Montag, 21. Dezember 2015

Der Mindestlohn als Refinanzierungsproblem (Teil 6)

Noch immer gibt es keine Lösung für die Leistungserbringer. Entweder sie akzeptieren die „harte“ Haltung der Leistungsträger oder sie gehen vor die Schiedsstelle.

Das Protokoll zur Sitzung der Vertragskommission SGB VIII (Schleswig-Holstein) vom Oktober 2015 wurde nun veröffentlicht, so dass man ein wenig mehr die Ansichten der Leistungsträger nachvollziehen kann.

1.
Die Leistungsträger sehen den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVÖD) als eine Art „Leitwährung“ an, die sich auf alle Leistungserbringer im Bereich der Jugendhilfe erstreckt. Dies leiten sie ab aus dem Jugendhilfe-Rahmenvertrag für Schleswig-Holstein nach § 78 f SGB VIII (JugH-RV) sowie den dazugehörigen Verfahrensvereinbarungen Jugendhilfe (VV JugH). Tatsächlich finden sich einige Bezüge auf den TVÖD, doch dass dieser eine „Leitwährung“ darstellt, ist nicht nachvollziehbar.

Nach Ziffer 4.2 der Anlage A erfolgt die Kalkulation der Personalkosten entweder „unter Anwendung der in der Einrichtung angewandten Vergütungssystematik“ oder „unter Anwendung eines Referenzvergütungssystems im Wege einer pauschalierten Kalkulation“. Letzteres bezieht sich vermutlich auf den TVÖD, aber so ausdrücklich steht es nicht in der Unterlage.

Nach Ziffer 6.2.1 werden für die Berechnung und Anpassung der Entgelte die „Personalkosten um die prozentuale Rate angepasst, die sich aufgrund der Tarifentwicklung im TVÖD-VKA, gesetzlichen Veränderungen, der Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge ergibt.“ Damit ergibt sich zwar ein Bezug zu den Tarifrunden des TVÖD, diese scheinen dann wirklich das Maß der Dinge zu sein, aber die Grundlage für die Bestimmung der Personalkosten an sich, nicht der jährlichen Steigerungsrate, kommt ggf. aus der in der Einrichtung „angewandten Vergütungssystematik“.

2.
Das Mindestlohngesetz (MiLoG) nimmt keine Bestimmungen vor hinsichtlich Bereitschaftsdienste. Von daher gehen Landkreistag und Städteverband davon aus, dass eine Anrechnung der Bereitschaftszeit als Arbeitszeit zu 25 Prozent, die wiederum voll vergütet wird, mit den Vorgaben des Mindestlohngesetzes vereinbar ist. Sie begründen dies unter Verweis auf § 8 Abs. 4 TVÖD-VKA in Verbindung mit § 15 Abs. 6a des am 30.9.2005 gültigen Bundesangestelltentarifvertrages (BAT).

Im TVÖD heißt es nämlich, dass das Entgelt für den Bereitschaftsdienst landesbezirklich und für den in einem Tarifvertrag auf Bundesebene geregelt wird; dann folgt der weitere Bezug auf den BAT mit den „25 %“, was aber hier nicht wiederholt werden muss.

Das Problem mit dieser Sichtweise ist aber, dass die Leistungsträger das MiLoG für tarifdispositiv halten. Dies ist aber schlichtweg falsch – im Gegenteil: das MiLoG tritt in seiner Anwendung zurück, wenn Tarifverträge „allgemeinverbindlich“ erklärt worden sind (vgl. § 24 MiLoG).

Zieht man ein Fazit, dann kann man diese Argumentation zwar verstehen, aber nicht folgen. Der TVÖD ist keine „Leitwährung“ – oder zumindest der Tarifvertrag, den man für die „Verpreislichung von Personal in der Jugendhilfe“ (Zitat Protokoll) nimmt. Lediglich die Erhöhungsbeträge aus den Tarifrunden wirken sich bei Anwendung der Verfahrensvereinbarungen auf die vormals kalkulierten und einvernehmlich festgestellten Personalkosten pro Stelle aus. Immerhin könnten Träger einer ganz anderen Vergütungssystematik unterliegen, so dass dann die Bestimmungen des TVÖD, gar nicht greifen würden.

Also:

Der TVÖD ist nicht als Leit-Tarifvertrag im Jugendhilfe-Rahmenvertrag vereinbart worden.

Andere Träger könnten andere Tarifverträge anwenden.

Das MiLoG ist nicht tarifdispositiv.


CGS




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Freitag, 11. Dezember 2015

Schulbegleitungen in Schleswig-Holstein - Probleme mit Weiterbewilligungen

Das Thema Schulbegleitung und Schulassistenz findet kein Ende.

In zwei Landkreisen in Schleswig-Holstein sollen die Bewilligungen unter Vorbehalt ausgestellt worden sein. Bei Einsatz der Schulassistenten an den Grundschulen drohen die Leistungsbescheide auszulaufen bzw. sie gelten nur bis zum Ende des ersten Schulhalbjahrs (Januar 2016).

Dies ist ein Problem, weil Arbeitsverträge für die Integrationsassistenten / Schulbegleitungen häufig zeitlich befristet sind. Wenn Mitarbeiter wechseln oder ein neuer Bezugsmitarbeiter steht momentan nicht zur Verfügung, hat dies Auswirkungen auf die schulische Teilnahme des zu betreuenden Kindes.

CGS


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Samstag, 5. Dezember 2015

Off-the-beaten-path: Was Saudi-Arabien mit der Eingliederungshilfe zu tun hat.

Manchmal muss man wohl um viele Ecken denken und abseits der ausgetretenen Pfade gehen. In Entgeltverhandlungen wird ständig argumentiert und dargelegt, warum ein Kostenansatz begründet ist, und diesmal geht es darum, warum weiterhin mit hohen Tarifabschlüssen zu rechnen ist. Hier ist eine solche Begründung – zugegebenermaßen, ein wenig weit hergeholt.

Saudi-Arabien und der Ölpreis – was sich ganz und gar nicht wie ein Thema für einen Blog über die vergütete Eingliederungshilfe anhört, hat einen sehr ernsten Hintergrund. Denn nach Meinung vieler Finanzexperten hatte das ölreichste Land der Welt deswegen seine tägliche Rohölförderung auf 10 Mrd. Barrel erhöht, damit den nordamerikanischen und hoch verschuldeten Schieferölförderern im Preiskampf die Puste ausging. Diese haben es nämlich mittlerweile auf eine tägliche Förderung von 12 Mr. Barrel geschafft.

Mit der Annäherung des Irans und dem Westen betritt ein weiterer Spieler die Bühne. Auch wenn die Förderanlagen im Iran derzeit noch als veraltet und ineffizient gelten, sie können modernisiert werden und damit die Fördermenge von 3 Mrd. Barrel auf den Stand der Jahre 2007/2008 von 4 Mrd. steigern. Mit einem Rückgang des Rohöl-Angebots bzw. der Fördermengen ist in naher Zukunft nicht zu rechnen.

In 2012 wurden noch weltweit 75,3 Mrd. Barrel insgesamt produziert, da lag der Preis bei weit über 100 US-$ per Barrel. Jetzt sind es 96,2 Mrd. Barrel und der Preis liegt bei knapp 45 US-$. Die Internationale Energie Agentur (IEA) geht davon aus, dass die Nachfrage in einem Jahr bei 96,7 Mrd. Barrel liegen wird, doch Saudi-Arabien wird es nicht mehr in der Hand haben, die Preise zu bestimmen.

Mit den (erheblich) gesunkenen Einnahmen wird das Land nun ein Haushaltsbudget stemmen müssen und möglicherweise selbst zum Schuldner werden. Prognosen gehen davon aus, dass das Haushaltsdefizit im kommenden Jahr bei 21 % des BIP liegen wird, bis 2020 soll die Staatsverschuldung auf 40 % des BIP steigen. Solche Zahlen sehen an sich nicht dramatisch aus, wenn man diese mit der Staatsverschuldung von Griechenland oder den USA vergleicht (175,1 bzw. 105,1 % in 2015, Quelle: destatis).

Problematisch ist die Lage bei der Leistungsbilanz. Denn bei einer negativen Leistungsbilanz (ausgedrückt in % vom BIP) droht ein Abwertungsrisiko für die eigene Währung. Das Land müsste gegensteuern, in dem es umfangreiche Stützungskäufe tätigt, was wahrscheinlich auch passieren wird. Doch dann, so die Experten, könnte der Ölpreis noch weiter fallen – 30 US-$.

Lange Rede, kurzer Sinn: Der Ölpreis hat einen erheblichen Einfluss auf die Konjunktur und die Preise. Wenn die Preise sinken, werden Verbraucher ihren Konsum zeitlich verschieben, was Gift für die Konjunktur ist. Ebenso werden Unternehmen Investitionen aufschieben, im schlimmsten Fall sogar Kapazitäten abbauen, weil die Verbraucher ihre Produkte nicht mehr kaufen wollen.

Das will die EZB auf keinen Fall. Im Gegenteil, es müssten Maßnahmen ergriffen werden, die dem Preisverfall entgegenwirken, z.B. durch die Steigerung der Realeinkommen in Folge von höheren Tarifabschlüssen.

CGS





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Sonntag, 29. November 2015

Der Mindestlohn als Refinanzierungsproblem (Teil 5)

Am 14.11.2015 hatte ich noch mit der Argumentation des Leistungsträgers in der Vertragskommission gehadert, warum es keine rechtliche Grundlage für die Anhebung der Vergütungen geben soll. Die Argumentationslinie ist mir jetzt verständlicher.

Arbeitgeber (Leistungserbringer) sind gesetzlich verpflichtet, einen Mindestlohn zu zahlen, der nicht unter 8,50 Euro die Zeitstunde liegen darf (§ 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG).

Da im Tarifvertrag TVÖD-VKA keine Regelung zum gesetzlichen Mindestlohn enthalten ist, sei es durch Öffnungsklausel oder der Übernahme einer vergleichbaren Regelung, müssen Unternehmen, die z.B. Bereitschaftsdienste (analog zu §§ 45 ff. TVÖD BT-B-VKA) leisten, einen freiwilligen Zuschlag zum tariflichen Lohn zahlen, damit der gesetzliche Mindestlohn erreicht wird.

Sollten die Arbeitsgerichte entscheiden, dass Bereitschaftsdienste nicht unter das MiLoG fallen und demzufolge tatsächlich anders bezahlt werden dürfen, so sollten die Zuschläge unter dem Vorbehalt der Widerrufbarkeit gezahlt werden – so zumindest die Empfehlung verschiedener Personaler und Tarifkenner. Das heißt, wenn der Arbeitgeber die Rechtmäßigkeit der Zahlung widerruft, dann müssen die Arbeitnehmer diese nun „unrechtmäßigen“ und „unter Vorbehalt des Widerrufs“ geleisteten Zuschläge zurückzahlen.

Wie weit zurück ein solcher Widerruf überhaupt möglich ist, sei jetzt für die weitere Besprechung dahingestellt. Es gibt zwar eine tarifliche Ausschlussfrist, nach deren Zeitablauf Rückforderungen nicht mehr gestellt werden können, aber darauf fußt die Argumentation der Leistungsträger nicht. Problematisch ist dagegen, dass Vergütungsvereinbarungen deswegen nicht ungültig werden, wenn Arbeitsgerichte (Gesetzgeber, Tarifparteien usw.) bestimmte Regelungen kippen, auf denen zuvor eine Vergütung kalkuliert worden ist. Also: Sollten die Arbeitsgerichte entscheiden, dass Bereitschaftsdienste nicht unter das MiLoG fallen und demzufolge anders bezahlt werden dürfen, dann ändert sich die Vergütungsvereinbarung nicht und der Leistungserbringer erhält eine „nicht-leistungsgerechte“ Vergütung bis zur nächsten Neuverhandlung.

