Der erste Entwurf
zum neuen „1. Teilhabestärkungsgesetz“ wurde überarbeitet, wobei es sich eher
um eine Ergänzung handelt und nicht wirklich um eine Überarbeitung. Die Anmerkungen
der Betroffenenverbände und der Leistungserbringer wurden jedenfalls nicht
berücksichtigt.
Vielmehr hat es eine
Verschärfung gegeben, so dass man sich fragen muss, wie sich die weitere Zusammenarbeit
zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern überhaupt gestalten soll. Es wird
damit begründet, dass schließlich Aufsicht und Kontrolle stattzufinden haben,
weil es schließlich um öffentliche Mittel geht und die Qualität der
Leistungserbringung sichergestellt sein muss. Doch man kann diesen Punkt auch
anders verstehen.
Und dann fehlt es
nach wie vor an einer wirklichen Teilhabe der Betroffenen und ihrer Verbände. Das
stellt aber ein Problem dar, weil es schlichtweg „zu viele“
Interessenvertretungen gibt und die sich in der Regel aus Ehrenamtlichen zusammensetzt.
Warum ein anlassunabhängiges
Prüfrecht gebraucht wird
Neu hinzugekommen ist ein „anlassunabhängiges Prüfrecht“
(vgl. Ziff. 1.3, S. 5, neuer Entwurf; § 5):
„Abweichend von §
128 Absatz 1 Satz 1 SGB IX [n.F.] kann … eine Prüfung der Qualität und
Wirtschaftlichkeit einschließlich der Wirksamkeit der vereinbarten Leistungen auch ohne tatsächliche Anhaltspunkte
für eine Verletzung vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten durchgeführt
werden.“ (Fettdruck von mir).
Begründet wird dies damit, dass die Prüfung von Qualität
und Wirtschaftlichkeit bald nicht mehr Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen
sein wird. Bisher gab es noch im Landesrahmenvertrag nach § 79 SGB XII eine
Prüfungsvereinbarung. Doch das soll nicht mehr sein, Prüfungsvereinbarungen
wird es nicht mehr geben. Von daher sieht man eine Lücke und braucht eine
Regelung, damit zum einen die „Verantwortung für die Teilhabe von Menschen mit
Behinderungen besser [offengelegt]“ und zum anderen eine „höhere Transparenz
und Nachvollziehbarkeit bei der Verwendung öffentlicher Mittel im Rahmen
bestehender Verträge“ ermöglicht wird (S. 6).
Und weiter wird erläutert, dass das Land und seine
Kommunen für die Leistung Eingliederungshilfe im Jahr 2016 „rd. 655 Mio. Euro“
ausgegeben hatten. Ein anlassunabhängiges Prüfrecht ist alleine schon deswegen
notwendig, weil man ansonsten auf jegliche Steuerungsmöglichkeiten verzichten
würde „mit Blick auf die Ziele der Teilhabe als auch auf die Stabilität
öffentlicher Haushalte zulasten der Träger der Eingliederungshilfe“ (S. 7). Man
hat also nicht nur Sorge, dass eine Teilhabe der Leistungsberechtigten
vielleicht nicht stattfindet und die Gelder damit nutzlos ausgegeben werden,
man glaubt auch, dass hier eine sehr gefährdende Ausgabendynamik unterschwellig
vorhanden ist.
Warum ein solches
Prüfrecht überzogen ist
Diese neue Regelung wird aber von den Leistungserbringern
als eine Verschärfung angesehen, weil im neuen § 128 Abs. 1 S. 1 SGB IX n.F.
die Rede von „tatsächlichen Anhaltspunkten“ ist:
„Soweit tatsächliche Anhaltspunkte dafür
bestehen, dass ein Leistungserbringer seine vertraglichen oder gesetzlichen
Pflichten nicht erfüllt, prüft der Träger der Eingliederungshilfe oder ein von
diesem beauftragter Dritter die Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich
der Wirksamkeit der vereinbarten Leistungen des Leistungserbringers.“ (Fettdruck
von mir).
Es muss also ein Bezug zu einem tatsächlichen
Fehlverhalten bestehen. Alles andere wäre ein reines kontrollieren, dass
schließlich auch seinen Niederschlag in den weiteren Verhandlungen zwischen
Leistungserbringern und Leistungsträgern finden wird. Dass es mal zu einem
unwirtschaftlichen Verhalten kommen kann, weil die Entscheider in den sozialen
Unternehmen in dem Moment keine Alternativen erkannten, darf nicht zu einem
Rechtfertigungs-Kampf führen.
Anlassunabhängig bedeutet auch, dass eine Prüfung
ausgeweitet werden kann auf alle Bereiche. Und ein soziales Unternehmen muss
sich dann damit auseinandersetzen, wird aber nicht gleichzeitig seine anderen
Aufgaben wahrnehmen können?
Die Prüfung vornehmen könnte der Landesrechnungshof, wenn
er hierzu ermächtigt wäre. Im Kommunalprüfungsgesetz (KPG-SH) hatte man
unlängst einen entsprechenden Passus aufgenommen. Kommunale Körperschaften können,
sofern ihnen aufgrund von Rechtsgeschäften oder Verträgen im „Zusammenhang mit
dem SGB XII Prüfungsrechte gegenüber Dritten zustehen“, den Landesrechnungshof
hierzu beauftragen (§ 6 Abs. 3 KPG-SH). Das wäre jetzt, würde man das
Kleingedruckte lesen, nicht möglich sein. Es überrascht, dass mit dem
vorliegenden Gesetzentwurf zur (angeblichen) Teilhabestärkung dieser Passus nicht
ebenfalls geändert worden ist.
