Am Anfang gab es einen Beschluss des LSG
Schleswig-Holstein zur Integrationsassistenz bzw. Schulbegleitung für
Kinder mit Hilfebedarf an Regelschulen. Als Problem wurde gesehen, dass
verschiedene Tätigkeiten des Integrationsassistenten im vorgelegten Fall den
„Kernbereich der pädagogischen Arbeit“ betrafen und somit nicht in den
Aufgabenbereich der Eingliederungshilfe nach §§ 35 a SGB VIII bzw. 53, 54 SGB
XII fielen.
Was als „Kernbereich der pädagogischen Arbeit“ verstanden
wird, hatte das LSG herauszuarbeiten versucht. Dabei wurde problematisiert,
dass die tatsächliche Arbeit der Integrationsassistenten in diesen Kernbereich
hineinragt. Eine solche Überlagerung muss aber aufgrund des Nachranggrundsatzes
in § 2 SGB XII vom Träger der Sozialhilfe nicht geleistet werden (so das
Gericht und natürlich die Träger der Sozialhilfe, aber vgl. auch LSG
Baden-Württemberg weiter unten).
Weil nach Ansicht des Gerichtes im Schulgesetz von
Schleswig-Holstein nicht nur die „reine Wissensvermittlung“ enthalten ist,
sondern im Vordergrund die „inklusive Beschulung“ steht, sind sämtliche
Maßnahmen im Hinblick auf Erziehung und Förderung sowie behinderungsbedingte
Defizitausgleiche Bestandteil des besagten Aufgabenbereichs der Lehrkräfte
(vgl. auch § 4 Abs. 11 Satz 2 SchulGSH).
Und hier offenbart sich das Problem in der Praxis:
Integrationsassistenten können ihren Aufgabenbereich nur ungenügend von der
pädagogischen Arbeit abgrenzen; in manchen Fällen werden sie sogar eingesponnen
für die Mitarbeit in der Erziehung und Förderung aller Kinder des jeweiligen
Klassenverbandes. Sie müssten zwar den erzieherischen Teil des ihnen
übertragenen Auftrags ablehnen, und dies nicht nur im Hinblick auf den Schüler
mit Förderbedarf, trotzdem wird es immer einen motivierenden, pädagogischen
Anteil in der täglichen Arbeit geben.
Darf eine Integrationsassistenz nach dem Schulgesetz pädagogische
Arbeit leisten?
§ 34 SchulGSH, Lehrkräfte
(5) Außer dem in
den Absätzen 1 bis 3 genannten Personenkreis [d.h. Lehramtsbefähigte und
Personen mit anderen Befähigungen, pädagogische Fachkräfte an Förderzentren] dürfen
nur Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst lehrplanmäßigen Unterricht erteilen.
(6) Zur
Durchführung schulischer Veranstaltungen außerhalb des lehrplanmäßigen
Unterrichts können auch Personen eingesetzt werden, die bei einem Schulträger,
einem Elternverein oder einer Institution nach § 3 Abs. 3 [d.h. Kindertageseinrichtungen
und der Jugendhilfe, Jugendverbänden sowie mit anderen Institutionen im
sozialen Umfeld von Kindern und Jugendlichen] beschäftigt sind.
Die Integrationsassistenz kann zwar eine Person mit
anderen Befähigungen sein, wie es § 34 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 SchulGSH benennt,
aber m.E. widerspricht eine solche Auslegung der Intention des Gesetzes. Von
daher muss man davon ausgehen, dass jegliche pädagogische Betätigung im Sinne
des Schulgesetzes für Personen, die
nicht anerkannte Lehrkräfte sind, zu verneinen ist.
Andererseits kann eine im Schulbetrieb anwesende Person
sich nicht gänzlich von einem an sie herangebrachten erzieherischen Auftrag
lösen; man stelle sich nur vor, dass ein Schüler um Hilfe bei der Bewältigung
eines Problems bittet. M.E. wäre eine praxistaugliche Abgrenzung überhaupt
nicht möglich. Tatsächlich müsste die Integrationsassistenz Weisungen erteilen
und an der Beaufsichtigung teilnehmen, um einerseits Integrationsarbeit für den
Schüler mit Förderbedarf zu leisten und andererseits im Falle einer
beobachteten Störung oder Fehlverhaltens als von Schülern wahrgenommenes
Mitglied der Lehrkräfte einzuschreiten (d.h. feststellen, belehren, warnen und
ermahnen).
Darf eine Integrationsassistenz dann überhaupt Weisungen
erteilen und die Beaufsichtigung führen?
§ 17 SchulGSH, Weisungen, Beaufsichtigung
(1) Die
Schülerinnen und Schüler haben in der Schule und bei sonstigen
Schulveranstaltungen die Weisungen der Schulleiterin oder des Schulleiters und
der Lehrkräfte zu befolgen, die dazu bestimmt sind, das Bildungs- und
Erziehungsziel der Schule zu erreichen und die Ordnung an der Schule
aufrechtzuerhalten.