Weil (1.) dieser freiwillige Zuschlag im Tarifvertrag nicht geregelt ist, also die letzten Tarifverhandlungen auch keine Änderungen dahingehend vereinbart hatten, und (2.) darüber hinaus eine Widerrufbarkeit zu Gunsten des Arbeitgebers ausgesprochen wird, und (3.) Vergütungsvereinbarungen nur „leistungsgerechte“ Entgelte beinhalten dürfen, mangelt es an der formalen Grundlage.

Man könnte die Angelegenheit wie folgt lösen:

Es wird anerkannt, dass die gesetzliche Regelung der tariflichen Regelung vorgeht, weil der Tarifvertrag nicht allgemein verbindlich erklärt worden ist.

Es wird eine widerrufbare Zulage gezahlt zum Ausgleich der Differenz zum gesetzlichen Mindestlohn bis eine gerichtliche, gesetzliche oder tarifliche Regelung getroffen worden ist. Diese Zulage wird, wenn sie denn ausgezahlt worden ist, nicht mehr zurückgefordert (einseitige Entscheidung des Arbeitgebers) – auf die Einrede der Verjährung wird also verzichtet.

Die Vergütungsvereinbarungen werden nicht nur zeitlich befristet (was sie in der Regel sowieso sind), sondern in Höhe der voraussichtlichen Zulagenzahlung wird ein Ausgleichsbetrag vereinbart, der im Folgejahr entfällt bzw. wieder neu vereinbart werden muss.

CGS



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Freitag, 27. November 2015

Aufgaben der Schulischen Assistenzkräfte an schleswig-holsteinischen Schulen

Im Juli veröffentlichte das schleswig-holsteinische Ministerium für Schule und Berufsbildung seine Ausschreibung für Schulische Assistenzkräfte (w/m). Im Kreis Pinneberg werden derzeit die Einstellungslisten mit Namen befüllt, aber noch sind nicht alle Einstellungsgespräche abschließend geführt worden. Geplant war die Stellenbesetzung für August oder September, nun wird es auf den Dezember oder gar Januar 2016 hinauslaufen. Was darüber hinaus noch interessant sein könnte, folgt ab hier.

Zur Anwendung kommt der TV-L, wobei mir noch nicht klar ist, nach welcher Entgeltordnung die Eingruppierung erfolgt. In jedem Fall wird bei der Einstellung beachtet, welchen Ausbildungsstand die Kandidaten mitbringen. Dreijährige Fachausbildungen, d.h. im Bereich der Pädagogik bzw. im Sozial- und Erziehungsdienst, werden entsprechend hoch eingruppiert. Sofern einschlägige Berufserfahrung vorliegt, wird diese in den Entwicklungsstufen wiederzugeben sein. Woran aber die wenigsten denken werden, ist das Stufenlaufzeitjahr.

Mit der Anwendung des TV-L erledigt sich damit auch das Thema Mindestlohn. Es gab an einigen Stellen die Befürchtung, dass die Bezahlung unterhalb der 8,50 Euro Stundenlohn liegen könnte.

Die Ausschreibung der Stellen für Schulische Assistenzkräfte soll folgende Aufgaben benennen:

Schulische Assistenzkräfte sollen die Arbeit von Grundschulen unterstützen, indem sie unter Anleitung von Lehrkräften vor allem:

1. Hilfestellung bei der Umsetzung von Arbeitsaufträgen oder der Verwendung von Arbeitsmaterial leisten sowie zur Motivation und Aufmerksamkeitslenkung der Schülerinnen und Schüler beitragen,

2. an spezifischen Fördermaßnahmen für Gruppen oder einzelne Schülerinnen und Schüler mitwirken, bei Konfliktsituationen von Schülerinnen und Schülern assistieren, und

3. pädagogische Angebote auch außerhalb des Unterrichts (zum Beispiel in Pausen oder vor Beginn des Unterrichts, Projekt- und Sporttage, Schul- und Klassenfeste) mitgestalten.

Die Aufgaben entstammen der Unterlage „Eckpunkte zur Zielsetzung und zu den Aufgaben Schulischer Assistenz“ vom 12.05.2015. Sie wurde seinerzeit in Kommission Schulbegleitung erarbeitet.

In der Unterlage werden die möglichen Aufgaben und Einsatzfelder mit Beispielen unterlegt:

Unterstützung von Schülerinnen und Schülern im sozialen und emotionalen Bereich mit dem Ziel der Förderung des sozialen Verhaltens und der besseren Integration in den Klassenverband sowie einer dauerhaften schulischen Teilhabe. Beispiele sind:

Unterstützung von Schülerinnen und Schülern bei der Umsetzung bzw. Einhaltung von vereinbarten Regel- und Ordnungsprinzipien,

Regelmäßige Kontakt- und Gesprächsangebote zur Unterstützung der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter (Einzel- , Kleingruppengespräche, Begleitung von Klassenratsstunden…),

Unterstützung von Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern in Konfliktsituationen (z.B. bei Selbst- und Fremdaggression, Verweigerungen, Weglaufsituationen oder Rückzugserfordernissen) durch Kontakt-, Gesprächs- und Handlungsangebote,

Mit der Klassenlehrkraft abgestimmte Interventionen wie die Begleitung von befristeten Auszeiten, usw.,

Angeleitete Unterstützung/Begleitung/Umsetzung von spezifischen Fördermaßnahmen und Lernprogrammen für Gruppen oder einzelne Schülerinnen und Schüler im Schwerpunkt ihrer emotionalen bzw. sozialen Entwicklung,

Die Unterstützung von befristeten Maßnahmen der schulischen Erziehungshilfe innerhalb und außerhalb der Lerngruppe

Unterstützung von Lehrkräften sowie von Schülerinnen und Schülern während des Unterrichts.  Beispiele sind:

Angeleitete Unterstützung einer Schülergruppe oder einzelner Schüler im Klassenverband,

Hilfestellungen bei der Umsetzung von Arbeitsaufträgen,

Hilfestellungen bei Handlungsplanung und Selbstorganisation oder der Verwendung von Arbeitsmaterialien

Ermutigung, Motivation von Schülerinnen und Schülern,

Unterstützung von Schülerinnen und Schülern bei dem Einüben von Methoden, dem Einsatz von (technischen) Hilfsmitteln wie speziellen Computer- oder Lernprogrammen oder der Anwendung von Arbeitstechniken, usw.,

Angeleitete Unterstützung einer Schülergruppe oder einzelner Schüler außerhalb des Klassenverbandes, z.B. bei befristeten räumlichen Aufteilungen,

Begleitung und Unterstützung von angeleiteten Differenzierungsangeboten.

Die Unterstützung von Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern bei der Gestaltung des gesamten Schulvormittags einschließlich der Pausen. Beispiele sind:

Gestaltung von pädagogischen Pausen- oder Frühstücksangeboten,

Begleitung angeleiteter Kleingruppenangebote (Spielen, Bewegung, Lesen...),

Begleitung von Schülerinnen und Schülern in Ruhe- und Rückzugszonen.

Die Unterstützung von Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern bei besonderen Projekten, Ausflügen bzw. Klassenfahrten, Sporttagen, Schul- und Klassenfesten sowie generell beim Lernen am anderen Ort. Beispiele sind:

Begleitung von Ausflügen und Klassenfahrten,

Unterstützung bei der Durchführung von Projekt- und Sporttagen, Schul- und Klassenfesten, usw.,

Begleitung von Aktivitäten „Lernen am anderen Ort“.

Die Unterstützung einzelner Schülerinnen und Schüler bei unterrichtsergänzenden Angeboten, um deren Teilnahme zu ermöglichen (z.B. Ganztag, Betreuung, Hausaufgabenhilfe, Arbeitsgemeinschaften). Beispiele sind:

Hausaufgabenhilfe und Arbeitsgemeinschaften,

Begleitung von Schülerinnen und Schülern mit Unterstützungsbedarf in Betreuungs- oder Ganztagsangeboten.

Die punktuelle Unterstützung von Schülerinnen und Schülern in belastenden Situationen (keine Beispiele genannt).

Keinesfalls dürfen Schulische Assistenzkräfte für eigenständigen Unterricht oder für Vertretungsaufgaben eingesetzt werden. Sie sind aber eingebunden in der Konstellation von schulischer Pädagogik, Sonderpädagogik und Schulsozialarbeit.

Soweit so gut, aber noch immer ein wenig undurchsichtig, was sich wohl erst mit der täglichen Praxis glätten lässt. Gerade bei Schülern mit Unterstützungsbedarf könnte sich eine mögliche Schnittstellenproblematik auftun zur Schulbegleitung (Integrationsassistenz), die aus Mitteln der Jugend- oder Sozialhilfe bezahlt wird.

Andererseits wird mit diesem Aufgabenkatalog klargestellt, welche Aufgaben im Kernbereich der pädagogischen Arbeit liegen und eben nicht (!) von Schulbegleitern zu leisten sind.

CGS


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Samstag, 21. November 2015

Wann Entgeltverhandlungen zu führen sind

Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Aufforderung zu Entgeltverhandlungen gem. § 77 SGB XII? Wie immer kommt es auf den Landesrahmenvertrag an, doch schon der Blick ins Gesetz gibt Aufschluss, wann dieser Zeitpunkt sein muss.

Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind die Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII, und dazu gehören die Leistungsvereinbarung, Prüfungsvereinbarung und Vergütungsvereinbarung, „… vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum (Vereinbarungszeitraum) abzuschließen… “. Vereinbarungen sollen prospektiv sein und keine Rückwirkung entfalten; dies findet sich gleichfalls in Abs. 2 S. 3, wonach ein „zurückwirkendes Vereinbaren oder Festsetzen von Vergütungen“ nicht zulässig ist (Grundsatz der Prospektivität).

Entgeltverhandlungen müssen also vor dem Abschluss der angestrebten Vergütungsvereinbarung abgehalten werden, damit in der Vereinbarung ein Beginn-Datum festgelegt werden kann. Die Formulierung „vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode“ wird aber im Gesetzestext nicht weiter definiert, so dass damit jeder Monatserste gemeint sein kann.

Der Gesetzgeber verlangt allerdings, dass Entgeltverhandlungen gem. Abs. 1 S. 3 über einen Zeitraum von „sechs Wochen“ geführt werden müssen, bevor die Schiedsstelle über die streitigen Gegenstände entscheiden kann. Von daher ist die schriftliche Aufforderung zu Verhandlungen alleine nicht ausreichend, es müssen Streitgegenstände konkret benannt werden.

Ebenso kann unter dem verwendeten Begriff „Vereinbarungszeitraum“ durchaus eine Periode von weniger oder mehr als einem Jahr verstanden werden (vgl. Rz. 4 zu § 77 SGB XII in Münder, LPK-SGB XII, 8. Auflage, S. 582). In der Regel finden neue Verhandlungen erst sechs Wochen vor dem Ablaufdatum der jeweiligen Vergütungsvereinbarung statt, was aber nicht immer zwingend der Fall sein muss. Wenn aber eine Frist für die ordentliche Kündigung im Landesrahmenvertrag, den Verfahrensvereinbarungen oder sogar in der Vergütungsvereinbarung enthalten ist, dann kann dementsprechend auch früher zu Verhandlungen aufgefordert werden.