Wie jetzt eine Steuerung
und gemeinschaftliche Arbeit gelingen soll
Neu ist auch eine Regelung, mit der ein „Steuerungskreis
Eingliederungshilfe“ (§ 2) definiert wird. Dieser Steuerungskreis setzt sich
zusammen aus Vertretern der Leistungsträger Eingliederungshilfe und dem
federführenden Ministerium. Es soll eine Abstimmung und die Koordinierung der
Aufgaben aus dem vorliegenden Gesetz ermöglichen, was eigentlich auch
folgerichtig ist und ggü. dem ersten Entwurf fehlte.
Dagegen abzusetzen ist die sogenannte
„Arbeitsgemeinschaft“ (§ 3) zur Begleitung der Umsetzung des Rechts der
Eingliederungshilfe. Dieses Gremium ist besetzt mit Vertretern der
Leistungsträger, Leistungserbringer bzw. der jeweiligen Verbände und dem
Landesbeauftragen für Menschen mit Behinderungen.
Im Verständnis der Landesregierung weist diese
Arbeitsgemeinschaft einen eher unverbindlichen Charakter auf – also ganz
anders, als die bisherige Vertragskommission SGB XII. Bindende Beschlüsse „für
und gegen die nach dem SGB IX Verantwortlichen“, können von diesem Gremium
nicht getroffen werden (S. 18).
Wie die neu
gestärkten Teilhabenden ihre Interessen wahrnehmen können
Eine weitere Einschränkung wird darin gesehen, dass es
eine Vielzahl „kleiner Interessenverbände mit überwiegend ehrenamtlichen
Strukturen“ gibt. Dies wird als Hinderung für eine effektive Arbeitsstruktur
angesehen (S. 18). Weil es an einer „Selbstvertretung der Verbände von Menschen
mit Behinderungen“ fehlt, kann somit nur der Landesbeauftragte für Menschen mit
Behinderungen an der Erarbeitung und Beschlussfassung von Rahmenverträgen mit
Leistungserbringern mitwirken (S. 7).
Eine echte Beteiligung von Betroffenen und ihrer Verbände
findet nicht statt. Allenfalls kann der Landesbeauftragen für Menschen mit Behinderungen, den bei ihm
gebildeten „Beratenden Ausschuss“ im Bedarfsfall hinzuziehen. Doch das
verwundert ein wenig, weil schließlich die Bundesregierung mit ihrem Arbeitskreis
zum Entwurf eines Bundesteilhabegesetzes (zuerst noch ein „Bundesleistungsgesetz“)
einen viel größeren Betroffenenkreis eingeladen hatte. Wenn es aber um
Rahmenverträge geht, die jeweils für sich genommen nur einen kleinen Kreis
betreffen, könnte man die Anzahl der zugeladenen Interessenvertretungen
überschaubar halten.
Und „überwiegend ehrenamtlichen Strukturen“ erscheint
auch übertrieben. Gerade die Welle an Rückmeldungen zum ersten Entwurf dieses
Teilhabestärkungsgesetzes zeigt, dass ausgesprochene Fachkräfte in diesen Verbänden
tätig sind, u.a. dem Landesverband der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger
Behinderung (Lebenshilfe-SH), dem Landesverband körper- und mehrfachbehinderte
Menschen (LVKM-SH), dem Blinden- und Sehbehindertenverein Schleswig-Holstein
e.V. ( BSVSH ) und erst recht dem Paritätischen Wohlfahrtsverband (PARI-SH).
Mitwirkung sieht anders aus. Gerade wenn es um die
Stärkung einer Teilhabe bisher eingeschränkter Betroffener gehen soll. Dieser
Gesetzentwurf liest sich dagegen wie ein „Instrument zur Stärkung der
Leistungsträger“. Diejenigen allerdings, die nun wirklich teilhaben sollen,
müssen mit dem altbekannten Gefühl des „Nicht-wirklich-beteiligt-seins“
auskommen und müssen darauf hoffen, dass die Landesbeauftragte für Menschen mit
Behinderungen trotz sehr eingeschränkter personeller Kapazitäten vertreten
kann. Wenn deren Ressourcen nicht erheblich aufgestockt werden, stellt diese Form
der Beteiligung lediglich ein Alibi dar. Und das geht nicht.
CGS
Quellen:
Drucksache 19/367 vom 28.11.2017
Gesetzentwurf der Landesregierung
1. Lesung im Landtag am 15.12.2017
1. Lesung im Landtag am 15.12.2017
Ministerium
für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren des Landes
Schleswig-Holstein
Pressemitteilung
/ Medien-Information vom 28.11.2017
PARITÄTISCHER Wohlfahrtsverband Schleswig-Holstein e. V.
(letzter Aufruf am 16.12.2017)
Das neue Prüfungsrecht für den Landesrechnungshof in
Schleswig-Holstein in Sachen Eingliederungshilfe
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