In
Schleswig-Holstein, aber natürlich auch in den anderen Bundesländern, wird an
der Umsetzung des BTHGs intensiv gearbeitet. Nun soll ein „1.
Teilhabestärkungsgesetz“ in den Landtag gebracht werden. Ein erster Entwurf
davon wurde jetzt an verschiedene Verbände verteilt und zu einer Stellungnahme
eingeladen. Das ist sehr positiv zu bewerten, denn damit bekommen neben den
staatlichen Stellen und Kommunen auch die vom BTHG übrigen Betroffenen
Gelegenheit zur (eventuellen) legislativen Teilhabe.
(Nachtrag vom 30.11.2017: Es ist ein Entwurf nun dem Landtag zur Befassung zugeleitet worden. Ob es sich dabei um die Version handelt, die noch vor einem Monat vorgestellt wurde, wird sich zeigen.)
(Nachtrag vom 30.11.2017: Es ist ein Entwurf nun dem Landtag zur Befassung zugeleitet worden. Ob es sich dabei um die Version handelt, die noch vor einem Monat vorgestellt wurde, wird sich zeigen.)
Federführend ausgearbeitet wurde dieser Entwurf vom
schleswig-holsteinischen Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend,
Familie und Senioren. Und weil mit dem Bundesteilhabegesetz eine umfassende
Reform der Eingliederungshilfe stattfindet, immerhin gab es sogar eine
Neubestimmung des Behinderungsbegriffs, ergeben sich zudem weitreichende
Anforderungen an die Länder und Kommunen. Schon zum 1.1.2017 traten erste Veränderungen
in Kraft. Zum 1.1.2018 geht es weiter bei den Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben. Doch es müssen auch Landesrahmenverträge zwischen den
Leistungsträgern und Leistungserbringern neu verhandelt werden, welche die
Grundlage bilden für die Bereitstellung und Vergütung von Leistungen. Gerade
vor dem Hintergrund steigender Kosten (insbesondere dank des Ziels der EZB, die
Inflation auf 2 % jährlich anzukurbeln), werden die Verbände der
Leistungserbringer auf Lösungen dringen. Bis 2020 zu warten und dann eine
„Hauruck“-Lösung zu erleben, ist nicht tragbar.
Mit diesem Landesgesetz wird, wie es der Namen vermuten
lässt, ein erster Anfang gemacht. Man sieht notwendige Regelungsgegenstände in
den Bereichen der „allgemeinen Zuständigkeits- und Teilhabeplanverfahrensbestimmungen
zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger (Teil 1 SGB IX),
die Herauslösung der Eingliederungshilfe aus dem Recht der Fürsorge in einen
neuen Teil 2 des SGB IX und Änderungen im Schwerbehindertenrecht (Teil 3 des
SGB IX)“ (siehe S. 2 des Gesetzentwurfs).
Das 1. Teilhabestärkungsgesetz zur Umsetzung des
Bundesteilhabegesetzes besteht aber nicht nur aus einer recht überschaubaren
Paragrafen-Sammlung, mit der Einbringung in den Landtag soll es auch eine
Änderung beim bereits bestehenden Landes-Gesetz zur Ausführung des Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch (AG-SGB XIII) geben (siehe hierzu auch meinen Beitrag
vom 21.11.2014, Quellenangaben weiter unten).
Oberste Ziele sind „die Effektivität und Zielgenauigkeit
der Teilhabeleistungen besser zu steuern und den … Ausgabeanstieg in der Eingliederungshilfe
zu dämpfen“, so das Fachministerium (S. 4). Von Teilhabemöglichkeiten wird aber
derzeit nicht viel gesprochen. Damit muss der vorliegende Entwurf vor genau
diesem Hintergrund kritisch geprüft werden.