Neuverhandlungen können aber auch stattfinden bei„… unvorhersehbaren wesentlichen Veränderungen der Annahmen, die der Vereinbarung oder Entscheidung über die Vergütung zu Grunde lagen…“ (vgl. Abs. 3). Damit ist nicht die außerordentliche Kündigung gemeint, siehe hierzu § 78 SGB XII. Vielmehr ist so etwas wie das Rechtsinstitut des § 242 BGB, Wegfall der Geschäftsgrundlage, impliziert (vgl. Rz. 22 zu § 77 SGB XII in Münder, LPK-SGB XII, 8. Auflage, S. 588). Sofern Veränderungen eingetreten sind, die so nicht vorhersehbar waren, sind Neuverhandlungen möglich. Gleichwohl kann z.B. ein Leistungsträger dadurch entgegenwirken, in dem Ereignisse benannt werden, die als „nicht unvorhersehbar“ gelten sollen.

Es kann also gut sein, dass ein Tarifabschluss, wie jetzt im Falle der Eingruppierungsregelungen im Sozial- und Erziehungsdienst, einen „unvorhersehbaren“ Kostenaufwand mit sich bringen; sehr wahrscheinlich bleiben viele Leistungserbringer deswegen auf diesen Mehrkosten in 2015 sitzen, weil ihre Vergütungsvereinbarung einen Kündigungsausschluss bis zum 31.12.2015 vorsieht. Andererseits sind neue Gesetze mit ihren Auswirkungen, wie beim Mindestlohngesetz, nicht wirklich absehbar und könnten ggf. zu vorzeitigen Neuverhandlungen berechtigen.

Der Zeitpunkt für Entgeltverhandlungen richtet sich somit immer nach dem vergütungsrelevanten Ereignis (Abs. 3) und nach dem Ablaufdatum oder Kündigungstermin der Vergütungsvereinbarung zuzüglich der sechs Wochen Verhandlungsdauer (Abs. 1).

CGS




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Samstag, 14. November 2015

Der Mindestlohn als Refinanzierungsproblem (Teil 4)

Arbeitgeber in der Sozialwirtschaft mit Bereitschaftsdiensten dürfen das Thema Mindestlohn nicht ignorieren, sondern sind gut beraten, sich die Auswirkungen vor Augen zu führen.

Auch in der Vertragskommission SGB XII (Schleswig-Holstein) wurde das Thema besprochen. Das Ergebnis blieb allerdings gleich: Die Leistungsträger lehnten ab, weil es keine rechtliche Grundlage für eine Anhebung der Vergütungen geben soll. Sie begründeten dies damit, dass sich der TVÖD-VKA und andere Tarifverträge nicht geändert hätten. Jede Zeitstunde des Bereitschaftsdienstes wird lt. Tarifvertrag mit dem Anrechnungs-Faktor (z.B. 25 %) zum Zwecke der Lohnberechnung gewertet. Und im öffentlichen Dienst wird kein Mindestlohn gezahlt.

Wie man zu einer solchen Behauptung (und auch Argumentation) kommen kann, ist leider nicht überliefert (nachvollziehbar). Man könnte allerdings annehmen, dass damit die Regelung in § 24 MiLoG gemeint ist. Wie ich aber zuletzt aufgezeigt habe, greift diese Ausnahmeregelung nur bei solchen Tarifparteien, deren Tarifvertrag für „allgemeinverbindlich“ erklärt worden ist – der TVÖD-VKA gehört nicht zu diesen verbindlich erklärten Tarifverträgen.

Alle „übrigen“ Arbeitgeber müssen somit sicherstellen, dass mindestens der gesetzliche Mindestlohn von derzeit 8,50 Euro pro Stunde gezahlt wird. Bei einigen Beschäftigten kann ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass rechnerisch ein solcher Stundenlohn tatsächlich erreicht wird. Bei Nicht-Fachkräften könnte selbst der tariflich zu zahlende Stundenlohn im Bereitschaftsdienst unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegen.

Nochmal: Der Mindestlohn stellt einen gesetzlichen Anspruch einzelner Arbeitnehmer dar. Nur wenn ein Tarifvertrag als „allgemeinverbindlich“ erklärt worden ist, gilt nicht mehr der Mindestlohn.

Wie könnten die Leistungserbringer argumentieren?

Tarifverträge müssen eine Öffnungsklausel haben, damit der vom Tarif abweichende Mindestlohn gezahlt wird.

Das Mindestlohngesetz ist nicht tarifdispositiv. Weder muss im Tarifvertrag eine Regelung enthalten sein, welche die Anwendung des Gesetzes erlaubt oder ausdrücklich verbietet. Das Mindestlohngesetz muss über Tarif- und Arbeitsverträgen stehen, weil es politischer Wille ist, einen Mindestlohn für alle Beschäftigten sicherzustellen. Nach § 3 MiLoG sind „Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen,…“ insoweit unwirksam. Nur in Ausnahmefällen, d.h. § 24 MiLoG, tritt das Gesetz zurück.

Im Landesrahmenvertrag für Schleswig-Holstein ist festgelegt, dass der TVÖD die Obergrenze bildet.

Personalkosten einer Einrichtung müssen aus einem nachvollziehbaren System der Entlohnung stammen, denn sonst wäre jeder Arbeitsvertrag zu prüfen hinsichtlich des Prinzips aus § 76 Abs. 1 Satz 3 SGB XII (Grundsatz der Notwendigkeit und Angemessenheit). Tarifverträge, die richtig angewendet werden, erfüllen dementsprechend dieses Kriterium. Von daher entstehen Personalkosten aus der Anwendung einer „Vergütungssystematik“ (vgl. Ziffer 4.2 LRV-SH SGB VIII, Jugendhilfe).

Weder im LRV-SH Jugendhilfe noch im LRV-SH § 79 Abs. 1 SGB XII (Sozialhilfe / Eingliederungshilfe) ist der TVÖD als Richtwert oder als Referenz festgelegt. Allerdings gibt es Bestimmungen, die tatsächlich Bezug nehmen auf den TVÖD; zum Beispiel:

In Ziffer 6.2.1 LRV-SH SGB VIII heißt es, dass für die Berechnung und Anpassung der Entgelte die „Personalkosten um die prozentuale Rate angepasst [werden], die sich aufgrund der Tarifentwicklung im TVÖD-VKA, gesetzlichen Veränderungen [und] der Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge ergibt.“

In Ziffer 3.1. AVV zum LRV-SH SGB XII heißt es in Absatz 2, dass die Personalkosten einer Einrichtung übernommen werden, „die aufgrund eines geltenden Tarifvertrags oder einer vergleichbaren Regelung vom Einrichtungsträger als Arbeitsentgelte verpflichten zu leisten sind…“. Die Anerkennung erfolgt, „soweit sie den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit gem. §§ 75 SGB XII entsprechen.“ Wenn allerdings diese Voraussetzungen nicht vorliegen, so in Absatz 3, bildet der TVÖD-VKA-West die summarische Obergrenze.

Also: Obergrenze „Ja, wenn kein Tarifvertrag oder vergleichbare Regelung“ vorhanden sind.

Der Mindestlohn muss nur für die Zeiten bezahlt werden, in denen tatsächlich gearbeitet wird.

Gemeint ist damit, dass die Bereitschaftszeit zum einen aus einer nicht-vergüteten Ruhezeit und einer „normal“ vergüteten Tätigkeitszeit besteht. Zwar handelt es sich insgesamt um Arbeitszeit, weil der Arbeitgeber bestimmt, wo der Arbeitnehmer sich während der gesamten Zeit aufhält, aber vergütet wird nur der Zeitanteil, in dem tatsächlich eine Tätigkeit aufgenommen wird. Und nur aus Vereinfachungsgründen haben die betrieblichen Parteien bestimmt, dass der Tätigkeitsanteil während dieser Zeit 15 bis 55 % ausmacht (vgl. § 8.1 TVÖD-B-VKA bzw. § 46 BT-B-VKA).

Dieses Argument könnte tatsächlich stichhaltig sein. In verschiedenen Kommentaren wird diese Unterscheidung diskutiert, weil es in der Praxis diese Ruhezeiten gibt, für die der Arbeitgeber getreu dem Grundsatz „Keine Arbeit, kein Geld“ verständlicherweise nicht einmal Mindestlohn bezahlen will. Welchen Sinn macht Bereitschaftsdienst, wenn er „normal“ zu vergüten wäre?

Was aber nun fehlt, ist eine gesetzliche Klarstellung oder eine höchstrichterliche Entscheidung. Arbeitgeber wären allerdings schlecht beraten, auf eine solche weiterhin zu warten und bis dahin den Mindestlohn zu verweigern. Nach § 20 MiLoG sind sie verpflichtet, das Gesetz anzuwenden, andernfalls droht Bußgeld.

Mein Fazit:

Entgeltverhandlungen führen und notfalls in die Schiedsstelle gehen, wenn man im Bereitschaftsdienst solche Mitarbeiter beschäftigt, die vom Mindestlohn profitieren würden.

CGS




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Montag, 2. November 2015

Der Mindestlohn als Refinanzierungsproblem (Teil 3)

Der Mindestlohn ist etabliert, sprach die Kanzlerin beim Gewerkschaftstag und meinte es tatsächlich so. Das Mindestlohngesetz gilt bundesweit und verspricht einen Stundenlohn von 8,50 Euro. Doch es gibt eine Ausnahmeregelung, auf die sich möglicherweise einige tarifgebundene Arbeitgeber stützen wollen; sie glauben, dass ihnen eine Schonfrist eingeräumt worden ist: bis Ende 2017.


§ 24 Übergangsregelung, MiLoG

(1) Bis zum 31. Dezember 2017 gehen abweichende Regelungen eines Tarifvertrages repräsentativer Tarifvertragsparteien dem Mindestlohn vor, wenn sie für alle unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland sowie deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbindlich gemacht worden sind; ab dem 1. Januar 2017 müssen abweichende Regelungen in diesem Sinne mindestens ein Entgelt von brutto 8,50 Euro je Zeitstunde vorsehen. Satz 1 gilt entsprechend für Rechtsverordnungen, die auf der Grundlage von § 11 des Arbeitnehmer Entsendegesetzes sowie § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlassen worden sind.

(2) Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller haben ab dem 1. Januar 2015 einen Anspruch auf 75 Prozent und ab dem 1. Januar 2016 auf 85 Prozent des Mindestlohns nach § 1 Absatz 2 Satz 1. Vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2017 beträgt der Mindestlohn für Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller brutto 8,50 Euro je Zeitstunde. Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller im Sinne der Sätze 1 und 2 sind Personen, die in einem Arbeitsverhältnis ausschließlich periodische Zeitungen oder Zeitschriften an Endkunden zustellen; dies umfasst auch Zustellerinnen und Zusteller von Anzeigenblättern mit redaktionellem Inhalt.

Auf die Regelungen in Absatz 2 gehe ich nicht weiter ein, denn sie betreffen nicht den Bereich der Sozialwirtschaft, an dem ich interessiert bin.

Absatz 1 enthält dagegen die Ausnahme, auf die man sich als Arbeitgeber beziehen könnte. Doch die Formulierung, dass nur „abweichende Regelungen eines Tarifvertrages repräsentativer Tarifvertragsparteien“ dem Gesetz vorgehen, verlangt eine nähere Prüfung. Denn was sind „repräsentative Tarifvertragsparteien“? Im Mindestlohngesetz fehlt es an einer entsprechenden Definition.

Und auch die Begründung zum Gesetzentwurf enthält keine Begriffsbestimmung. Es heißt lediglich, dass mit der Übergangszeit in der jeweiligen Branche die „repräsentativen Tarifpartnern“ die Möglichkeit erhalten, vom Gesetz abweichende Mindestlöhne zu bestimmen, um so „… der spezifischen Ertragskraft der Unternehmen in ihrer Branche Rechnung zu tragen“ (siehe Fußnote 1, S. 43).