…
(3) Mit der Beaufsichtigung können jeweils
nach den Umständen des Einzelfalls auch Lehrkräfte anderer Schulen,
Beschäftigte nach § 34 Abs. 5 und 6, Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie vom
Schulträger angestellte sonstige Personen betraut werden. Weiterhin kann die
Beaufsichtigung von denjenigen Personen übernommen werden, die die Schülerinnen
und Schüler im Rahmen von Praktika betreuen.
Eine Weisungsbefugnis ergibt sich nicht für
Integrationsassistenten. Weisungsbefugt sind nur die Schulleitungen und die
Lehrkräfte.
Die „Betrauung“ bzw. Übernahme der Beaufsichtigung kann dagegen
von der zuständigen Lehrkraft an eine andere Person erfolgen. Allerdings
schränken die „Umstände des Einzelfalls“ den Aufgabenbereich für die
Integrationsassistenz wieder ein. Integrationsassistenten müssen vorrangig (und
eigentlich ständig) eine Leistung gegenüber dem Schüler mit Förderbedarf
erbringen. Gleichwohl könnten Sie in Bezug auf diesen Schüler mit der
Beaufsichtigung durch die Lehrkraft beauftragt werden.
Das Schulgesetz führt zwar als hehres Ziel die inklusive
Bildung für Alle, aber im Gesetz sind Regelungen für Integrationsassistenten
nicht vorgesehen. Eine Kombination beider Bereiche wäre wünschenswert. Doch
dann müsste es im schleswig-holsteinischen Schulgesetz heißen, dass auch die
Aufgaben der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen wahrgenommen werden
von den Schule, was wiederum die Abgrenzungsproblematik entstehen lässt, wenn
Schulen mit ungenügenden Ressourcen ausgestattet sind.
Wenn eine pädagogische Assistenz zukünftig mit der
Lehrkraft zusammen tätig ist, ist sie dann noch immer vorrangig für den Schüler
mit Förderbedarf tätig?
Und darf eine pädagogische Assistenz Leistungen
erbringen, die im Rahmen der Eingliederungshilfe dem behinderten Kind exklusiv
zugedacht sind?
Die Integrationsassistenz nach dem SGB XII muss es
weiterhin geben. Und um eine adäquate Beschulung auf niedrigschwelligem Niveau
anzubieten, soll heißen ohne unnötige Bindung von Fachkraftstellen, sollte es
eine pädagogische Assistenz im SchulGSH geben. Im Rahmen der
Gesamtplankonferenz nach SGB XII könnte dann bestimmt werden, wo die Leistungen
sinnvoll anzusiedeln wären (z.B. nach dem Überwiegenheitsprinzip).
Es gibt bereits Strukturen und Erfahrungen in
Schleswig-Holstein, auf die man zurückgreifen könnte bzw. wie man eine solche
Tätigkeit beschreiben oder begrifflich abgrenzen könnte:
Das Bildungsministerium in Schleswig-Holstein brachte in
2010 eine „Handreichung für Assistentinnen und Assistenten an Schulen“ heraus.
In der 16. Wahlperiode erteilte die Landesregierung
Auskunft zum Einsatz von „Schulassistenten“ (Drucksache 16/1970 des Schleswig-Holsteinischen
Landtags): Es wurden „im Rahmen des Modellvorhabens ‚Einsatz von
Schulassistenten zur Entlastung von Schulleitungen und Lehrkräften an Schulen
des Landes Schleswig-Holstein‘ im Zeitraum vom 01.05.2000 bis 31.12.2005
insgesamt vier tariflich vergütete Verwaltungskräfte vornehmlich im IT-Bereich
sowie für Verwaltungsaufgaben an Schulen eingesetzt“. Hier zeigt sich
allerdings, dass das Berufsbild „Schulassistent“ nicht die gleiche Bedeutung
trägt, wie das einer pädagogischen Assistenz (vgl. auch „Schulassistenten und
-assistentinnen an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen“ in
http://berufenet.arbeitsagentur.de/).
Ideal wäre es aber gewesen, wenn das LSG anerkannt hätte,
dass auch eine pädagogische Unterstützung im geringen Umfang unschädlich wäre.
Dann würden zwar die Kosten weiterhin aus Mitteln der Sozialhilfe kommen, aber
so würde man sich den bürokratischen Anpassungsprozess ersparen.
CGS
PS:
Das LSG Baden-Württemberg hat eine etwas andere Ansicht vertreten
(vgl. Beschluss vom 3.6.2013 – Az. L 7 SO 1931/13 ER). In diesem Fall ging es
um den Anspruch von Schulbegleitung für Kinder an Sonderschulen. Das Gericht
bejahte den Anspruch und stellt sogar fest, dass pädagogische Anteile in der unterstützenden
Arbeit der Integrationsassistenz nicht abträglich sind, wenn der
Gesamtzusammenhang (d.h. summarische Betrachtung) untersucht wird. Hierzu
gehörte, dass aus dem Schulbericht klar die Unmöglichkeit zur Leistung von
Assistenzmaßnahmen hervorging. Demzufolge hatte der Antragssteller Anspruch auf
Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung nach §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB
XII in Form eines qualifizierten Schulbegleiters.