Dienstag, 26. November 2019

BTHG: Es geht jetzt doch ohne Umsatzsteuer weiter

Am 21.8.2019 gab es eine Rückmeldung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zu einer Frage aus dem Paritätischen Gesamtverband. Doch diese Antwort war sehr unbefriedigend, und eigentlich auch völlig außerhalb jeder Zuständigkeit. Befassen muss sich das Bundesfinanzministerium (BMF), weil es schließlich um die Frage geht, ob die Versorgungsleistungen ab 1.1.2020 mit einer Umsatzsteuer versehen werden muss.

Am 12.11.2019 folgte ein sogenanntes Fachgespräch, was ebenfalls keine wirkliche Lösung brachte. Aber das Problem wurde anscheinend endlich verstanden, so dass jetzt endlich, am 22.11.2019, einige Klarstellungen geschaffen wurden. Es fehlt zwar noch ganz formal an einer Bestätigung dieser Sichtweise durch die obersten Finanzbehörden der Länder. Das BMF hat allerdings bereits angezeigt, dass es eine Ergänzung des Anwendungserlasses erfolgen könnte (wahrscheinlich wird es in jedem Fall passieren).


Die Leistungserbringung erfolgt nach wie vor aus einer Hand

Noch immer wird geglaubt… könnte man sagen. Doch in den letzten Wochen hat sich an dieser Auffassung einiges geändert. Die Auftrennung der bisherigen Komplexleistung Eingliederungshilfe in die Leistungsbereiche SGB IX (Eingliederungshilfe-neu) und SGB XII (Sozialhilfe) führt scheinbar zu einer kompletten Änderung der Leistungserbringung an sich. Was man mit der Reform der Eingliederungshilfe erreichen wollte, war ja schließlich die Möglichkeit für die leistungsberechtigten Menschen, sich selbst ihre Leistungen einzukaufen. Stationäre Einrichtungen sollten verschwinden, damit eine völlige Ambulantisierung stattfinden kann.

Aber das ist alles sehr theoretisch und weit entfernt von der Lebenswirklichkeit. Warum sonst hat man die „besonderen Wohnformen“ geschaffen, kann man fragen. Die sozialleistungsrechtliche Trennung ist zwar geschehen, die Leistungserbringung erfolgt nach wie vor aus einer Hand. Und auch das ist so gewollt.

Noch im April 2019 kam vom BMAS ein Schreiben, in dem behauptet wurde: „Durch die Neuausrichtung der Wohnform für behinderte Menschen durch das BTHG fallen grundsätzlich nicht mehr alle Leistungen der Wohneinrichtung … generell unter die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 16 Buchstabe h UStG“ (S. 3 im Schreiben vom 12.4.2019; Fettdruck von mir). Die zuständige Stelle beim BMAS ging damals, wie viele andere, davon aus, dass die Trennung der Leistungsbereiche auch eine Trennung im Betrieb der Einrichtungen nach sich zieht. Die Fachleistung wäre zwar weiterhin im bisherigen Kernbereich des umsatzsteuerlich begünstigten Leistungserbringers angesiedelt, die Vermietungsleistung nach einer eigenständigen Grundlage im § 4 Nr. 12 UStG.

Dem ist aber nicht so. Die Leistungserbringung wird nicht getrennt, sondern sie erfolgt – in den allermeisten Fällen – aus einer Hand. Im Termin am 12.11.2019 wurde dies zwischen den Vertretern der Leistungserbringer und den verschiedenen Ministerien noch einmal thematisiert. Wenn ein Vertrag nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz vorliegt, in dem alle Leistungen mit dem leistungsberechtigten Menschen (nun als Verbraucher anzusehen) bestimmt sind, dann entsteht eine Kopplung (siehe dazu frühere Beiträge von mir).

Mit der Kopplung gelingt eine „enge Verbundenheit“ der Leistungserbringung auf Ebene der vertraglichen Beziehung zwischen dem Unternehmen und dem Verbraucher. Nebenleistungen, wie zum Beispiel die Lebensmittelversorgung, wären, dann der Hauptleistung zuzuordnen (Eingliederungshilfe-neu). Selbst wenn die Lebensmittelversorgung essentiell ist und damit eine sehr wesentliche Eigenschaft einnimmt, sie würde sich der Hauptleistung unterordnen müssen. Und da die Hauptleistung eine umsatzsteuerlich begünstigte Leistung ist, würde jeder Umsatz, der in dieser Zusammenhangleistung erbracht wird, umsatzsteuerfrei behandelt werden. Allerdings, so das BMF in der Besprechung, sei eine „abschließende Bewertung … noch nicht möglich“ (Protokoll von Herrn Werner Hesse, Paritätischer Gesamtverband).


Zwei Lösungswege, keine Lösung?

Damit sollen sich zwei mögliche Lösungswege ergeben:

-          0 % Umsatzsteuer (und somit 0 % Vorsteuer), wenn eine enge Verbundenheit zur Hauptleistung Eingliederungshilfe-neu unterstellt werden kann;

-          7 % Umsatzsteuer (und somit jede Vorsteuer), wenn es sich um eine essentielle, eigenständige Hauptleistung handelt.

Letzteres würde bedeuten, dass der Wareneinsatz in pauschaler Art und Weise unabhängig von den tatsächlichen Bezugsquellen erfasst wird. Verarbeitete Waren, die im Einkauf mit 10,7 % oder 19 % bezahlt worden sind, würden an den Endkunden mit 7 % weitergegeben werden – pauschal. Doch es wäre ebenfalls denkbar, dass ein Leistungserbringer – wieder pauschal – die 19 % Umsatzsteuer verlangt.

Solche „Pauschalitäten“ bringen keine Erleichterung, sondern schaffen nur noch mehr Probleme (was auf der Rechnung an Umsatzsteuer steht, muss schließlich auch weitergegeben werden). Nach wie vor müssten dann ja auch verwaltungstechnische Strukturen geschaffen werden, damit eine korrekte Umsatzsteuer-Voranmeldung stattfinden kann. Der Termin dafür wäre schon am 10. Februar 2020.

Doch damit ist jetzt Schluß. Ein vorläufiges Ende deutet sich an in dem Schreiben des BMAS vom 22.11.2019. Darin wird eine neue Rechtsauffassung bekanntgegeben, die nun zwischen dem BMF und den obersten Finanzbehörden der Länder abgestimmt werden muss: „Erbringt ein Leistungserbringer die Pflege- und Betreuungsleistungen sowie Verpflegungsleistungen aufgrund getrennter Verträge, ist es für das BMF zudem denkbar, dass auch die aus der Versorgung ihrer hilfsbedürftigen Kunden erzielten Umsätze als mit einer Einrichtung zur Pflege oder Betreuung eng verbundenen Umsätze i. S. des § 4 Nr. 16 UStG angesehen werden und somit ebenfalls umsatzsteuerfrei sind“ (S. 2; Fettdruck von mir).

Nicht nur Koppelverträge, sondern auch getrennte Verträge über Einzelleistungen gelangen in den Genuss dieses Privilegs, wenn sie in der Sphäre des Unternehmens liegen und sich rein auf die Versorgung der Verbraucher richtet.

CGS



Quellen:



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