Tarifvertragsparteien sind Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber und deren Verbände, wie auch Zusammenschlüsse oder Vereinigungen derselben als Spitzenorganisationen. Es erscheint naheliegend, dass z.B. die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) und die Gewerkschaft VERDI als „repräsentativ“ gelten können. Immerhin verhandeln beide Seiten den TVÖD, welcher für alle Beschäftigten beim Bund und den Kommunen gilt, sofern diese Mitglied in einem kommunalen Arbeitgeberverband sind. Zudem orientieren sich sehr viele andere Tarifvertragsparteien an den Abschlüssen zum TVÖD – zumindest im Bereich des Sozial- und Erziehungsdienstes (SuE).

Im März 2015 veröffentlichte VERDI in einer Mitteilung an die Presse diverse Zahlen, Daten und Fakten. Demnach gehören dem Sozial- und Erziehungsdienst immerhin 722.533 Beschäftigte an (siehe Fußnote 2, S. 5). Auch wenn nur ein Drittel dieser Beschäftigten im öffentlichen Dienst, d.h. überwiegend bei den Kommunen, tätig sind, so werden lt. VERDI „… ca. 535.350 Beschäftigten bei freien und kirchlichen Trägern“ indirekt von den letzten Verhandlungen zur Eingruppierung profitieren. Die Gewerkschaft stellt darüber hinaus fest, dass für die „Refinanzierung der Personalkosten“ der TVÖD „weitgehend die prägende Bemessungsgrundlage“ ist (S. 6).

Der TVÖD könnte „repräsentativ“ sein, aber er steht noch immer in Konkurrenz zu vielen anderen, einzelnen Tarifverträgen. Darüber hinaus ist der Bereich des SuE nur einer von vielen, die im TVÖD zusammengefasst werden. Was aber das Entscheidende ist, ist die Tatsache, dass der TVÖD bisher nicht als „verbindlich gemacht“ worden ist (vgl. § 24 Abs. 1 S. 1 MiLoG).

Sofern ein maßgebliches öffentliches Interesse besteht und die „repräsentativen Tarifvertragsparteien“ einen entsprechenden Antrag stellen, kann ein Tarifvertrag als „allgemeinverbindlich“ erklärt werden (vgl. § 5 Tarifvertragsgesetz, TVG). Eine solche Allgemeinverbindlichkeit erstreckt sich auf nicht tarifgebundene Arbeitgeber und ihre Arbeitnehmer, wie auch auf Arbeitgeber im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags. Tarifkollisionen lösen sich dann immer zugunsten des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags auf.

Welche Tarifverträge bislang als allgemeinverbindlich erklärt worden sind (aktuell 502), findet sich im Tarifregister des jeweiligen Bundeslandes, wie auch im Tarifregister beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (siehe Fußnote 3). So gibt es z.B. für die Pflegebranche in Deutschland eine entsprechende  Allgemeinverbindlichkeitserklärung – siehe hierzu Zweite Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche vom 27.11.2014 (BAnz AT 28.11.2014 V1); die Verordnung tritt am 1.1.2015 in Kraft und am 31.10.2017 außer Kraft.

Da der TVÖD bislang nicht als allgemeinverbindlich erklärt worden ist (und es möglicherweise bis auf weiteres auch nicht sein wird), greift die Ausnahmeregelung im Mindestlohngesetz nicht. Für die Arbeitgeber der Sozialwirtschaft bedeutet dieser Umstand, dass sie tatsächlich zur Zahlung des Mindestlohns gem. Mindestlohngesetz verpflichtet sind.

CGS


Fußnote 1:

Fußnote 2:

Fußnote 3:






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Sonntag, 25. Oktober 2015

Der Mindestlohn als Refinanzierungsproblem (Teil 2)

Das Thema Mindestlohn wird nun zum Verhandlungsgegenstand in den Vertragskommissionen gemacht. Das Problem ist hier, dass in vielen Einrichtungen Bereitschaftsdienste vorgehalten werden, die nun aufgrund der neuen Regelungen mit dem „Mindestlohn“ pro Zeitstunde entgolten werden müssen. Weil diese Kosten bisher nicht Bestandteil der Personalkostenkalkulationen waren, muss eine kalkulatorische Berücksichtigung stattfinden.

In der Vertragskommission Jugendhilfe in Schleswig-Holstein (SGB VIII) gab es erste Gespräche über die Anerkennung der zusätzlichen Kosten, die aus der Anwendung des Mindestlohngesetzes (MiLoG) entstehen. Während die Leistungserbringer argumentiert hatten, dass eine Verpflichtung der Leistungsträger zur Übernahme dieser unabweisbaren, notwendigen und gesetzlich bedingten Kosten in den Vergütungssätzen besteht, nahmen die Leistungsträger eine ganz andere Sichtweise ein. Die Leistungsträger setzten dagegen, dass im Rahmenvertrag als „Berechnungsgrundlage“ zur Ermittlung der Personalkosten der TVÖD festgelegt sei. Und weil im TVÖD sogenannte „Anwesenheitsbereitschaften“ mit einem Zeitanteil von 25% für die erbrachten Zeitstunden lt. Arbeitszeitgesetz gezahlt werden, ist eine zusätzliche Kostenübernahme in die Vergütungssätze nicht nötig. Würde aber diese tarifvertragliche Regelung als rechtswidrig beurteilt werden, so dass dann doch der Mindestlohn von brutto 8,50 Euro zu zahlen wäre (statt der 25 %), könnte man über eine Kostenübernahme neu verhandeln.

Der Jugendhilfe-Rahmenvertrag für Schleswig-Holstein nach § 78 f SGB VIII (JugH-RV), welcher zwischen den kommunalen Spitzenverbände auf Landesebene mit den Verbänden der Träger der freien Jugendhilfe und den Vereinigungen sonstiger Leistungserbringer auf Landesebene im Jahr 2009 vereinbart wurde, enthält tatsächlich eine derartige Bedingung.

In § 8 Abs. 4 JugH-RV ist vorgegeben, dass die Entgelte „einrichtungs- und hilfespezifisch als Pauschalbetrag zu vereinbaren“ sind. Darunter fallen die Aufwendungen für das gemäß Leistungsvereinbarung erforderliche Betreuungspersonal. Weiteren Einzelheiten finden sich in den Verfahrensvereinbarungen Jugendhilfe (VV JugH) in der Anlage A zum Rahmenvertrag.

In Ziffer 4.2 steht, dass die Kalkulation der Personalkosten entweder „unter Anwendung der in der Einrichtung angewandten Vergütungssystematik“ oder „unter Anwendung eines Referenzvergütungssystems im Wege einer pauschalierten Kalkulation“ erfolgt. Der zweite Punkt könnte als Verweis auf einen überörtlich geltenden Tarifvertrag wie den TVÖD verstanden werden, doch klar ist es nicht – zumindest nicht an dieser Stelle. Im Absatz über die Ermittlung von Stundenentgelten, d.h. in Ziffer 4.2.2, ist dagegen ein Verweis auf den TVÖD-VKA enthalten, allerdings bezieht man sich hier auf die Wochenarbeitszeit im öffentlichen Dienst, die im Januar 2009 offenbar 39 Wochenstunden betrug.

In Ziffer 6.2.1 ist dann endlich ein entsprechender Bezug enthalten. Für die Berechnung und Anpassung der Entgelte, werden die „Personalkosten um die prozentuale Rate angepasst, die sich aufgrund der Tarifentwicklung im TVÖD-VKA, gesetzlichen Veränderungen, der Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge ergibt.“

Damit kann jetzt schon mal festgehalten werden, dass die Personalkosten sich zum einen auf der Grundlage der Tarifentwicklung verändern, zum anderen aber auch aufgrund von gesetzlichen Veränderungen (wie es im Falle des MiLoG der Fall sein dürfte) und der Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge. Das MiLoG gibt es erst seit dem 11.8.2014 – und damit kann es nicht als zugehörig zum gesetzlichen und tariflichen Status Quo angesehen werden, der in 2009 noch vorherrschte. Es handelt sich also um eine wirkliche, gesetzliche Veränderung, die es zu berücksichtigen gilt. Darüber hinaus kann man nicht deduzieren, dass der TVÖD-VKA die Obergrenze für Personalkosten darstellt. Nach dem Wortlaut dieser Passage in den Verfahrensvereinbarungen gilt die Ober- und Untergrenze nur für die Ergebnisse der Tarifrunden.

Es gibt aber noch etwas zu beachten. Nach § 24 Abs. 1 MiLoG besteht eine Ausnahme für tarifgebundene Arbeitgeber bis zum 31.12.2017. Wenn abweichende Regelungen in einem Tarifvertrag „repräsentativer Tarifvertragsparteien“ (was heißt das schon wieder?) enthalten sind, greift das MiLoG nicht – mit anderen Worten: ein Arbeitgeber im TVÖD kann einen Stundenlohn von unter 8,50 Euro bezahlen.

Damit hätte man jetzt zwei Interessenlagen im Verband der Leistungserbringer: Tarif- und nicht tarifgebundene Unternehmen, die den Mindestlohn nicht oder gesetzlich zu Zahlung verpflichtet sind. Auf diesen Punkt ist die Seite der Leistungsträger nicht weiter eingegangen, vielleicht war dieser auch nicht bekannt.

Am weiteren Verlauf ändert sich dennoch nichts. Leistungsträger, die mit nicht refinanzierten Kosten rechnen müssen, sollten jetzt in die Einzelverhandlungen gehen und mit dem Hinweis auf die „gesetzlichen Veränderungen“ in Ziffer 6.2.1 der VV-JugH eine Entscheidung herbeiführen. Möglicherweise wird es in den nächsten Monaten zu einer Überarbeitung des MiLoG kommen, doch darauf vertrauen sollte man nicht.  

Stellt sich dann noch die Frage, ob im Bereich der Eingliederungshilfe ähnliche Problemlagen vorhanden sind. Dann wäre aber zuvorderst der jeweilige Landesrahmenvertrag zu prüfen, um in der Vertragskommission entsprechend argumentieren zu können. Es gibt Träger, die alles daran setzen, um das Thema Mindestlohn auf die Tagesordnung zu setzen. Inwieweit tarifgebundene Träger mit dem Begriff „repräsentative Tarifvertragsparteien“ konfrontiert sind und deswegen die Ausnahmefrist in § 24 Abs. 1 MiLoG nicht in Anspruch nehmen können, entzieht sich schlicht meiner Kenntnis (fallen die kirchlichen und paritätischen Arbeitgeber darunter?).


CGS



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Sonntag, 18. Oktober 2015

Der Mindestlohn als Refinanzierungsproblem (Teil 1)

Das Thema Mindestlohn zieht sich quer durch die Sozialwirtschaft. Das Problem ist hier, dass in vielen Einrichtungen Bereitschaftsdienste vorgehalten werden, die nun aufgrund der neuen Regelungen mit dem „Mindestlohn“ pro Zeitstunde entgolten werden müssen. Bisher gab es Regelungen, nach denen nicht die volle Zeitstunde für die Entgeltberechnung zugrunde gelegt wurde, sondern lediglich ein prozentualer Anteil (z.B. 25 %) davon. Durch das Mindestlohngesetz (MiLoG) ändert sich dies nun offenbar.

Nach § 7 des TVÖD-B-VKA wird Bereitschaftsdienst von Beschäftigten geleistet, „… die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen.“ Es handelt sich also um eine Sonderform der Arbeit, die also auf besondere Weise vergütet wird.

In § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz - MiLoG) steht: „Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.“ Die Höhe des Mindestlohns beträgt seit dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde (Abs. 2 Satz 1). Der Begriff der Zeitstunde ist im Gesetz nicht weiter definiert worden, so dass man davon ausgehen muss, dass tatsächlich eine 60 minütige Zeitdauer gemeint ist.

In § 8.1 TVÖD-B-VKA (bzw. § 46 BT-B-VKA) findet sich dagegen eine Vereinbarung zwischen den Tarifpartnern, wonach die während des Bereitschaftsdienstes geleistete Arbeitszeit nur anteilig als Arbeitszeit bewertet wird. In Absatz 1 lit. a) finden sich demzufolge verschiedene Stufen mit Faktoren, die von 15 % bis 55 % reichen. Wenn also ein Beschäftigter 10 Stunden Bereitschaftsdienst leistete, wurden 1,5 bis 5,5 Stunden, je nach betrieblicher Vereinbarung, mit dem entsprechenden Stundensatz für eine reguläre Zeitstunde vergütet. Auch nicht tarifgebundene Unternehmen haben sich eine solche Verfahrensweise zu eigen gemacht und vergüten i.d.R. 25 % einer regulären Zeitstunde für jede Stunde Anwesenheit während des Bereitschaftsdienstes.

Beträgt der Stundenlohn für eine reguläre Zeitstunde 20,00 Euro, würde der Stundenlohn während des Bereitschaftsdienstes auf 5,00 Euro sinken – also unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns. Wenn an jedem Tag des Jahres in der Zeit von 21 Uhr bis 6 Uhr des Folgetages Bereitschaftsdienst z.B. in einer stationären Wohngruppe von einer Person zu leisten wäre, würden sich jetzt noch, nach der alten Rechnung, Bruttolohnkosten von (3 + 6) Stunden x 20,00 Euro x 25 % x 365 Tage = 16.425 Euro ergeben; in Zukunft wären es dann aber (3 + 6) Stunden x 8,50 Euro x 365 Tage = 27.922,50 Euro.

In Tarifverträgen wurde vielfach auch ein Zeitzuschlag pro Anwesenheitsstunde gezahlt, der bei allen Berechnungen ebenfalls zu berücksichtigen wäre. Er müsste sogar berücksichtigt werden, weil im MiLoG keine Differenzierung vorgenommen wurde, aus welchen Bestandteilen ein Stundenlohn bestehen muss. Geht man von einem Zeitzuschlag von 15 % aus, würde der Stundenlohn von 5,00 Euro auf (20,00 x 15 %) + 5,00 Euro = 8,00 Euro steigen. Von daher würde sich das Problem reduzieren auf die Differenz zwischen Mindestlohn und tatsächlich gezahltem Stundenlohn.

Ein wenig erinnert dieses Problem an ein EuGH-Urteil zur Gleichstellung von Bereitschaftszeit mit Arbeitszeit. In der Folge verhandelten die Tarifpartner darüber, dass Bereitschaftszeit anders zu entlohnen und zu bemessen ist, aber sich dennoch in den Kontext der Arbeitszeitgesetze einfügt, ohne eine Kostenexplosion zu verursachen.

CGS




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Sonntag, 11. Oktober 2015

Leistungsstufen sind keine Maßnahmenpauschalen

Zum 1. Juli 2015 wurde in Hamburg ein neues zeitbasiertes Kalkulationsverfahren im Bereich der klassischen Behindertenhilfe (stationäres Wohnen) eingeführt. Im nachfolgenden Beitrag geht es jetzt um die praktischen Aspekte des neuen Verfahrens und seine Umsetzung.

Seit dem 1. Oktober 2015 werden Leistungsbescheide mit der neuen Leistungsstufe ausgestellt. Weggefallen sind die früheren Begriffe wie „Hilfeempfängergruppe HEG“ und „Hilfebedarfsgruppe HBG“; verschiedentlich sprach man auch von „Bedarfsgruppe“. Doch anscheinend ist der Begriff „Maßnahmepauschale“ ebenfalls entfallen, was zuerst einmal verwundert. Gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB XII besteht nämlich die Vergütung „… mindestens aus den Pauschalen für Unterkunft und Verpflegung (Grundpauschale) und für die Maßnahmen (Maßnahmepauschale) sowie aus einem Betrag für betriebsnotwendige Anlagen einschließlich ihrer Ausstattung (Investitionsbetrag). […] Die Maßnahmepauschale kann nach Gruppen für Leistungsberechtigte mit vergleichbarem Bedarf kalkuliert werden.“ Mit „Gruppen“ sind also die Leistungsstufen gemeint.

In den Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII findet sich weiterhin die korrekte Benennung der einzelnen Vergütungskomponenten. Allerdings steht auch dort, dass die Maßnahmepauschale durch die vier Leistungsstufen differenziert wird. Das kann jetzt so und so verstanden werden: Einerseits kann man annehmen, dass die Maßnahmepauschale in vier Leistungsstufen weiter aufzuteilen ist, andererseits kann es auch bedeuten, dass die Leistungsstufen unterschiedliche Maßnahmepauschalen verlangen. In der bewilligenden Behörde hat man den Begriff Maßnahmepauschale jedenfalls aufgegeben.

Doch das ist nicht das Einzige. Weil man bei einer früheren Datenerhebung festgestellt hatte, dass es kaum Bewilligungen gab für die damalige Hilfebedarfsgruppe 1 (die niedrigste), entschied man zur Einführung des neuen Systems, diese Gruppe ganz aufzugeben. So wurden aus ehemals fünf Gruppen jetzt nur noch vier: HBG 2 wurde zur LS 1, HBG 3 zur LS 2 usw.

Allerdings hat es in der einen Abteilung bereits eine Umstellung auf Leistungsstufen gegeben, in der anderen Abteilung der zuständigen Behörde dagegen nicht. Wenn Befürwortungen beispielsweise mit einer „Bedarfsgruppe 3“ ausgestellt wurden (gemeint war die alte HEG/HBG 3), konnte es passieren, dass die Leistungsstufe 3 bewilligt wurde (statt der neuen LS 2). Zum Glück hat die Behörde schnell reagiert und zur besseren Kontrolle, gerade auch für die rechtlichen Betreuer und Leistungserbringer, entsprechende Hinweise in den neuen Leistungsbescheiden eingefügt. Darüber hinaus wird man auf Jahresabrechnungen drängen, um mögliche Überzahlungen aufzudecken.

CGS




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Freitag, 2. Oktober 2015

Kritik am Kompromiss-Modell (Teil 3, Serie AG Kalkulation)

Es gibt verschiedene Formen von Kalkulationsmodellen, mit denen in einer Arbeitsgruppe „AG Kalkulation“ der Vertragskommission (VK SGB XII) die pauschalen Fortschreibungssätze erarbeitet werden. Im ersten Teil dieser Mini-Serie wurde beschrieben, wie auf einfache Weise ein Kompromiss erzielt werden kann. Im jetzigen zweiten Teil änderte sich der Parameter für den Leistungsumfang. Im dritten Teil folgen nun die Kritik und das Fazit.

Vorrangig ging es um die Einführung einer neuen Leistungsstufe (oder Hilfebedarfsgruppe), bei der die Seite der Leistungsträger eine Reduzierung des Gesamtbudgets erwartete (im ersten Beispiel betrug der Anteil 5 % vom Vorjahres-Budget, im zweiten Beispiel dann 20 %). Dagegen verlangte die Seite der Leistungserbringer, dass zuerst einmal der erwartete Kostenanstieg refinanziert wird (6 %).

Beide Seiten stimmten darin überein, dass eine differenzierte Ausgestaltung von Leistungsformen nötig geworden war (Stichwort: Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe, o.ä.).

Beide Seiten stimmten auch darin überein, dass die Finanzierbarkeit der Leistungserbringung gesichert bleiben muss – in der Praxis hört es dann aber mit der Übereinstimmung auf, denn die Leistungsträger verstehen unter Finanzierbarkeit sinkende Steuereinnahmen und erwarten von den Leistungserbringern einen Finanzierungsbeitrag; umgekehrt erwarten die Leistungserbringer, dass ihre prospektiven Gestehungskosten gedeckt werden, damit auch die Angebotsstrukturen erhalten bleiben. Gerne betont man in solchen Gesprächen auch, dass man sich auch als Fürsprecher der behinderten Menschen versteht, aber solche Äußerungen sind nicht zielführend.

Um doch noch zu einem Abschluss zu kommen, musste ein Interessenausgleich erfolgen. Zuerst wurde ein simples Kompromiss-Modell entwickelt, welches nur im geringen Umfang das alte Leistungsangebot anpasste, gleichzeitig eine Refinanzierung des erwarteten Kostenanstiegs anteilig zusicherte. Zusätzlich stellte man in Aussicht, das neue niedrigschwellige Leistungsangebot auszuweiten bei gleichzeitiger Anpassung der einzelnen, trägerindividuellen Budgets, dabei sollten Bandbreiten ausgenutzt werden, in denen eine Leistungserbringung erfolgte ohne Auswirkungen auf das zu zahlende Budget (Korridorlösung).

Im zweiten Beispiel, mit einem viel höheren Anpassungsbedarf beim Leistungsangebot, sollte die Festschreibung des Vorjahres-Budgets einen kontinuierlichen Anpassungsprozess ermöglichen. Andernfalls hätte die sofortige Umsetzung einen gehörigen Einschnitt für die Leistungserbringer bedeutet, was womöglich die Trägerlandschaft und die damit einhergehenden Angebote verworfen hätte (Konvergenzphase).

Was heißt das nun?

Grundsätzlich müssen beide Seiten ein gemeinsames Ziel formulieren und an den Parametern arbeiten, die so zu ändern sind, damit das gemeinsame Ziel erreicht werden kann. Die richtigen Parameter zu finden ist allerdings entscheidend. In den vorgenannten Beispielen waren es nur zwei, doch es gibt Kalkulationsmodelle mit weit mehr Stellschrauben (vgl. dazu auch meine Diskussion zum Thema Neues Zeitbasiertes Kalkulationsverfahren). Ohne die Akzeptanz des Ziels und der Parameter, wird es auch keine Akzeptanz bezüglich des Ergebnisses geben. Vielmehr werden einzelne Träger, die sich übergangen oder schlecht repräsentiert fühlen, offenen Widerstand leisten und damit den gesamten Entwicklungsprozess gefährden.

Folgende Möglichkeiten sollte man in Betracht ziehen:

Nicht jeder Leistungserbringer ist gleichermaßen von den Veränderungen in der Angebotsstruktur betroffen. Manche Träger haben eine geringe Exposition, weil z.B. in ihrer Region kaum Bedarfe für niedrigschwellige Angebote vorhanden sind. Sie können nach Überschreiten der gesetzten Bandbreiten Nachberechnungen vornehmen (weil es z.B. eine Überschreitung bei den Mengen gegeben hat). Andere Träger haben eine hohe Exposition und müssten mit weiteren Erlösrückgängen rechnen.

Nicht jeder Leistungserbringer erhält den gleichen Stundensatz (Vergütung). Sehr wahrscheinlich bilden die drei Komponenten Grundpauschale, Maßnahmepauschale und Investitionsbetrag (§ 76 Abs. 2 SGB XII) die zuzuordnenden Kostenarten nicht mehr adäquat ab, weil sie seit langem immer nur pauschal fortgeschrieben und nicht mehr einzeln verhandelt wurden. Mit anderen Worten:  das Verhältnis untereinander stimmt nicht mehr, so dass sich die drei Komponenten „gegenseitig“ ausgleichen bzw. decken müssen.