Was man sich
überlegt – Trägerschaft
Weil die Eingliederungshilfe aus dem Leistungskatalog der
Sozialhilfe herausgelöst werden soll, verändern sich nun auch die
Zuständigkeiten. Damit einher geht nicht nur die Entscheidungsgewalt, sondern
auch die Notwendigkeit zur Vereinbarung von Landesrahmenverträgen (bisher § 79
SGB XII), Vereinbarungen über die Leistungserbringung, Prüfung (Aufsicht) und
Vergütung (bisher §§ 75 ff. SGB XII).
Träger der Eingliederungshilfe sind die Kreise und
kreisfreien Städte. Diese sollen beraten und eine Gesamtplanung unternehmen.
Und sie sollen die bekannten Vereinbarungen zur Leistung, Vergütung und Prüfung
verantworten, was aber sehr wahrscheinlich die bestehenden Strukturen nicht
wesentlich verändert (§ 1 Abs. 1). Bisher finden sich zwei Formen, was diese
Strukturen anbelangt: die kreisfreien Städte und die Koordinierungsstelle für
soziale Hilfen der schleswig-holsteinischen Kreise (KOSOZ). Eine solche Parallelität
entspricht eigentlich nicht dem Gedanken der Effektivität.
Auch das Land wird Träger der Eingliederungshilfe,
allerdings will man an dieser Stelle lediglich „übergeordnete, zentrale
Steuerungs- und Koordinierungsaufgaben“ wahrnehmen (S. 4). Damit gemeint sind
Ausgestaltung von Landesrahmenvereinbarungen, eine Mitwirkung an der Erprobung
und Weiterentwicklung bestehender Leistungs- und Finanzierungsstrukturen,
Schiedsstelle und die Sicherstellung einheitlicher Angebotsstrukturen. Zusammen
werden Land, Kreise und kreisfreie Städte Empfehlungen für das Leistungsrecht
erarbeiten, die Rahmenbedingungen für „andere Leistungsanbieter“ entwickeln und
das Budget für Arbeit konzeptionell weiterentwickeln (§ 1 Abs. 2).
Soll die KOSOZ damit abgeschafft werden? Oder werden
Land, kreisfreie Städte und Kreise genau die vielen Aufgaben in der KOSOZ
bündeln?
Was diese „Mitwirkung“ anbelangt, muss man ebenfalls
hinterfragen, wie verbindlich sie ausfallen darf. Eine Mitwirkung gibt es
bereits, wenn ein Vertreter des Landes bei Treffen einer Arbeitsgruppe dabei
ist und sich ab und an zu Wort meldet. Es geht aber um viel mehr:
Teilhabeleistungen sollen zielgenau erbracht werden, damit nicht zu wenig
bedarfsdeckende Leistung angeboten und nicht zu viel erbracht wird. Und das
verlangt ein sehr umfassendes Bedarfsfeststellungsverfahren, eine angemessene
Angebotsauswahl und die ordnungsgemäße Berichterstattung (idealerweise einem
bestimmten Qualitätsstandard entsprechend).
Was man sich
überlegt – Umsetzungsbegleitung und Interessenvertretung
Schon zum 1. Januar 2018 ist eine Arbeitsgemeinschaft zum
Zwecke der Umsetzungsbegleitung mit Vertretern der (neuen) Träger der
Eingliederungshilfe (Land, kreisfreie Städte und Kreise), den
Leistungserbringern, dem Landesbehindertenbeauftragten und Interessenvertreter
der Menschen mit Behinderungen zu besetzen (§ 2).
Hier muss man schon kritisch nachfragen, ob man zu dieser
Arbeitsgemeinschaft Vertreter von Allen (Leistungsträgern und
Leistungserbringern) einladen will, oder meint man stattdessen Vertreter von
Verbänden? Die Formulierung erscheint ein wenig verunglückt.
Der Landesbehindertenbeauftragte soll anscheinend
zusammen mit Vertretern der Verbände von Menschen mit Behinderungen in dieser
Arbeitsgemeinschaft über das neue Leistungsrecht sowie das Gesamtplanverfahren
mitberaten dürfen, aber nicht mitbestimmen (§ 2 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2). Was
also auf den ersten Blick eine interessante Neuerung darstellt, entpuppt sich
als ein Forum, in dem viel gesprochen und nichts entschieden wird.
