienzen und überhöhte Vergütungssätze vermutete, versuchte man aus stationären Wohneinrichtungen für behinderte Menschen selbst bewohnte Wohngemeinschaften zu machen. Es sollte „ambulantisiert“ werden; ein wenig zuviel mit der "Brechstange" und nicht im Sinne eines gemeinschaftlichen Handelns. Schnell formierte sich Widerstand und die Sache scheiterte.

Dann gab es Kennzahlen-Analysen, die von einigen „Big Players“ nicht mitgetragen wurden (vielleicht sogar sabotiert?). Die Sozialbehörde drohte, neue Vergütungen nur noch in Höhe von ortsüblichen Sätzen nach § 75 Abs. 4 SGB XII zu vereinbaren. Sie unterstrich diese Drohung, indem sämtliche Gesamtvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII (d.h. Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung je Träger) gekündigt wurden zum 31.12.2013.

Da die ohnehin schon sehr knapp kalkulierten Vergütungen mit den bisherigen Tarifverhandlungen nicht Schritt halten konnten, mussten jetzt viele Leistungserbringer vor die Schiedsstelle. Es ging so nicht weiter.

(Der Gang vor die Schiedsstelle übrigens brachte zwar nicht die benötigten Steigerungen, doch immerhin ergaben sich gegenüber dem ersten Angebot doppelt so hohe Steigerungen)


Heimlich ging es dann anders, aber weiter

In 2014 verhandelte die Hamburger Sozialbehörde ohne Wissen der Verbände mit drei großen Leistungserbringern. Diese sollten nur noch in Höhe eines vorab festgesetzten Gesamtbetrags wirtschaften, könnten aber auch mit genau diesem Betrag plus Steigerungen über mehrere Jahre planungssicher rechnen. In einer "Clearing"-Stelle sollten dann Probleme gleich welcher Art besprochen und geklärt werden. Ein vierter, jetzt aber städtischer Leistungserbringer wurde mit einbezogen. Die nicht-städtischen großen Träger* nahmen jedenfalls an, weil sie mit Verlusten und Erlösausfällen rechnen mussten und schlichtweg Planbarkeit und ihre Leistungsfähigkeit erhalten wollten. Bis in das Jahr 2018 wurden die Trägerbudgets festgeschrieben - was damit das zuvor großartig postulierte Ziel, wegzukommen von einem System "einrichtungsfinanzierender" Vergütungen, völlig ins Absurde drehte.

Über einen derart langen Zeitraum musste man mit Kostensteigerungen ganz einfach rechnen. Ob man zu dieser Zeit allerdings mit einer Überwindung der Finanzkrise gerechnet hat, ist allerdings fraglich. In einem Fall wurde eine jährliche Steigerung um etwa 1,8 % vereinbart, so dass sich bis ins Jahr 2018 das entsprechende Trägerbudget um 7,9 % anhob. Im Vergleich dazu lag die Inflation bzw. die allgemeine Teuerung in einer Bandbreite von 0,3 bis 1,8 % jährlich, was bis 2018 hochgerechnet aber nur 4,5 % ausmachte. So gesehen könnte diese Rahmenvereinbarung mit Trägerbudget für die teilnehmenden Leistungserbringer vielleicht eine glückliche Fügung gewesen sein.


Es würde noch ganz anders gehen

Die Alternative hierzu stellte sich kurz danach nämlich vor, als mit dem Hamburger Kalkulationsverfahren eine völlige Umstellung der Kalkulationsgrundlagen für die Ermittlung von Vergütungssätzen passierte. Gerade weil sehr viele Leistungserbringer in allen Jahren nur an den pauschalen Fortschreibungen teilgenommen hatten, fehlte es den Grund- und Maßnahmepauschalen an einem Bezug  zu den tatsächlichen Sach- und Personalkosten. Mit anderen Worten: Zwar konnten diese Vergütungskomponenten zusammen genommen eine vielleicht wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gewährleisten, weil aber nun die Grundpauschale sich an der Grundsicherung orientierten sollte, ergaben sich hier auf einmal Fehlbeträge. Und da die Personalkosten nun einem Index gehorchten, womöglich sogar falsch kalkuliert waren, fiel auch hier die Möglichkeit zur Kostendeckung weg. Es kann also sehr gut sein, dass die Trägerbudget-Nehmer sehr viel Glück hatten, dass sie nicht daran teilnehmen mussten.

Andererseits stellt sich nun auch die Frage, was passieren würde, wenn ein "teurer" Trägerbudget-Nehmer in dieses Kalkulationsverfahren eingebunden werden muss. Das Hamburger Kalkulationsverfahren zwingt zur Pauschalierung von Leistungen und Nivellierung von unterschiedlich hohen Durchschnitts-Personalkosten, aber wenigstens in Anbetracht der verschiedenen Tarifbindungen.


Der Fachkongress, auf dem berichtet wird

Ob es sich also "gelohnt" hat, lässt sich bestenfalls in der Rückschau der Bilanzen herausfinden. Dass jetzt aber wieder Bewegung in die Sache gekommen ist, lässt sich sehen:


Man will seitens der Trägerbudget-Nehmer eine Art "Zwischenbilanz" ziehen und Perspektiven aufzeigen für alle Beteiligten. Dabei kommt auch zu Wort die Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen e.V., die sich als Interessenvertretung sieht und schon mehrfach erfolgreich vermittelt hat bei aufkommenden Problemen zwischen den leistungsberechtigten Menschen und diesen Leistungserbringern wie auch der Hamburger Sozialbehörde als Leistungsträger.

Man wird also auch die Schattenseiten diskutieren. Doch man darf dabei nicht übersehen, dass es bei dieser Konstruktion um etwas ganz anderes ging, als eine Leistungsverbesserung für die leistungsberechtigten Menschen zu erzielen: Es ging ums Geld!

Diesem Punkt werden sich ausgerechnet diejenigen Leute widmen, die sich schon immer sehr viel den Kopf um die Finanzen zerbrochen haben: zwei Referatsleiter der Hamburger Sozialbehörde und vier Controller von Leistungserbringern (siehe hierzu das Forum 7: "Ist es Liebe - oder geht es nur ums Geld? Wie funktioniert das Trägerbudget?".

Bei aller Kritik, es hat sich aber was getan dank des Trägerbudgets, was wahrscheinlich so nicht absehbar war; der Titel klingt vielleicht ein wenig irreführend, aber es gibt auch erfreulich gute Entwicklungen (siehe hierzu Forum 5: "Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf: Verlierer des Trägerbudgets?").

CGS



* = Am Anfang waren es nur drei: Leben mit Behinderung (LMBH), Behindertenhilfe Hamburg Sozialkontor (BHH) und Evangelische Stiftung Alsterdorf (ESA); der stadteigene Träger Fördern & Wohnen (F&W) kam später hinzu. Siehe hierzu auch meinen Beitrag vom 30.4.2014.




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