Nicht jeder Leistungserbringer könnte mit der neuen Angebotsstruktur seine Kosten decken.  Die meisten Vergütungssätze bilden lediglich einen Durchschnitt der Gesamtkosten ab, ohne wirklich das Verhalten der Kosten bei unterschiedlichen Auslastungsgraden zu berücksichtigen. Es gibt Kostenarten, die sich fix, sprungfix oder variabel verhalten, die indirekt oder direkt im Zusammenhang mit der Leistungserbringung stehen.

Nicht jeder Leistungserbringer kann seine Personalstruktur flexibel gestalten. Die Aussprache von betriebsbedingten Kündigungen kann langjährige Gerichtsverfahren nach sich ziehen. Ebenso können Leistungserbringer Personalkosten nicht dadurch senken, dass sie einen Tarifaustritt vollziehen. Der Austritt aus einem Tarifvertrag „friert“ gewissermaßen die Gehälter ein, bewirkt aber keine Kostenreduktion.

Nicht jeder Leistungserbringer kann fachlich einer Entscheidung des Sozialhilfeträgers zur Einführung einer neuen Stufe folgen. Da in wahrscheinlich allen Fällen eine systematisierte Form der Bedarfsbemessung fehlt, wird es immer Kritik an der Ausgestaltung der Stufen geben. Auch bei der Zuordnung der Leistungsberechtigten zu den einzelnen Stufen könnte es Probleme geben, weil nicht der Leistungserbringer den Leistungsberechtigten vor der bewilligenden Stelle vertritt – das ist schließlich Sache des Leistungsberechtigten selber bzw. seines rechtlichen Betreuers.

Nicht jeder Leistungserbringer kann gesellschaftsrechtlich sein Angebot erweitern. Trägerindividuelle Besonderheiten können dem Strukturwandeln entgegenstehen.

Den Strukturwandel zu gestalten heißt, bestehende Leistungsvereinbarungen aufzukündigen und neu zu verhandeln. Dieser Prozess kann sehr viel Zeit veranschlagen und Ressourcen auf allen Seiten dauerhaft binden.

Leistungsvereinbarungen blind aufzukündigen zwingt zwar alle Beteiligten an den Verhandlungstisch, doch tragfähige Lösungen können nicht mit brachialer Gewalt durchgesetzt werden; sie müssen gemeinsam entwickelt und umgesetzt werden.

Fazit:

Allem überzuordnen wäre vorrangig die Frage, ob mit jedem neuartigen Kalkulationsmodell eine personenzentrierte Bedarfsdeckung erfolgt. Vielfach sind Kalkulationsmodelle erschaffen worden, um haushaltspolitische Erwägungen zu berücksichtigen. Wenn Gruppen von Leistungsberechtigten gebildet werden, ist der Ressourceneinsatz über die ermittelten Vergütungen tatsächlich abgedeckt? Oder verhindern die Vergütungssätze gar eine ausreichende, am konkreten Einzelfall auszurichtende Bedarfsabdeckung? Lässt sich über Korridorlösungen eine Vereinfachung erreichen?

Je größer die Verwerfungen auf der Seite der einzelnen Leistungserbringer sein können, desto großzügiger muss mit einer Übergangs- oder Konvergenzphase gearbeitet werden. Nicht zuletzt kann es auch nicht im Sinne der Sozialpolitik sein, die Trägerlandschaft auszudünnen.

CGS




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Freitag, 25. September 2015

Grenzen des Kompromiss-Modells (Teil 2, Serie AG Kalkulation)

Es gibt verschiedene Formen von Kalkulationsmodellen, mit denen in einer Arbeitsgruppe „AG Kalkulation“ der Vertragskommission (VK SGB XII) die pauschalen Fortschreibungssätze erarbeitet werden. Im ersten Teil dieser Mini-Serie wurde beschrieben, wie auf einfache Weise ein Kompromiss erzielt werden kann. Im jetzigen zweiten Teil habe ich die Parameter verändert, um aufzuzeigen, wo die Grenzen des Kalkulationsmodells liegen. Im dritten Teil folgen dann die Kritik und Fazit.

Im ersten Teil dieser Mini-Serie hatte eine „AG Kalkulation“ (Arbeitsgruppe, Arbeitskreis) einen Auftrag aus der „VK SGB XII“ (Vertragskommission), einen Interessenausgleich zu finden. Vorrangig ging es um die Einführung einer neuen Leistungsstufe (oder Hilfebedarfsgruppe), bei der die Seite der Leistungsträger eine Reduzierung des Gesamtbudgets erwartete (5 %). Dagegen verlangte die Seite der Leistungserbringer, dass zuerst einmal der Kostenanstieg refinanziert wird (6 %). Beide Seiten sahen dennoch die Notwendigkeit, eine differenzierte Ausgestaltung von Leistungsformen zu vereinbaren.

Um nun beiden Seiten gerecht zu werden, erarbeitete die AG Kalkulation ein simples Kompromiss-Modell, dessen Ergebnis als Beschlussvorlage zurück zur VK gelangen sollte.

Soweit so gut.

Doch was für ein Ergebnis erhält man, wenn statt eines Anteils von 5 % für niedrigschwellige Leistungen ein Anteil von 20 % anzusetzen ist; also wie ändern sich dann die Zahlen?

Neues Beispiel:

Ausgangspunkt ist zuerst einmal ein Verständnis für die Belange der anderen Seite und Konsens. Differenzierte Leistungsformen werden allgemein als eine notwendige Erweiterung des Angebotes betrachtet, um personenzentrierte, bedarfsdeckende Leistungen zu erbringen. Die Steigerung der Kosten um 6 % wird als unausweichlich und angemessen angesehen, so dass an dieser Stelle ebenfalls kein weiterer Bedarf an Erläuterungen besteht. Von daher beschließen beide Seiten, dass zwei Budgets im Umfange von 80 % für die fachpädagogischen Leistungen und 20 % für die niedrigschwelligen Leistungen gebildet werden.

Rechnerisch ergibt sich bei einem Anteil der niedrigschwelligen Leistungen am Gesamtbudget von 20 % eine Reduzierung des Budgets um 15 %, sofern weiterhin ¼ des bisherigen Stundensatzes für diese niedrigschwelligen Leistungen anzusetzen ist. Dabei spielt es zuerst einmal keine Rolle, ob man die verlangte Anhebung um 6 % vorher oder nachher berechnet – 85 Prozentpunkte mal Faktor 1,06 sind nun mal identisch mit 106 Prozentpunkten mal Faktor 0,85.

Doch eine Aufteilung, die sich rein anhand der Bewilligungen orientiert, d.h. im Verhältnis 80:20 erfolgt, berücksichtigt nicht den tatsächlichen Ressourcen-Einsatz. Von daher muss ein Angebot der Leistungsträger, das Teil-Budget von 80 Prozentpunkten um den Faktor 1,06 anzuheben auf 84,80 Prozentpunkte zurückgewiesen werden. Erst wenn man Klarheit darüber hat, wie sich die Kosten bei dem geänderten Ressourcen-Einsatz ergeben, dürfen die Verhandlungen weitergeführt werden.

Bei den niedrigschwelligen Leistungen wäre es dagegen entsprechend der Absenkung des dafür vorgesehenen Stundensatzes auf ¼ des neuen Stundensatzes für die fachpädagogischen Leistungen erwartungsgemäß zu einer Reduzierung gekommen. Vorausgesetzt, dass allgemeiner Konsens besteht, hätte das Teil-Budget sich von 20 Punkten (d.h. 20 %) auf 5,30 Punkte vermindert (20 x ¼ x Faktor 1,06 = 5,30).

Ausgehend von einem solchen Stand der Verhandlungen, würde das neue Gesamtbudget 84,80 + 5,30 = 90,10 Prozentpunkte betragen bzw. wäre es zu einer Absenkung gegenüber dem Vorjahresbudget um 9,90 % gekommen. Zwar sind in diesen Rechnungen die Kostensteigerungen von 6 % enthalten, doch die tatsächlichen Kosten des Ressourcen-Einsatzes in jeder Leistungsform bleiben unbekannt.

Um nun doch zu einem Abschluss zu kommen, könnte man die Vorjahres-Budgets pro Leistungserbringer einmalig festschreiben und in den kommenden Jahren schrittweise absenken. Eine solche Streckung über mehrere Jahre ist auch als Konvergenzphase bekannt. Bei einer solchen Vorgehensweise verhindert man sofortige, einschneidende Maßnahmen im Leistungsangebot (im Jahr der Umstellung). In den Folgejahren könnten (theoretisch) die einzelnen Leistungserbringer ihre Kostenstrukturen anpassen. Dagegen wären von der Absenkung ausgenommen die dann anstehenden, aber noch nicht bekannten Tarifabschlüsse.

Es ist jetzt schon erkennbar, dass das Kompromiss-Modell schnell an seine Grenzen stößt. Ein einfacher Interessenausgleich gelingt nur dann, wenn das, was sich ändern soll, einen relativ geringen Umfang einnimmt. Bei einem Anteil von 5 % für niedrigschwellige Leistungen können beide Parteien schnell einen Kompromiss finden, weil der nachfolgende Anpassungsprozess tragbar und schnell umsetzbar ist. Die Festschreibung eines Vorjahres-Budgets mit der Aussicht auf spätere, leichte Anpassungen findet eher Akzeptanz, wenn eine gewisse Steuerbarkeit und Planbarkeit damit einhergeht. Dagegen benötigt ein Einschnitt von beispielsweise 20 % viel mehr Zeit, damit dauerhafte Absenkungen von den Leistungsträgern verkraftet werden. Ohne eine langfristige Konvergenzphase würde die Angebotslandschaft von Leistungserbringern nur so ausgedünnt werden – ob das im Sinne der Sozialpolitik ist?

CGS





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Samstag, 12. September 2015

Das Kompromiss-Modell in der Ermittlung von pauschalen Fortschreibungssätzen (Teil 1, Serie AG Kalkulation)

Es gibt verschiedene Formen von Kalkulationsmodellen, mit denen in einer Arbeitsgruppe „AG Kalkulation“ der Vertragskommission (VK SGB XII) die pauschalen Fortschreibungssätze erarbeitet werden. Ich möchte daraus eine kleine Mini-Serie machen und habe mir für den ersten Teil ein fiktives Beispiel ausgedacht. Im zweiten Teil werde ich die Parameter verändern, um aufzuzeigen, wo die Grenzen liegen. Im dritten Teil folgen dann die Kritik und das Fazit.

Das „Klassische Modell“ gewichtet die erwarteten Steigerungssätze je nach Kostenart und rechnet dann die Teil-Steigerungssätze zusammen. Wenn aber ein Strukturwandel bevorsteht, reichen solche Kalkulationsmodelle nicht aus. Im Falle des zeitbasierten Kalkulationsverfahrens, welches seit dem 1.7.2015 in Hamburg zur Anwendung kommt, hat man auf sehr komplexer Art einen solchen Strukturwandel vorgenommen. Dies ist aber nicht immer opportun (wer sich für die Einzelheiten interessiert, kann in früheren Beiträgen diese nachlesen).

Bei einem Strukturwandel müssen sich die beiden Verhandlungspartner nicht nur über den allgemeinen Steigerungssatz einigen, sondern es geht schlicht um eine Budgetverteilung. Man verändert schließlich die Leistungen und führt neue Vergütungssätze ein, weil es nun um eine personenzentrierte, den individuellen Bedarf des Leistungsberechtigten entsprechende Hilfebedarfsabdeckung geht – so zumindest wird es verkauft.

Man kann auch sagen, dass in der Sozialhilfe kurz gesagt die Kosten allgemein vermindert werden sollen, wogegen die Verbände der Leistungserbringer die alten Strukturen bewahren wollen. Demzufolge muss man das Kalkulationsmodell so anpassen, dass ein tragfähiger Kompromiss für beide Seiten entsteht. Und darum geht es beim folgenden Beispiel: das „Kompromiss-Modell“ in der Arbeitsgruppe der VK.