Damit endet auch diese legislative Teilhabe. Die
Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung wird, was die Erarbeitung und
Beschlussfassung der Rahmenverträge gem. § 131 SGB IX anbelangt (bisher § 79
SGB XII), dann nur noch vom Landesbehindertenbeauftragten wahrgenommen. Dieser
ist zwar kraft seines entsprechenden Fachgesetzes dazu verpflichtet, die gleichberechtigte
Teilhabe aktiv zu fördern, doch eine wirkliche Teilhabe der Menschen mit
Behinderung gibt es dann nicht mehr (§ 3).
Darüber hinaus wäre es wünschenswert, wenn im Landesbehindertengleichstellungsgesetz
(LBGG-SH) weitere Ressourcen zugunsten der Arbeit des
Landesbehindertenbeauftragten eingebracht werden könnten. Wie sonst soll eine
fachlich fundierte Beschlussfassung erfolgen, wenn dem Funktionsträger hier
keine Zeitressourcen zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus wäre es
ohnehin fraglich, inwieweit selbst ein Landesbehindertenbeauftragter die
Bandbreite an verschiedensten Behinderungen und Teilhabeeinschränkungen kennen
kann.
Was man sich
überlegt – Sozialraumorientierte Leistungsgewährleistung ohne Mehraufwand
Sozialraumorientierte Leistungsgewährung soll es weiterhin
geben, auch wenn es kein Mehr an personellen und finanziellen Ressourcen geben
wird (S. 4). Doch es kommen schon jetzt die Dinge ins Stocken. Ganz aktuell
scheint es einen Stopp bei der Bearbeitung von Bauanträgen bei der KOSOZ zu
geben, weil man sich erst Klarheit verschaffen muss über die Zuständigkeiten ab
dem Jahr 2020 (Abgrenzung zwischen Fachleistungen der Eingliederungshilfe und
Grundsicherung). Bauprojekte, die zum Ziel haben, behinderten Menschen ein Mehr
an privater Lebensführung und räumliche Rückzugsmöglichkeiten zu bieten oder
ihnen ein Leben in einem städtischen Umfeld zu ermöglichen, stehen auf dem
„sozialräumlichen Abstellgleis“ – aber nicht mehr lange, so die Aussichten.
Weil der Bund den Ländern einen Anteil an den Ausgaben
für den Barbetrag zur persönlichen Verfügung (§ 27 b SGB XII) erstatten
will („Barbetragserstattung“), sollen Meldepflichten eingeführt werden. Die
örtlichen Träger der Sozialhilfe müssen jetzt die „Zahl der
Leistungsberechtigen“ ermitteln, die Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII
(Hilfe zum Lebensunterhalt) beziehen und zugleich in einer stationären
Einrichtung nach dem 6. Kapitel SGB XII (Eingliederungshilfe) leben. Dies
außerdem je Kalendermonat, sofern „in einem Kalendermonat für mindestens 15
Kalendertage“ ein Barbetrag gezahlt worden ist (§ 12 AG-SGBXII-SH).
Es geht nicht um die tatsächliche Zahlungshöhe, sondern
um die Zahl der Leistungsberechtigten. Wie viel dann wirklich erstattet wird,
bleibt vorerst unbekannt. Doch am Ende wird es auf eine pauschale Abgeltung
hinauslaufen, die sich die Kommunen erst einmal „erarbeiten“ müssen – nicht
wirklich eine Form der Effizienz. Und dann auch noch ein Prüfungspunkt für
Landesrechnungshöfe.
Alles „wie gehabt“ und kompliziert.
CGS
PS:
Die Frist zur Stellungnahme läuft übermorgen ab.
Quellen:
Eigener Beitrag vom 21.11.2014
„Verständigung zum Ausführungsgesetz zur Sozialhilfe und
der Finanzierung der Sozialhilfe in Schleswig-Holstein“ – Labels: Eingliederungshilfe,
Integrationsassistenz, Zuständigkeit, Finanzierung
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