Wie gesagt, das Beispiel ist fiktiv. Es soll verdeutlichen, wie man einen Interessenausgleich finden kann.

Das Beispiel:

Bisher gibt es nur eine Form der Leistung, bei der die zu bewilligende Behörde als Leistungsträger ein Kontingent an Stunden über einen bestimmten Zeitraum (das ist ganz unterschiedlich nach der jeweiligen kurz- oder langfristigen Bedarfssituation) gewährt. Der Leistungsberechtigte konnte mit diesem Kontingent zu einem Leistungserbringer (-anbieter) gehen und sich dort seine Leistungen (z.B. Einzel-Beratung, Betreuung, Förderung) besorgen. Aufgrund einer bestehenden Leistungs- und Vergütungsvereinbarung konnte dann der Leistungserbringer wiederum mit dem trägerindividuellen, einheitlichen Stundensatz eine Abrechnung gegenüber dem Leistungsträger vornehmen.

Vor dem Hintergrund rasant ansteigender Fallzahlen, verfolgte der überörtliche Sozialhilfeträger das Ziel, das bisherige Angebot aufzuteilen in eine niedrigschwellige Leistung, in dem Gruppenangebote vorwiegend erbracht werden, und eine fachpädagogische Leistung (d.h. Fachleistungsstunde) auf Basis der jetzigen, bestehenden Leistungsvereinbarungen.

Tatsächlich gibt es einen Anteil an niedrigschwelligen Bedarfen, welcher mit ca. 5 % angesetzt wurde (je nach Datenlage kamen auch andere Werte zustande). Der überörtliche Sozialhilfeträger errechnete daraufhin, dass bei einer Deckelung der bisherigen Stundensätze für die fachpädagogischen Leistungen und der Einführung eines neuen Stundensatzes (25 % vom bisherigen Stundensatz) für gruppenspezifische, niedrigschwellige Leistungen eine Absenkung des Haushaltes um 3,75 % möglich wäre.

Für die Verbände der Leistungserbringer gab es dagegen einen Bedarf, die Vergütungen in Form der Stundensätze für die fachpädagogischen Leistungen um etwa 6 % heraufzusetzen; dieser Prozentsatz setzte sich zusammen aus einer erwarteten Tariferhöhung mit unterschiedlichen Sätzen für sozialpädagogische Fach- und Nichtfachkräfte sowie einer möglichen Anhebung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung.

In der ersten Verhandlungsrunde standen sich beide Parteien natürlich unversöhnlich gegenüber. Von daher musste ein Kompromiss her.

Da die Einführung eines niedrigschwelligen Angebotes mit einem entsprechend herabgesetzten Stundensatz hohe Priorität hatte, einigten sich die Parteien auf diesen Punkt. Der Stundensatz für diese Leistung sollte immer ein Viertel einer Fachleistungsstunde kosten.

Der Anteil niedrigschwelliger Bedarfe / Gruppenangebote konnte aufgrund unterschiedlicher Datenlagen nicht genau ermittelt werden. Man einigte sich schließlich auf 5 %. Der Anteil fachpädagogischer Leistungen / Fachleistungsstunden wurde dagegen auf 95 % gesetzt.

Weil die Verbände eine Budgetabsenkung keinesfalls hinnehmen wollten, verständigte man sich darauf, dass jeder Leistungserbringer sein Vorjahres-Budget weiterhin erhält, allerdings nachrichtlich aufgeteilt in die beiden Bedarfsgruppen. Innerhalb von Bandbreiten durften sich die jeweiligen Anteile bewegen, ohne eine Absenkung oder Anhebung des Budgets zu bewirken. Erst die Leistungserbringung darüber hinaus führte zu Verrechnungen oder Nachzahlungen.

Weil mit dieser Aufteilung noch effektiv keine Erhöhung der Stundensätze stattgefunden hatte, erhöhte man das Budget für die fachpädagogischen Leistungen um die geforderten 6 %; in absoluten Werten gesprochen erhöhte sich dieses Teil-Budget von 95 auf 100,7 Punkten. Doch weil das niedrigschwellige Angebot 5 % ausmachte, aber mit einem Viertel der Fachleistungsstunde bewertet wurde, ergab sich, wieder in absoluten Werten gesprochen, hierfür ein Teil-Budget in Höhe von 5 mal 25 % mal Faktor 1,06 = 1,33 Punkten.

Beide Teil-Budgets zusammengerechnet ergeben somit ein Gesamtbudget von 102,03 Punkten (d.h. 100,70 + 1,33 = 102,03 Punkte) bzw. das Vorjahres-Budget wurde um 2,03 % angehoben.

In nachfolgenden Jahren sollten die abgerechneten niedrigschwelligen Leistungen zur Grundlage für die Berechnung eines neuen Budgets herangezogen werden, wenn die zuvor gesetzten Bandbreiten über- oder unterschritten wurden.

CGS




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Mittwoch, 26. August 2015

Das Trägerbudget findet noch immer Interesse (Fortsetzung vom 19.8.2015)

Dem Trägerbudget geht eine Rahmenvereinbarung vor. Darin verpflichtet sich der Leistungserbringer die Bedarfsdeckung zu garantieren, wenn er eine bestimmte (pauschale) Gesamt-Vergütung erhält. Einige Besonderheiten können ausgenommen werden, aber im Grunde handelt es sich um eine sehr große, fixe Vergütung für alle Leistungsformen.

Könnten weitere Erlöse darüber hinaus erzielt werden?

Vertragspartner der Rahmenvereinbarung sind einerseits der Leistungserbringer und andererseits die Stadt Hamburg als Leistungsträger, weitere Leistungsträger wurden zumindest in Hamburg nicht an den Verhandlungen beteiligt. Die Rahmenvereinbarung wird so verstanden, dass sie der bisherigen Gesamtvereinbarung mit den einzelnen Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII vorgeht bzw. die Gesamtvereinbarung „ummantelt“. Tatsächlich regelt die Rahmenvereinbarung lediglich die besonderen Beziehungen zwischen der Stadt Hamburg als Leistungsträgerin und dem jeweiligen Leistungserbringer. Von der Rahmenvereinbarung ausgeschlossen sind dagegen auswärtige Leistungsträger, Bezieher von Persönlichen Budgets und Selbstzahler. Wären diese „nicht ausgeschlossen“, würde es sich beim Trägerbudget um eine einrichtungsbezogene Vergütung handeln. Genau das hat die Stadt Hamburg bisher strikt abgelehnt. Nicht zuletzt würde sich dann auch die Frage stellen, warum ein paar Träger finanziell sichergestellt werden, viele andere dagegen nicht.

Für die übrigen Leistungsträger, Bezieher von Persönlichen Budgets und Selbstzahler gilt weiterhin die Gesamtvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII mit ihrer Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung, wobei man auch hier differenzieren müsste, ob es sich um reine Selbstzahler handelt oder abgerechnet wird gegenüber anderen Sozialhilfeträger. In den Vergütungsvereinbarungen können sich Formulierungen wiederfinden, die eine Ungleichbehandlung ausschließen sollen. In Hamburg heißt es aber, dass die vom Sozialhilfeträger verlangte Vergütung nicht höher sein darf, als die von Selbstzahlern. Umgekehrt wäre eine Ungleichbehandlung möglich?

Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind die Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII „bindend“ für alle übrigen Träger der Sozialhilfe. Dies schließt aber nicht die Rahmenvereinbarung ein. Weil die Inhalte der Rahmenvereinbarung lediglich die besonderen Beziehungen zwischen dem jeweiligen Leistungserbringer und der Stadt Hamburg regeln, kommt für die übrigen Leistungsträger usw. die Gesamtvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII zur Anwendung.

Es stellt sich somit die Frage, mit welchen Gesichtspunkten die Verhandlungen zu den Gesamtvereinbarungen geführt worden und wie die Beträge in der Vergütungsvereinbarung zustande gekommen sind!

Die Beträge in den Vergütungsvereinbarungen kommen – eigentlich – im üblichen Verhandlungsweg zustande. Im Falle von Investitionsmaßnahmen und den daraus resultierenden Folgekosten gilt § 76 Abs. 2 SGB XII. Da Vergütungen immer für zukünftige Zeiträume abzuschließen sind, muss ggf. eine Anhebung vom Leistungserbringer vorher verlangt werden. Kommt eine Einigung innerhalb von sechs Wochen nicht zustande, darf der Leistungserbringer die Schiedsstelle nach § 77 Abs. 1 SGB XII verlangen. Diese entscheidet dann über die strittigen Punkte.

Dass es zu einem Anruf der Schiedsstelle kommen wird, kann ausgeschlossen werden. Einerseits müssen die Vertragspartner der Rahmenvereinbarung eine einvernehmliche Regelung finden, andererseits widersprechen umfangreiche Entgeltverhandlungen der Zielsetzung Bürokratieabbau der Rahmenvereinbarung. Trotzdem hat der Leistungserbringer aus zwei Gründen das Ziel, dass die Vergütungssätze möglichst hoch ausfallen:

Erstens gelten die Entgelte aus der Vergütungsvereinbarung fort, wenn die Rahmenvereinbarung ausläuft oder gekündigt worden ist. Je höher diese Beträge sind, umso unwahrscheinlicher wird eine Kündigung seitens des Leistungsträgers.

Zweitens richtet sich die Höhe der gegenüber Dritten abzurechnenden Leistungen nach den Entgelten aus der Vergütungsvereinbarung. Je höher die Beträge, umso höher die Erlöse pro fremdbesetzten Platz.

Die Anhebung von Vergütungssätzen liegt also in jedem Fall im Interesse des Leistungserbringers – sowohl für die Zeit nach dem Trägerbudget wie auch gegenüber den auswärtigen Leistungsträgern oder anderen Zahlern. Die Durchsetzung dieser Interessen wird begrenzt durch die Möglichkeiten der Rahmenvereinbarungen. Weil Einvernehmen zu erzielen ist in so ziemlich jeder Frage, werden Entgeltverhandlungen bis hin zur Schiedsstelle nicht zu führen sein. Aber auch der andere Vertragspartner weiß, wie sehr ein Leistungserbringer auf zusätzliche Erlöse angewiesen ist. Er wird also zustimmen müssen, wenn ein gut begründetes Erhöhungsverlangen vorliegt. Er wird aber nicht in dem Umfang prüfen, den er gegenüber anderen Leistungsträgern aufwendet.

Man kann also davon ausgehen, dass die erstmaligen Verhandlungen im Hinblick auf ein mögliches Scheitern der Rahmenvereinbarung geführt worden sind. Doch weil auf der öffentlichen Seite ein gewisser Bürokratieabbau und Einsparungseffekt gewünscht worden ist, verlagern sich die zukünftigen Entgeltverhandlungen in das Gremium des Begleitmanagements. Damit sollte der Arbeitsaufwand beträchtlich steigen, denn Entgeltverhandlungen im üblichen Rahmen sind aufwändige Ereignisse.

Ich gehe davon aus, dass man sich weniger mit Details beschäftigen wird, als vielmehr mit dem gewünschten Ergebnis. Da, wie gesagt, das Interesse an hohen Vergütungssätzen durchaus beim Leistungserbringer gegeben ist, der Leistungsträger durch das Trägerbudget gut abgesichert erscheint, könnte eine neuen Vergütungsvereinbarung Entgelte enthalten, die nicht mit der bekannten Sorgfalt geprüft und verhandelt worden sind.

Selbst wenn es so nicht wäre, die Diskrepanz ist alleine dadurch vorhanden, dass das Trägerbudget eine riesige Pauschale darstellt und keine Einzelabrechnungen gegenüber dem Vertragspartner aus der Rahmenvereinbarung mehr vorgenommen wird. Die Vergütung pro Leistungsberechtigten ist damit in jedem Fall eine andere.

Ergo muss es betriebswirtschaftliches Ziel sein, die Anzahl der freien Plätze mit solchen Bewohnern oder Nutzern zu füllen, die einen Leistungsbescheid von einem auswärtigen Leistungsträger mit sich bringen oder Selbstzahler bzw. Persönliches Budget-Nehmer sind; das Trägerbudget ist ja fix. Damit dies aber nicht bis ins Extrem geschieht, wird es Aufgabe des Begleitmanagements sein, die Zahl der mit eigenem Leistungsbescheid besetzten Plätze zu kontrollieren. Wie man aber die Statistik ausbremsen kann, darüber hatte ich in einem früheren Beitrag kurz berichtet (es wäre aber wichtig, wenn man über die Probleme noch genauer berichten könnte).

Ein weiteres Ziel ist die Platzausweitung bzw. die Schaffung zusätzlicher Leistungsformen und auch ständig besetzter Plätze. Zwar wird auch hier das Begleitmanagement ein Auge haben, doch weil die personenzentrierte Bedarfsdeckung im Vordergrund steht, wird man nichts gegen neue Leistungsformen einwenden können. Das Trägerbudget erlaubt es und die Rahmenvereinbarung sieht es sogar vor, dass man neue Leistungsformen ausprobiert.

Zurück zur Ausgangsfrage: Könnten weitere Erlöse darüber hinaus erzielt werden? – Ja, aber es gibt Grenzen, die beachtet werden müssen. Man kann gespannt sein, wie sich die Erlöse der vier Hamburg Trägerbudget-Nehmer entwickeln werden.

CGS



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Mittwoch, 19. August 2015

Das Trägerbudget findet noch immer Interesse (Fortsetzung vom 5.1.2015)

In Zeiten knapper Kassen, aber davon dürfte derzeit in Hamburg nicht die Rede sein, gilt weiterhin das Trägerbudget als das Steuerungsinstrument schlechthin. Vor einiger Zeit gab es hierzu ein Treffen interessierter Träger von Einrichtungen. Weil noch immer eine hohe Zahl an Leistungserbringern keine Vereinbarung über das Neue Zeitbasierte Kalkulationsverfahren abgeschlossen hat, könnte es sein, dass einige mit dem Gedanken eines Trägerbudgets spielen. Dies könnte zum Beispiel dadurch erfolgen, dass sich diese Träger zu einer Sozialgenossenschaft zusammenfinden; in einem solchen Fall würde die Behörde nur noch einen Vertragspartner haben.

Bei diesem Treffen berichtete ein (großer) Träger über seine Erfahrungen mit dem Trägerbudget. Die Behörde hatte seinerzeit ein solches Vergütungsmodell mit diesem Träger angestrebt, weil sie der Meinung war, man könnte hier etwas einsparen. Im Angesicht drohender Fallzahlen-Anstiege und Haushaltsüberschreitungen eine durchaus nachvollziehbare Überlegung.

Mit der Übermittlung der für die Umstellung benötigten Ausgangsparameter (Plätze, Stellen, HBG-Verteilung, Personalkosten) standen die Ergebnisse dann auch schnell fest. Von jetzt an waren nachträgliche Änderungen der Parameter nicht mehr möglich, es sei denn, man hätte einen gravierenden Fehler bei der Datenaufbereitung nachweisen können – wie immer obliegt die Beweislast demjenigen, der eine Verbesserung seiner Situation anstrebt.

Aus der Umstellung bildeten sich Nehmer- Träger (Gewinner) und Geber-Träger (Verlierer) heraus. Es gab zwar Versuche, die positiven Ergebnisse der Gewinne zu sozialisieren, aber welches Unternehmen wird sich darauf einlassen? In erster Linie ist jede Geschäftsführung seinen Eigentümern, den Kunden und den Mitarbeitern verpflichtet! Und es darf nicht vergessen werden, dass der „Gewinn“ nur dann zur Auszahlung über die Vergütung kommt, wenn sich in der Übergangsvereinbarung entsprechende Verpflichtungen seitens des Nehmer-Trägers wiederfinden. Von Seiten der Behörde will man natürlich eine Sicherstellung der Ergebnisqualität sehen, dementsprechend erklärt sich das gestiegene Interesse an entsprechenden Formulierungen in den Vereinbarungen. Die Nehmer-Träger möchten ihre Kostenstruktur refinanziert haben, was aber nicht zwingend ein gegenläufiges Ziel darstellen muss.

Für die Geber-Träger gilt es jetzt, Schadensbegrenzung zu betreiben. Die eine Möglichkeit, nämlich sich auf das geeinte Prozedere einzulassen und im Wege einer Übergangsvereinbarung die vorhandenen Strukturen anzupassen (z.B. Personalabbau, Zusammenlegung von Einrichtungen, Tarifaustritt) bei gleichzeitiger Sicherstellung der Erlöse, ist keine Lösung. Vielmehr ist eine echte Alternative zu suchen, welche das Überleben sichert und gleichzeitig den Wünschen der Behörde entgegen kommt.

Der Zusammenschluss zu einer Sozialgenossenschaft erscheint attraktiv, doch m.E. kann die Rechnung nicht aufgehen: Minus + Minus = weniger Minus?

Zusammenschlüsse kennt man auch als Fusionen von Unternehmen. So eine Fusion kann durchaus sinnvoll sein, wenn man eine marktbeherrschende Stellung ausbauen möchte oder gemeinsam einen neuen Markt entwickelt. Auch Kosteneinsparungseffekte (sogenannte Synergien oder Skalierungseffekte) sind gut Gründe für eine Fusion. Doch welche Kosten werden beim Zusammenschluss von mehreren stationären Wohneinrichtungen eingespart? – ja, es gibt einige Kostenarten, die „verschlankt“ werden könnten, doch mit Größe kämen auch ganz neue Aufwandsarten hinzu.

Angeblich hat die Behörde eine positive Einstellung gezeigt zum Thema Sozialgenossenschaften. Das hängt wohl eher damit zusammen, dass ein einzelner, großer Träger weniger Arbeit bereitet, als viele, kleinere Träger.

Also mal angenommen, es finden sich mehrere kleinere Träger zu einer Sozialgenossenschaft zusammen, worüber würde die Behörde mit so einem organisatorischen Verbund im Hinblick auf ein Trägerbudget verhandeln wollen?


• Steigende Fallzahlen bearbeiten zum Preis der alten Mengen (Erlösdeckelung).

• Kürzere Verbleibzeiten und Verselbständigung hin zu eigenem Wohnraum (Ambulantisierung von Bewohnern).

• Abbau von stationären Wohneinrichtungen und Aufbau einer ambulanten Betreuungsstruktur (Strukturumbau).

• Leistungsverschiebung hin in den Bereich der Pflege.

Man darf sich nichts vormachen: Die Anforderungen ändern sich nicht, nur weil man jetzt eine „Familie“ von Wohneinrichtungen vertritt. Die Deckelung der Erlöse bei gleichzeitigem Kostenanstieg aufgrund „teurer“ Tarifverhandlungen wird die Wohneinrichtungen dazu zwingen, Stellen abzubauen. Bis zu einem gewissen Grad könnten Dienstpläne effizienter besetzt werden oder man führt Rufbereitschaften ein. Aber der Austritt aus dem Tarif oder die Nicht-Übernahme von Tariferhöhungen bei tarifungebundenen Unternehmen führt nicht zu Kosteneinsparungen, vielmehr ist mit dem Austritt von Leistungsträgern in der Mitarbeiterschaft zu rechnen.

Andererseits kann auch ein Trägerbudget „ausgetrickst“ werden, wenn bestimmte Faktoren nicht beachtet werden. Denn weil das Trägerbudget fix ist, verteilt es sich auf alle Leistungsberechtigte im gesamten Zeitraum. Wiederkehrer und solche, die verschiedene Maßnahmen in Anspruch nehmen, werden ggf. doppelt gezählt. Ein Beispiel: Bewohner einer stationären Einrichtung, welcher gleichzeitig tagsüber eine Tagesförderstätte besucht, wird automatisch zweimal erfasst. Die Ausdifferenzierung von Leistungen bewirkt für sich genommen bereits zu einem Fallzahl-Anstieg, ohne dass dem tatsächlich ein Pro-Kopf-Anstieg zugrunde liegt. So erfüllt auf dem Papier ein Trägerbudget-Träger seine Ziele, ohne dass dem eine echte Qualitäts- und Effizienzverbesserung vorausgegangen ist.

Der Behörde geht es vorrangig darum, Haushaltsmittel einzusparen. Ziel wäre es, dass Bedarfe nicht aus Sozialhilfemitteln gedeckt werden, sondern aus den Ressourcen anderer Leistungsträger kommen (z.B. Pflegeversicherung). Auch besteht nach wie vor der Glaube, dass Ambulante Leistungen günstiger sind als Stationäre Leistungen. Die Träger mit dem Trägerbudget versuchen dagegen, Erlöse zu generieren mit Leistungen, die eben nicht Bestandteil der Rahmenvereinbarung zum Trägerbudget (z.B. heilpädagogische Krisenintervention) sind. Sie werden nur dann Strukturen verändern, wenn ihr Geschäftsmodell nicht gefährdet ist.

Damit das Trägerbudget ein Erfolg für beide Seiten wird, denn sonst würden die entsprechenden Rahmenvereinbarungen gekündigt werden und man müsste zurück auf „Start“, sozusagen, soll ein ständiges Begleitmanagement eingesetzt werden; ein paritätisch besetztes Gremium, ähnlich einer Lenkungs- oder Steuerungsgruppe. Bislang wurde sehr wenig bekannt über die Arbeit des Begleitmanagements. Es heißt, dass das Interesse auf beiden Seiten erlahmt ist. Ein Problem besteht wohl darin, dass die Daten, mit denen im Gremium gearbeitet wird, teilweise veraltet und teilweise nicht nachvollziehbar erhoben worden sind. Einen ordentlichen Data-Feed gibt es anscheinend auf keiner Seite. Und so verbringt das Begleitmanagement viel Zeit damit, Daten der Behörde und Daten des Trägers zu plausibilisieren. Wenn das stimmt, ist es kein Wunder, dass die Kräfte schnell erlahmen.

Wie zur Bestätigung fand ich in einem Vorwort diesen Satz:

 „Damals [d.h. in den Verhandlungen zu einem Trägerbudget, eig. Anm.] war unsere Überlegung: Wenn wir der Kürzung einzelner Leistungen zustimmen, wird die Anzahl weiterer Maßnahmen größer, weil mehr Menschen aufgrund kürzerer Betreuung häufiger wiederkommen. Das kann keine Form der Steuerung sein!“ (Quelle: S. 3, „Zahlen, Fälle und wie weiter? Zur Steuerung der psychiatrischen Versorgung in Berlin“, Ausgabe 3-2009, Paritätischer Berlin)

Im Trägerbudget sehe ich vorrangig ein Mittel, mit dem man die Trägerlandschaft neu aufteilen kann. Langfristig wird man immer wieder zu Vergütungen zurückfinden müssen, die pro Einzelfall und pro Maßnahme gezahlt werden.

CGS


PS:
Am 5.1.2015 hatte ich über zwei Rahmenvereinbarungen mit Trägerbudgets berichtet und die vertraglichen Inhalte ein wenig analysiert – zu finden über die Schlagworte „Trägerbudget“ oder „Rahmenvereinbarung“.




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